Hilpoltstein
Ein Haus als Kraftwerk

Das Heliotrop in Hilpoltstein dreht sich immer zur Sonne – Ein ganz besonderer Arbeitsplatz

17.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:06 Uhr

Einen Arbeitsplatz der besonderen Art hat Josef Dekorsy in seinem Dentallabor in Hilpoltstein, das in einem von nur drei Heliotropen Deutschlands Platz gefunden hat - Foto: Neue

Hilpoltstein (HK) Seit fast zwei Jahrzehnten gibt es Josef Dekorsys Heliotrop am Kränzleinsberg in Hilpoltstein, als eines von nur drei seiner Art deutschlandweit. Ein Haus als Kraftwerk sollte es ursprünglich sein, doch seit dem Orkan Emma 2008 fehlen auf dem Gebäude die Solarzellen.

14,5 Meter hoch und einen Durchmesser von 10,5 Meter hat das 18-eckige energieeffiziente Heliotrop am Kränzleinsberg in Hilpoltstein. „Die Technik hat mich fasziniert“, sagt Besitzer Josef Dekorsy. Das Gebäude besteht aus 14 Modulen, die einzeln aus der Schweiz, wo das Heliotrop als Anschauungsobjekt auf einer Holzbaumesse in Basel aufgebaut war, transportiert und in Hilpoltstein zusammengesetzt wurden. „Ich bin also quasi Secondhand-Benutzer“, scherzt Dekorsy, der sein Dentallabor in dem Heliotrop hat. Entwickelt wurde die Idee vom „Haus als Kraftwerk“ von dem Freiburger Architekten Rolf Disch. „Am Anfang lief alles gar nicht so glatt“, erinnert sich Dekorsy, „bis man da mal alle Genehmigungen hatte und das passende Grundstück.“ Zudem unterschied sich das Schweizer Baurecht ganz enorm von dem in Bayern. „Da musste man jede Menge Dinge beachten.“

Verantwortlich für den besonderen Bau war das Heidecker Architekturbüro Gruner. Mit dem Jahresbeginn 1996 konnte Dekorsys Dentallabor endlich in seinen Sonnenturm einziehen. „ Es war für unsere Zwecke optimal geeignet“, sagt Dekorsy. „Von der Energieausbeute ganz zu schweigen.“ Vor allem deshalb habe er sich gegen ein herkömmliches Haus und für das Heliotrop als zukünftigen Arbeitsplatz entschieden. Immerhin hat er damals für die fast 200 Quadratmeter Nutzfläche 1,2 Millionen Mark bezahlt. „Für eine einfache Halle der selben Größe hätte ich nur ein Drittel dieses Preises hinlegen müssen.“ Ausgeglichen hätten sich die Mehrkosten, die er für diesen besonderen Arbeitsplatz bezahlt hat, mit den Einsparungen für die Energiekosten nicht. Aber trotzdem: „Der Blick ins Grüne oder der wunderbare Ausblick über Hilpoltstein, je nachdem wie man es dreht, machen das Arbeiten im Heliotrop einzigartig“, schwärmt er. „Vor allem bei unserer Arbeit im Dentallabor, wo wir immer auf nahe Gegenstände direkt vor dem Gesicht fixiert sind, werden die Augen unglaublich dadurch entspannt, einfach mal in die Ferne schauen zu können.“ Doch das Heliotrop bot nicht nur ein ganz neues Arbeitsgefühl, sondern war auch in seiner Ausstattung sehr modern: „Die Dämmung war damals ein Highlight“, erklärt Dekorsy: „Dreifach-Glasscheiben mit Edelgasfüllung gab es vor 20 Jahren fast nirgends, heute ist das Standard.“ Das Bauwerk ist nicht nur umweltfreundlich und energieeffizient, sondern erinnert auch von seinem Erscheinungsbild her an einen Baum. Ganz besonders sei der Stamm, die 14 Meter hohe Säule in der Mitte des Heliotrops, die die Wendeltreppe und die Elektroinstallationen umschließt: „Die Säule muss alle Zimmer tragen.“ Damit sie besonders stabil ist, besteht sie aus einer Konstruktion aus Holz und Stahlträgern. „Es könnten 400 Menschen an einem Fenster stehen und das Gebäude würde nicht umkippen“, sagt Dekorsy. Das liegt vor allem an dem Sockelgeschoss, das sich wie ein Wurzelwerk vom Stamm nach außen erstreckt und so eine weitaus größere Fläche bietet als die „Baumkrone“, die Zimmer des Heliotrops. Für die meisten jedoch am beeindruckendsten ist der Drehmechanismus des Hauses: Dieser ermöglicht es, die Glasfront, die das Heliotrop nur halbseitig bedeckt, zur Sonne auszurichten oder von ihr wegzudrehen. Ein kleiner Motor kann das Gebäude um 360 Grad drehen, sodass man den ganzen Tag Sonnenschein hat. „Eine vollständige Drehung dauert 50 Minuten, wenn es sich durchgehend dreht“, sagt Dekorsy. „Das ist so langsam, dass man es normalerweise gar nicht merkt. Außer man fixiert draußen für längere Zeit einen bestimmten Punkt, dann nimmt man eine Bewegung wahr“, erzählt er. Schwindelig sei aber noch keinem geworden, sagt er lachend.

Schwindelerregend ist da schon eher die enge Wendeltreppe in der Mitte des Heliotrops. „70 Stufen sind es insgesamt. Die laufe ich fünf mal am Tag, da spart man sich das Fitnessstudio“, sagt er lachend. Doch man kann auch von einem Zimmer ins nächste, spiralförmig nach oben laufen. Auf dem Dach des Heliotrops hat man nicht nur einen besonderen Blick über Hilpoltstein, sondern sieht auch die leeren Stahlträger, die einst die Solaranlagen getragen haben. „Ein Motor war dafür zuständig, dass sich die Fotovoltaikplatten unabhängig vom Rest des Gebäudes drehen können, zwei weitere Motoren haben die Neigung der Platten geregelt, sodass die Sonne immer im idealen Winkel einfallen konnte“, erzählt er mit ein wenig Wehmut in der Stimme. Denn dann kam 2008 Emma, ein Jahrhundertsturm, der im ganzen Landkreis Bäume entwurzelt, Dächer abgedeckt und Autos zertrümmert hat. Und so blieb auch die Solaranlage des Heliotrops in Hilpoltstein nicht verschont. „50 000 Euro hätte die Erneuerung damals gekostet, das war zu viel. Vor allem musste man ja immer damit rechnen, dass der nächste Sturm wieder alles zerstört“, sagt Josef Dekorsy. Eigentlich gibt es extra einen Windmesser, damit die Motoren das Segel bei zu starken Böen flach auf das Dach legen. „Aber der Wind war wohl schneller als der Windmesser“, vermutet Dekorsy. In den nächsten Jahren könne er sich aber durchaus vorstellen, wieder Solarzellen auf das Dach zu bauen. „Die werden ja immer günstiger und auch immer effektiver“, sagt er. „Vielleicht müssen es dann nicht mehr 50 Quadratmeter sein, sondern es würden auch 20 reichen.“ Aber für das Labor habe die durch die Solarzellen erzeugte Energie ohnehin nie gereicht. „Vielleicht würde es zum Wohnen genügen, aber für ein Dentallabor mit den ganzen Gerätschaften und Vorwärmeöfen war es zu wenig.“

Doch auch ohne Solarzellen ist das Gebäude hochgradig ökologisch: Das Regenwasser wird in einer Zisterne gesammelt und für die Toilettenspülung verwendet. Zudem verbrauche der schmale Sockel, in dem das Heliotrop wurzelt, sehr wenig Baugrund im Vergleich zur Nutzfläche.

Das erste Heliotrop in Deutschland, in dem der Architekt Rolf Disch selbst wohnt, wurde vor genau 20 Jahren in Freiburg fertiggestellt. Das zweite Heliotrop steht in Offenburg und dient als Ausstellungsraum. Das Hilpoltsteiner Heliotrop war das dritte in der Reihe. Mittlerweile sei es fast schon zu groß für Josef Dekorsy und seine vier Mitarbeiter. Einige Räume in den einzelnen Modulen stehen leer. Doch insgesamt habe sich das Gebäude bewährt. Zu Höchstzeiten habe er zwölf Mitarbeiter gehabt, da wäre viel Platz wichtig gewesen. „Das Arbeiten hier drin war immer sehr angenehm. Es ist eben etwas ganz Besonderes“, sagt Dekorsy mit einem zufriedenen Lächeln.