Neuburg
Ein Eisberg an Drogendelikten

Schöffengericht verurteilt 28-jährigen Neuburger wegen Dealerei zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten

19.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:54 Uhr

Neuburg (szs) Der Chatverlauf auf seinem Handy legt den Verdacht nahe, dass ein 28-jähriger Neuburger über mindestens ein halbes Jahr hinweg Marihuana, Kokain und Amphetamine in üppigen Mengen von einem Aachener Großdealer bezogen und hier weiterverkauft hat. Zweifelsfrei nachweisen konnte das Neuburger Schöffengericht ihm gestern aber nur den Handel mit 150 Gramm Cannabis.

Dafür muss der Maschinenführer nun für ein Jahr und drei Monate ins Gefängnis. Er reagierte geschockt.

Mit weit aufgerissenen Augen und unter Tränen nahm Justin R. (Name geändert) das Urteil von Richterin Celina Nappenbach entgegen. Dabei hätte die Strafe weitaus härter ausfallen können - wenn die Richterin und die beiden Schöffen alle Drogenbestellungen in seinem Chatprotokoll als beweiskräftig angesehen hätten. Der 28-Jährige pflegte zwischen 2014 und 2015 einen regen Kontakt zu seinen beiden Dealern. Der Kopf des Drogenrings agierte von Aachen aus, wo er einen Laden mit Versandhandel für Fitnessprodukte wie Eiweißpulver und andere Präparate betrieb. Und der Postversand der Tarnfirma ließ sich auch prima für Rauschgifthandel im Kilobereich nutzen. Doch die Polizei kam dem Studenten auf die Schliche - der 30-Jährige wurde zu nur vier Jahren Gefängnis verurteilt. Offenbar hatte er durch Nennung von Lieferanten - auch aus den nahen Niederlanden - eine milde Strafe erhalten. Sein mutmaßlicher Komplize wartet noch auf seinen Prozess. Der junge Mann kommt aus Neuburg, zog vor acht Jahren nach Aachen - und war früher mit Justin R. in der Schule.

Wie viel kostet das Grüne? Wie viel das Weiße? Wie viel das Pepp? Die Drei fühlten sich offenbar sicher, nutzten sie in ihren Chats doch eindeutige Szenebegriffe für Cannabis, Kokain und Amphetamin, wie ein Neuburger Drogenfahnder erklärte. Auch von "Mitzus" oder "Braunem" - Pillen und Haschisch - war die Rede. Lieferengpässe und Zahlungsprobleme wurden besprochen, die Qualität der Ware mal gelobt, mal bemängelt: "Macht nicht dicht". Bei einer Hausdurchsuchung in der neuen Wohnung des Angeklagten in Neuburg fanden die Ermittler jedoch nichts, und die wirren und chaotischen Chatprotokolle reichten für eine Verurteilung offenbar nicht.

Verteidiger Florian Brummer plädierte auf Freispruch - für ihn war gar nichts erwiesen, auch wenn der Neuburger Drogenfahnder einwarf: "Ich gehe mal davon aus, dass keine Gummibärchen verschickt wurden." Dann war da noch der Großdealer im Zeugenstand, der sich an gar nichts erinnern wollte. "Ich hätte nicht so viel Kokain konsumieren sollen", sagte der eloquente und muskulöse Mann einer sichtlich genervten Richterin. Nachdem sie ihn verärgert auf seine Wahrheitspflicht hingewiesen hatte, ließ er sich wenigstens entlocken, dass es sich bei 150 Gramm "Grünem" um Gras gehandelt haben muss und der Deal auch stattgefunden habe - der einzig belastbare Aspekt seiner Aussage. Staatsanwalt Niki Hölzel forderte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten. Das Schöffengericht sah 15 Monate als angemessen an. Das Gericht komme in diesem Fall an seine Grenzen, was die Aufklärung angeht, sagte Nappenbach in ihrer Urteilsbegründung. "Es ist zu vermuten, dass sich ein erheblicher Eisberg unter der Wasseroberfläche befindet, aber beweisen kann man nur das Spitzchen, das sich darüber befindet, aber das relativ eindeutig." Auf Bewährung wird die Strafe nicht ausgesetzt - der mehrfach und einschlägig Vorbestrafte hatte bereits einige Bewährungschancen ungenutzt gelassen.