Ingolstadt
Ein gründlich misslungener Coup

Manchinger Samuraischwert-Fall wird aufgerollt Zusammenhänge mit organisierter Kriminalität

13.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:19 Uhr

−Foto: Heimerl

Ingolstadt/Manching (PK) Der bizarre Manchinger Samuraischwert-Fall liegt bald ein Jahr zurück - jetzt wird er in einem aufwendigen Prozess vor dem Ingolstädter Landgericht aufgerollt. Seit gestern verhandelt dort die 5. Strafkammer gegen vier Männer aus Geisenfeld, drei davon aus dem Drogenmilieu.

Den Angeklagten wird eine gemeinschaftlich begangene schwere räuberische Erpressung vorgeworfen - ein Delikt, das bei einer Verurteilung mit mindestens fünf Jahren Gefängnis geahndet wird. Sieben Rechtsanwälte, fünf Sachverständige und eine Dolmetscherin sind aufgeboten. Bereits die ersten Befragungen der Beschuldigten durch das Gericht und die sonstigen Beteiligten gestalteten sich deshalb entsprechend langwierig.

Was genau ist am Abend des 26. Februar vorigen Jahres in der Wohnung eines inzwischen 23-jährigen Drogendealers an der Ingolstädter Straße in Manching und in den Stunden davor und darauf passiert? Die Öffentlichkeit weiß bislang nur, dass der (inzwischen wegen seiner Geschäfte zu drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilte) Dealer offenbar überfallen wurde, dieser aber die beiden Angreifer mit einem Samuraischwert aus seiner Wohnzimmerdekoaration abwehren konnte und sie dabei erheblich verletzte. Anschließend hatten die blutüberströmten Männer im Ingolstädter Klinikum jene Geschichte aufgetischt, die anderntags weithin die Runde machte: Sie seien beim Joggen von zwei Dunkelhäutigen - womöglich in Geisenfeld seinerzeit frisch untergebrachte Asylbewerber - überfallen und verletzt worden. Als sich diese Lügengeschichte schon bald darauf nicht mehr halten ließ, wanderten die beiden mutmaßlichen Räuber und auch zwei angebliche Mittäter in Untersuchungshaft.

Richter Thomas Denz, Vorsitzender der 5. Strafkammer, machte den Angeklagten gestern gleich zu Beginn klar, dass das Gericht sich nach der Aktenlage noch keineswegs ein klares Bild von den Abläufen und Verantwortlichkeiten am Tattag machen kann. Die vier Männer auf der Anklagebank hätten also alle Gelegenheit, sich durch eigene Schilderungen zu erklären und je nach Glaubwürdigkeit bei den Richtern zu "punkten".

Offenbar ist es Ziel der Kammer, durch Abgleich möglichst umfassender Aussagen zum Kern der Geschichte vorzudringen, die mit Nebenschauplätzen verknüpft zu sein scheint. Gestern kam bereits andeutungsweise zur Sprache, dass einer der beiden mutmaßlichen Haupttäter mit einer Rohrbacher Drogengang und womöglich sogar mit der berüchtigten Rockergruppe "Hell's Angels" in Kontakt gestanden haben könnte.

Der 32-jährige Mann, solche Vermerke gibt es offenbar in den Akten der Ermittler, könne bei durchaus ernst zunehmenden Kriminellen in der Kreide gestanden und den Manchinger Überfall geplant haben, um sich kurfristig nicht nur Drogen, sondern auch jede Menge Bargeld zu verschaffen. Einem der mutmaßlichen Mittäter war angeblich zu Ohren gekommen, dass bei dem erhofften Coup um die 20 000 Euro zu holen sein sollten.

Zwei der vier Angeklagten sagten bereits gestern vor der Kammer aus - ein 34-jähriger Kosovare, der in Deutschland aufgewachsen ist und von dem bewussten 32-jährigen Geisenfelder zu dem Überfall genötigt worden sein will, und der Jüngste im Bunde, ein bald 27-Jähriger, der den Ermittlungen und eigener Aussage zufolge als "Kundschafter" unterwegs gewesen war. Er hatte sich zum Zeitpunkt des Überfalls in der Wohnung des Manchingers befunden und soll den beiden Haupttätern kurz zuvor per SMS signalisiert haben, dass die Gelegenheit für die geplante Aktion nun günstig sei. Der Vierte aus dem angeklagten Quartett, ein 35-jähriger Brite, hatte die anderen Männer lediglich aus Geisenfeld zum Tatort gefahren und in seinem Auto ausgeharrt. Möglicherweise, so hieß es gestern mehrfach, habe er vom tatsächlichen Ausmaß des Vorhabens nichts gewusst.

Die beiden maskierten Bekannten, so der Youngster aus dem Quartett weiter, seien dann zu seiner eigenen Überraschung "wie die Irren" durch die von ihm mit einem Papiertaschentuch markierte Wohnungstür gestürzt und hätten einen kleineren Baseballschläger und einen Elektroschocker gegen den Wohnungsinhaber eingesetzt. Sogar er selbst sei noch attackiert worden und habe sich in die Küche retten müssen, sagte der junge Mann. Abgesprochen gewesen sei das alles in der Form nicht.

Mit der schnellen und vehementen Gegenwehr des Überfallenen hatte offenbar ohnehin keiner gerechnet. Ehe sie sich versahen, hatte der 34-jährige Angreifer durch das Samuraischwert eine klaffende Wunde an der linken Hand davongetragen, der 32-jährige angebliche Ideengeber für den Überfall sogar tiefe Stichwunden am Bauch mit Verletzung der Leber. - Der Prozess wird Ende Januar fortgesetzt.