München
"Ein gutes Fundament"

DFB-Team wirkt nach 0:0 gegen Frankreich zufrieden - weiß aber auch, dass noch mehr kommen muss

07.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:01 Uhr

München (DK) Und erneut wird eifrig diskutiert: Das 0:0 zum Auftakt der Nations League gegen Weltmeister Frankreich - tatsächlich ein Grund für Fußball-Deutschland, um wieder optimistischer in die Zukunft zu blicken? Oder hätte das DFB-Team dafür nicht doch einen Tick mutiger auftreten müssen?

Die Vorstellung in München: war wohl bestenfalls eine "Wiedergutmachung light" nach dem blamablen WM-Aus im Juni in Russland. "Das Spiel war über weite Strecken sehr von taktischen Dingen geprägt, stand unter besonderen Vorzeichen", gibt Bundestrainer Joachim Löw zu. Und ja, er sei nun zufrieden - weil es gerade defensiv in seiner Mannschaft gestimmt habe. "Das ist ein gutes Fundament", so sein Fazit nach dem Donnerstagabend. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.

Der 58-Jährige weiß nur zu gut: Dieses 0:0 in der Allianz Arena war nur ein kleiner Schritt zurück in die Fanherzen. Weitere müssen folgen - wohl sogar mit frischem Personal. Auf solches legte Löw ja gegen Frankreich demonstrativ keinen Wert, verzichtete komplett auf Neulinge - und ließ auch Hoffnungsträger wie Leroy Sane (reiste am Freitag aus privaten Gründen ab) oder Julian Brandt zunächst auf der Bank schmoren. "Wir müssen einen Mittelweg finden. Natürlich brauchen wir den Einbau von jungen Spielern, das müssen wir ohne Zweifel nach und nach forcieren", so der Bundestrainer: "Aber das ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen geht."

Diesmal, gegen den amtierenden Weltmeister, war ihm vor allem die Stabilität in der Defensive wichtig - mit einer stabilen Viererabwehrkette, gebildet rein aus etatmäßigen Innenverteidigern. Beim WM-Gewinn 2014 hatte Löw ja schon mal auf dieses Stilmittel gesetzt - bekanntermaßen mit Erfolg.

"Ochsenkette" war das Ganze damals wenig schmeichelhaft getauft worden - ein Begriff, bei dem Matthias Ginter aktuell durchaus lachen muss. Der Mönchengladbacher zählte an diesem Donnerstag ja zu den Profiteuren davon, rutschte völlig überraschend in das Team - und erledigte seine Aufgaben auf der rechten Seite durchaus respektabel. "Ich hätte nichts dagegen, wenn ich das öfter machen dürfte", so der 24-Jährige mit einem Augenzwinkern.

Bloß genau davon hält ausgerechnet Löw nicht viel. Eines seiner aktuellen Lieblingsworte lautet "Variabilität". So sei es jetzt zwar gegen Frankreich das Richtige gewesen, mit dieser "Ochsenkette" zu spielen - "dauerhaft ist das aber nicht die richtige Lösung", ist der Bundestrainer fest überzeugt. Gerade gegen Kontrahenten, die fast nur hinten drinstehen, die weniger konterstark sind und weniger Klasse besitzen als Frankreich, müssen definitiv andere Lösungen her.

Mit einem Joshua Kimmich dann wieder auf der rechten Seite? Am Donnerstagabend hatte er sich ja plötzlich als Sechser in der Mitte wiedergefunden - was ihm prompt viel Spaß machte. "Von mir aus würde ich sehr, sehr gerne öfter zentral spielen", bestätigt der 23-Jährige mit leuchtenden Augen. Und Löw schließt eine regelmäßige Wiederholung dieses Experiments nicht aus: "Das war gegen Frankreich eine sehr gute Lösung, das ist auch sicherlich weiterhin eine gute Lösung. Jo hatte das in seiner Jugend schließlich schon einige Male gut gespielt."

Bloß hätten die Deutschen in der Allianz Arena nicht doch ein bisschen mutiger sein sollen - und noch mehr Risiko gehen? Kimmich nickt zustimmend: "Als den Franzosen die Kräfte ausgingen, hätten wir das in den letzten 20 Minuten vielleicht wirklich tun können."

Mats Hummels sieht's dagegen komplett anders "Wir hatten doch drei, vier wirklich gute Chancen, bei denen Schlussmann Alphonse Areola teilweise sehr gut gehalten hat", so der Innenverteidiger vom FC Bayern: "Aber ganz allgemein kann man gegen Frankreich kein Feuerwerk erwarten."

Der 29-Jährige versucht, die momentane Situation rund um die deutsche Nationalmannschaft extrem unaufgeregt zu analysieren. "Wir hatten alle schon Rückschläge in unserer Karriere, das frühe WM-Aus war bei keinem von uns der erste davon. Wir sind es gewohnt, wieder aufstehen zu müssen - dass wir dann wieder Leistung bringen müssen."

Dass das ihm sowie dem Rest des DFB-Teams gelingen werde, stehe für ihn außer Zweifel: "Wir haben alle Fehler gemacht, da dürfen wir uns nicht in die eigene Tasche lügen. Aber gegen die Franzosen hatten wir jetzt immerhin schon wieder eine gute Struktur im Spiel. Darauf werden wir aufbauen - und dann kehrt auch wieder das Selbstverständnis zurück."

Ginter nickt zustimmend: "Die deutschen Grundtugenden wie Kampf, Leidenschaft und Körperlichkeit sind die Basis für alles. Wir wissen natürlich auch, dass am Donnerstagabend nicht alles perfekt bei uns war. Aber ein erster Schritt ist gemacht." Oder, wie es Thomas Müller ausdrückt: "Wir wollten zeigen, dass ein Herz in uns steckt. Das schafften wir."

Roland Kaufmann