Hilpoltstein
Ein Experiment mit unheilvoller Eigendynamik

Hilpoltsteiner Gymnasiasten zeigen das Stück "Die Welle" – Workshops mit Schauspielprofis

06.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:43 Uhr

Macht durch Disziplin: In der ersten Stufe des Experiments »Die Welle« geht es um die Einübung von Disziplin in Form einer straffen Fixierung auf den sich autoritär gebenden Lehrer. Dabei geht es auf der Theaterbühne auch sehr laut zur Sache. - Foto: Tschapka

Hilpoltstein (HK) Um bedingungslosen Gehorsam, Massen-manipulation, Gruppendynamik und Totalitarismus dreht sich die aktuelle Produktion des Wahlkurses Theater in der Mittelstufe am Gymnasium Hilpoltstein. Die Premierenvorstellung findet am morgigen Donnerstag ab 19.30 Uhr in der Aula statt.

Das Stück „Die Welle“ basiert auf einem realen Experiment des US-amerikanischen Lehrers Ron Jones sowie dem davon inspirierten Roman „The Wave“ von Morton Rhue. Brisant ist dabei die Tatsache, dass der Ausgangspunkt dieser bedrohlichen „Welle“ ausgerechnet ein Klassenzimmer war. Also ein Ort, wo nicht nur die Hilpoltsteiner Gymnasiasten die Schulbank drücken, sondern weltweit Millionen andere Schüler ebenso. Ein passender, wenngleich erschreckender Stoff für die jungen Theatermacher, denn in dem Experiment von Ron Jones ging es darum zu zeigen, wie einfach Menschen durch manipuliert werden können.

Im Jahr 1967 führte der Geschichtslehrer Jones zusammen mit seinen Schülerinnen und Schülern ein politisches Experiment durch. Auslöser waren Aussagen der Klasse, dass Verhaltensformen des Nationalsozialismus bei ihnen nicht vorkommen könnten. Die Schüler bekamen daraufhin Rollen zugeteilt und wurden Einschränkungen unterworfen. Verhaltensnormen wurden aufgestellt und streng durchgesetzt. Aufgeschreckt durch die Leichtigkeit, mit der die Schüler sich vereinnahmen und manipulieren ließen, brach Jones das Experiment abrupt ab, indem er in einer Schulversammlung den begeisterten Anhängern seiner so genannten „Dritten Welle“ einen direkten Vergleich mit Jugendorganisationen im nationalsozialistischen Deutschland vorführte.

Im Stück der Theatergruppe heißt der Lehrer Ben Ross (gespielt von Maximilian Peisl), der wie in der reellen Vorlage demonstrieren will, wie Menschen durch einfache Methoden manipuliert werden können. „Die Welle“, so der Name der autoritären Gemeinschaft, für die Ross seine Klasse zu überzeugen beginnt, stützt sich auf Prinzipien, die in aufeinanderfolgenden Unterrichtsstunden aufgestellten werden. Die erste Stufe „Macht durch Disziplin!“ besteht auf der Einübung von Disziplin in Form einer straffen Fixierung auf den autoritären Lehrer. In der zweiten Stufe „Macht durch Gemeinschaft!“ wird die Klasse auf ein unbedingtes, überindividuelles Gemeinschaftsgefühl eingeschworen und erhält vom Lehrer das gemeinsame, identitätsstiftende Symbol der „Welle“ samt dem dazugehörigen Gruß.

Bei der dritten Stufe „Macht durch Aktion!“ verpflichtet der Lehrer schließlich seine „Anhänger“ auf geschlossenes Handeln der Gruppe und die Pflicht, neue Mitglieder anzuwerben. Diese „Welle“ verfügt, trotz der eingeführten autoritären Strukturen, über keine inhaltlichen Grundsätze, Ziele oder eine Ideologie, wie sie totalitären Systemen wie Nationalsozialismus, Stalinismus oder Sekten zu eigen ist. Trotzdem entwickelt das Experiment eine unheilvolle Eigendynamik.

Die Grundsätze werden immer mehr verinnerlicht, dafür nimmt das kritische Denken ab und das eigentlich sinnlose Unterfangen wird nicht mehr hinterfragt. Und das, obwohl das Experiment Beziehungen zwischen guten Freunden zu zerstören beginnt, wie etwa das Verhältnis von Mia Schott (Anja Lanz), der kritischen Chefredakteurin der Schülerzeitung, zu ihrem Freund David Collins (Akin Akkus).

Erst nachdem es erste Übergriffe auf Schüler gibt, die sich der „Welle“ nicht anschließen wollen, begreift Ross die Gefährlichkeit seines Tuns. Da er schließlich auch von seiner Frau Fiona (Lisa Schwarm), dem Direktor (Lukas Lauer) und anderen auf die Gefahren seines Experiments hingewiesen wird, das sich inzwischen längst über seine Geschichtsklasse hinweg ausgebreitet hat, sieht er ein, dass es höchste Zeit wird, das Ganze schleunigst abzubrechen.

Unterstützt werden die Schauspieler des Hilpoltsteiner Gymnasiums wie gewohnt vom Wahlkurs „Bühne und Kostüm“ unter der Leitung der Kunstlehrerin Yvonne Jakob. Ebenso trägt der Ausschuss „Beleuchtung und Technik“ der SMV zur Produktion bei. Regie führt einmal mehr der Deutsch- und Geschichtelehrer Matthias Müller.

Erstmalig wurde die Theatergruppe auch vom Rotary Club Roth unterstützt, der sie für sein Förderprogramm Jugendkultur ausgewählt und mit stolzen 4000 Euro bedacht hatte. Gefördert wurde damit die Zusammenarbeit der Schule mit Profischauspielern vom Staatstheater Nürnberg und dem Gostner Hoftheater. Von dieser Bühne stammt auch die Schauspielerin Johanna Steinhauser, die am Hilpoltsteiner Gymnasium vier ganztägige Theaterworkshops bestritt, von denen die Mitglieder des Wahlkurses über die Maßen profitierten.