Ein großer Präsident

Kommentar

17.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:28 Uhr

Es passt zu Joachim Gauck, dass er zum Abschied beim Großen Zapfenstreich nicht einfach Lieblingslieder spielen lässt, sondern dass er mit den Musikstücken der Serenade quasi Bilanz zieht. "Über sieben Brücken musst Du gehen", der Klassiker der DDR-Rockband Karat, lange bevor Peter Maffay ihn sang: Gauck, der einstige DDR-Bürger mit bewegter Biografie, der in seinem Leben über manche Brücke gehen musste.

Und der Brücken gebaut hat. "Ein feste Burg ist unser Gott", quasi die Hymne der Reformation und der Protestanten: Gauck, der evangelische Pfarrer, der auch in schweren Zeiten Halt gegeben hat. Und zu guter Letzt der Klassiker "Die Freiheit, die ich meine" von Karl August Groos: Gauck, der Bundespräsident, durch dessen Amtszeit sich die wichtigen Thema Freiheit und Toleranz wie ein roter Faden zogen.

Es war schon Ironie der Geschichte, dass Kanzlerin Angela Merkel am Freitag vor dem Schloss Bellevue nicht dabei sein konnte, weil sie Donald Trump in Washington getroffen hat. Zweimal hat sie den Rostocker als Präsidenten verhindert, ein drittes Mal konnte sie sich nicht gegen ihn sperren. Und das war gut so. Manche Beobachter wollen Gauck das Prädikat "großer Präsident" verweigern. Zu Unrecht. Er hat das Land in unsicheren Zeiten gut repräsentiert: Ukraine, Syrien, Flüchtlingskrise, Fremdenhass, IS-Terror, Populismus, anti-europäische Hetze, Brexit und ein US-Präsident, der den Rest der Welt das Fürchten lehrt.

Joachim Gauck ist es gelungen, immer wieder den richtigen Ton zu treffen. Er war Kümmerer, Mutmacher und Mahner, der sich auch nicht verbiegen ließ, selbst wenn er - wie seinerzeit in der Türkei - diplomatische Konsequenzen fürchten musste. Er hat die Grenzen des höchsten Staatsamts in Deutschland ein Stück weit verschoben. Hat mehr als andere gewagt, zu aktuellen Themen Stellung zu nehmen. Indem er erklärte, Deutschland müsse international mehr Verantwortung übernehmen. Oder indem er die Bundesregierung in der Armenien-Frage vor sich her trieb. Es ist dem Land und Frank-Walter Steinmeier, der so lange in Parteidisziplin gefangen war, zu wünschen, dass er zu ebensolcher Unabhängigkeit findet.