Pfaffenhofen
Ein harter Schnitt

Im Pfaffenhofener Stadtrat beschließt eine bunte Mehrheit die Sperrung der Hauptplatzdurchfahrt

09.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:14 Uhr
Viel befahrener Hauptplatz: Die Stadt will dem Durchgangsverkehr Herr werden - an der Art und Weise scheiden sich die Geister. −Foto: Kretzmann

Pfaffenhofen (PK) Die Stadt Pfaffenhofen will zu einem drastischen Mittel greifen, um den Durchgangsverkehr aus der Innenstadt zu verbannen: Die Hauptplatzdurchfahrt soll ab Spätsommer oder Herbst 2018 gesperrt werden. Diese Grundsatzentscheidung hat der Stadtrat mit 18:12 Stimmen getroffen.

Es war eine emotionale Debatte, die sich die Stadträte am Mittwochabend lieferten - und sie schrammte stellenweise haarscharf an der Grenze zum Beleidigenden vorbei: "Das ist alles bloß blödes Daherargumentieren", ätzte Bürgermeister Thomas Herker (SPD) über die Befürchtungen der CSU, ältere Menschen und Ortsteilbürger würden von der Innenstadt abgeschnitten. Und der SPD-Fraktionssprecher Markus Käser unterstellte der Opposition gar "Feigheit" vorm Treffen einer harten Entscheidung.

Immerhin zwei Jahre lang wurde am neuen Verkehrskonzept für die Innenstadt gefeilt. Und eigentlich herrscht im Stadtrat Einigkeit, was die verkehrsplanerische Zielsetzungen betrifft: Innenstadt entlasten, Durchgangsverkehr reduzieren, neue Parkhäuser schaffen. Strittig ist hingegen die Reihenfolge: Die Bunte Koalition will das Maßnahmenpaket schnellstmöglich mit der Durchfahrtsperre am Hauptplatz beginnen und schon nächstes Jahr Poller aufstellen. Aus Sicht der Opposition sollte dieser Schritt hingegen am Ende stehen - wenn überhaupt.

"Wir lehnen das Konzept nicht ab, fraglich ist nur das Wann und Wie", argumentierte CSU-Fraktionschef Martin Rohrmann. Mit der Sperrung werde der dritte Schritt vor dem ersten gemacht. "Das ist ein Schmarrn." Dabei könnte die CSU mit den anderen Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung beispielsweise in der Spitalstraße oder Frauenstraße sehr gut leben. Einen Antrag von Altbürgermeister Hans Prechter, getrennt über die Durchfahrtssperre und die übrigen Ideen abzustimmen, bügelten die Bunten mit 17:13 Stimmen ab.

"Diese Planung führt zum Ausbluten der Geschäftswelt auf dem Hauptplatz", warnte Verkehrsreferent Florian Schranz (CSU) - von einer Verlagerung des Verkehrsproblems in andere Straßen ganz zu schweigen. "Diese Radikalität ist nicht angebracht", kritisierte auch Prechter. "Es ist unabdingbar, eine Durchfahrtmöglichkeit für Pkw zu erhalten, damit Schul- und Kellerstraße nicht absaufen." Das vorliegende Umsetzungskonzept sei ein "Traumpapier" und "Christkindlbrief", witzelte er. Die CSU hat schon mehrfach unterstrichen, dass erst neue Parkhäuser konkretisiert und andere verkehrsberuhigende Maßnahmen ergriffen werden müssen, ehe eine Sperrung der Hauptplatzdurchfahrt sinnvoll sei.

Als Wortführer der SPD widersprach Käser dieser Argumentation: "Als Erstes neue Parkhäuser zu bauen, löst doch nicht die Problematik des Durchgangsverkehrs." Käser warb deshalb um Zustimmung zum Grundsatzbeschluss und bat, Detailfragen erst einmal hintenanzustellen: "Das ist der bestmögliche Kompromiss."

Und diesen trugen sogar die Freien Wähler mit, die dem Thema eigentlich mit gemischten Gefühlen gegenüberstehen: "Wir müssen etwas tun, sonst ersticken wir im Verkehr", warnte Fraktionssprecher Peter Heinzlmair. Die stufenweise Umsetzung sei zwar nicht das Gelbe vom Ei. "Aber wenn dadurch nur noch diejenigen reinfahren, die in der Innenstadt etwas zu erledigen haben oder sich dort aufhalten wollen, haben wir einen großen Wurf geschafft."

Dritter Bürgermeister Roland Dörfler (Grüne) warf ein, dass sich auch bei früheren Entscheidungen zum Innenstadtverkehr viele Befürchtungen nicht bewahrheitet hätten. "Ohne Veränderung gibt es nur Stillstand", warnte er. "Nur nicht bei der Verkehrsdichte." Diese Brisanz unterstrich auch Bürgermeister Herker: "6000 Fahrzeuge am Tag fahren einfach nur durch", betonte Herker. "Auf uns wartet absehbar der Verkehrskollaps." Ziel müsse es sein, die Innenstadt für alle Interessengruppen gesund zu halten.

Kritisch äußerte sich Franz Niedermayr (FDP): "Solange wir die Autofahrer nicht dazu bewegen können, die Umgehungsstraße zu nutzen, macht das alles keinen Sinn." Die drängende Frage sei doch nicht, wie man den Transitverkehr alternativ durch die Stadt lenkt, sondern wie man ihn ganz raushalten könnte.

Wie sehr das Thema die Stadträte umtreibt, zeigte sich nicht nur im Plenum: Schon vor der Sitzung wurde emotional diskutiert. Und auch während der Debatte verließen Räte offenkundig zu letzten Unterredungen kurz den Saal. Eine Kampfabstimmung blieb trotzdem aus: Die SPD scheint die Koalition vorab auf Linie gebracht zu haben. Am Ende stimmten 18 Räte für die Umsetzung des Verkehrskonzepts - gegen die Stimmen der zehn CSU-Räte sowie Niedermayr und Reinhard Haiplik (ÖDP). Dass Letzterer aus den Reihen der Koalition ausscherte, war wenig überraschend: Er soll sich vorab bei den anderen Koalitionären den Segen für seinen Alleingang geholt haben. "Der Verkehr muss beruhigt werden, aber von außen nach innen - und nicht umgekehrt", mahnte Haiplik. Die Sperrung lehnt er ab: "Die Theorien einer angeblichen Verkehrsentlastung glaube ich nicht", sagte er mit Verweis auf Tage, an denen der Hauptplatz zum Beispiel wegen Veranstaltungen gesperrt ist. Das gehe zulasten der Schulstraße. Das sei "verantwortungslos", kritisierte Haiplik mit Blick auf die Kinder, die die Joseph-Maria-Lutz-Schule besuchen.
 

DAS WURDE BESCHLOSSEN

Der Pfaffenhofener Stadtrat hat in seinem Mehrheitsbeschluss mit 18:12 Stimmen nicht nur die viel diskutierte Sperrung der Hauptplatzdurchfahrt beschlossen, sondern ein ganzes Paket an Maßnahmen und Aufträgen an die Verwaltung. "Dem vorgestellten Verkehrskonzept Innenstadt wird im Grundsatz zugestimmt", heißt es laut Protokoll im Beschluss. "Dafür hat zunächst die Herausnahme des Durchgangsverkehrs aus der unmittelbaren Innenstadt, damit verbunden die Entkoppelung von oberem und unterem Hauptplatz und die Sperrung von Hofberg und Frauenstraße für den Durchgangsverkehr zu erfolgen." Weiter hat der Stadtrat die Verwaltung beauftragt, bis Februar 2018 eine Ausarbeitung zur Umgestaltung der Spitalstraße ebenso vorzubereiten wie entsprechende Vorfahrts- und Abbiegeregelungen am Altstadtstring. Auch wie die Poller am Hauptplatz gesetzt werden könnten, soll untersucht werden - "inklusive der damit verbundenen Betrachtung der Stellplatz-Situation", so der Wortlaut des Beschlusses. Bis Februar soll die Verwaltung demnach auch Details eines zugehörigen Parkierungskonzepts sowie Vorschläge zu verkehrsleitenden Maßnahmen in der Hohenwarter Straße und im Bereich der Evangelischen Kirche ausarbeiten - ebenso wie eine Neukonzeption des Stadtbussystems ab 2020 und Möglichkeiten, die Radverkehrsinfrastruktur in Pfaffenhofen zu verbessern. | mck

Kommentar von Michael Kraus

Beim Thema Auto prallen in der bundespolitischen Debatte meist unverrückbare Ideologien aufeinander. Sei’s nun bei Dieselfahrverboten in Großstädten oder beim jüngsten Verbrennungsmotor-Knatsch in den Jamaika-Gesprächen. Wenn der Deutschen liebstes Spielzeug in Gefahr scheint, sind nicht nur in Berlin die Gräben tief, sondern auch in der Kommunalpolitik. Und so ist die Stadtratsdebatte zur Sperrung der Pfaffenhofener Hauptplatzdurchfahrt vor allem eine Wiederholung altbekannter Argumente: Die eine Seite formuliert Befürchtungen über schlimme Folgen für Einzelhändler und Gehbehinderte, die andere Seite kontert mit dem Vorwurf politischer Unentschlossenheit. Diese Diskussion ist nicht neu. Seit der Sperrung der Weilhammer Klamm in den 90er Jahren wurde sie in Pfaffenhofen schon vielfach geführt – bei jedem kleinen Schritt in Richtung eines autofreien Hauptplatzes. Man könnte natürlich noch jahrelang trefflich weiterstreiten, ob mehr Verkehrsberuhigung die Innenstadt aufwertet oder ihr den Todesstoß versetzt. Oder man kann den drastischen Schritt einfach wagen. Der Blick zurück zeigt immerhin, dass sich die Befürchtungen, die Innenstadt würde sterben, nicht bewahrheitet haben. Ganz im Gegenteil.