Ein ganzes Weltbild steht Kopf

Igudesman & Joo bei den Ingolstädter Kabaretttagen

20.07.2021 | Stand 24.07.2021, 3:33 Uhr
Aleksey Igudesman und Hyung-Ki Joo kombinieren in ihren Shows klassische Musik mit Comedy und Pop. −Foto: Leitner

Ingolstadt - Es steht dann noch so einiges auf dem Kopf im weiteren Verlauf.

Das komplette Weltbild des mit Scheuklappen ausgestatteten und von der Bedeutsamkeit seiner musikalischen Passion, neben der sonst jedes andere Genre verblassen muss, überzeugten Klassikpuristen und schließlich am Ende der ganze Saal. Nun ja, letzterer nicht gerade Kopf, aber immerhin reicht es für Standing Ovations, was in Ingolstadt erfahrungsgemäß ja nicht eben häufig vorkommt.

Das Programm der beiden Virtuosen, des Geigers Igudesman und des Pianisten Joo, heißt "And Now Beethoven" und basiert auf drei Säulen. Auf der Musik, den Ansagen und Wortbeiträgen und dem unbestreitbaren Talent beider Musiker für Komik. Wortkalauer, Dialoge, Mimik, Gestik, Körpersprache - alles ist zwar akribisch eintrainiert, wirkt aber nicht so. Bis auf die Überleitungen, die, hätte Igudesman sie komplett frei vorgetragen, ihr Komikpotenzial hätten noch besser entfalten können.

Im Mittelpunkt steht freilich die Musik. Genauer gesagt: der Witz, den sie laut Igudesman beinhaltet. Den gilt es herauszukitzeln. Und genau das tun die beiden mit Bravour. Beethoven wird an diesem Abend quasi von den beiden neu entdeckt. Mit absolut sicherem Gespür für die passende abstruse Idee am richtigen Ort, machen sie sich her über "Für Elise", über die 5. Sinfonie, später über all seine Sonaten innerhalb von fünf Minuten, über seine "Greatest Hits" sozusagen. Sie garnieren dieses an sich ja schon opulente Menü mit ein wenig Mozart, ein wenig Bee Gees und ein wenig Gloria Gaynor und zitieren dabei was das Zeug hält aus allen möglichen und unmöglichen Quellen. Anscheinend haben die beiden dabei selbst einen Riesenspaß. Und das Publikum hat ihn auch.

Das Schöne ist, dass Igudesman und Joo das für das Programm ausgewählte Material nicht auf abschätzige Weise durch den Kakao ziehen, sondern aufzeigen, welche Möglichkeiten es bietet, wenn man es nur im Tempo, in der Spielart variiert, es in einen neuen Zusammenhang bringt, ihnen ein paar optische Gags zu Seite stellt. Es ist absolut überraschend, wie gut sich etwa "Für Elise" macht, wenn man es mit "Spiel mir das Lied vom Tod" unterlegt, es als Tango spielt, nach Louis Armstrong und Henry Mancini klingen lässt.

Igudesman sagt, Beethoven hätte sicher seine Freude gehabt, wenn er das gehört hätte. Vermutlich hat er damit recht. Und das Publikum im Theaterfestsaal kann sich freuen, Zeuge geworden zu sein, wie diese beiden Musiker mit ihrem Programm auf ungemein witzige und spritzige Art dem berühmten Komponisten ein originelles Denkmal setzen, auf dem er mal nicht grimmig dreinschaut. Bisher hat das vor ihnen eigentlich nur Chuck Berry mit seinem "Roll Over Beethoven" geschafft. Aber der kam ja bekanntlich aus einer ganz anderen Ecke der musikalischen Welt, von außerhalb sozusagen.

DK