Neuburg
Ein "ehrlicher" Beruf

Im Jahr 1538 erließ die Stadt Neuburg die Handwerksurkunde der Bierbrauer

29.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:53 Uhr

Endlich angekommen in Neuburg: Das Digitalisat der Neuburger Bierordnung vom 12. Juli 1538 ist seit Kurzem in der Ausstellung "Probier mal" im Stadtmuseum zu sehen. Sabine Rademacher, hier mit einem typischen Zoiglkrug von 1704, hat sie in heute verständliches Deutsch transkribiert. - Fotos: Hammerl

Neuburg (DK) 22 Jahre nachdem in Ingolstadt das Reinheitsgebot verkündet worden war, erließ der Magistrat der Stadt Neuburg die Handwerksurkunde der Neuburger Bierbrauer. "Geschehen in versambleten Rath am vier und zwainzigsten Tag Juliy, nach Christi Geburt fünffzehenundert und im acht und dreyßigsten Jahr".

So hat es Roland Thiele im Hauptstaatsarchiv München aus den Seiten 27 bis 30 der Pfalz-Neuburger Akten 6957a abgeschrieben. Lesbar war der Text nun zwar für jedermann, wenn auch nicht verständlich. In heutige Umgangssprache transkribiert hat die Handwerksurkunde Sabine Rademacher, derzeit vertretungsweise Museumsleiterin. Die ist seit knapp zwei Wochen als Digitalisat in der Sonderausstellung zu sehen, momentan noch ohne Übersetzung. Erstellt wurde die Handwerksurkunde offenbar auf Bitten der "entschlossenen Bierbrauer zum Nutzen, Förderung und Erfahrung ihres Handwerks". Woraufhin die "vorausschauenden, ehrsamen und weisen Bürgermeister und Räte nach genauer Betrachtung und Beratung" das Statut erlassen und obrigkeitliche Strafen androhten, sollte dagegen verstoßen werden. Neun Punkte umfasst die Handwerksordnung, die mit vergleichbaren Zunftordnungen anderer Orte übereinstimmt. "Die waren alle recht ähnlich", erklärt die Historikerin, "denn die Zünfte waren untereinander sehr gut vernetzt". Was nicht nur für die Meister, sondern auch die Gesellen gegolten habe, die sich gegebenenfalls auch mal gemeinsam gegen ihre Meister stellten.

Ganz wichtig war den Zünften, dass ihre Mitglieder "ehelich geboren" waren und "von ehrlichem Wesen", womit keineswegs gemeint war, dass er nicht stehle, wie Rademacher sagt. Als nicht ehrlich galten bestimmte Berufsgruppen wie Henker, Abdecker, aber auch Müller und Schäfer. Wer aus einer solchen Familie stammte, hatte keine Chance, in die Zunft der Bierbrauer aufgenommen zu werden. Mitunter trieb das rechte Blüten. "Man glaubte, dass Unehrlichkeit ansteckend sei", erklärt die Ausstellungsmacherin, warum sich Gesellen und Lehrlinge weigerten, mit einem "unehrlichen" Kollegen zusammenzuarbeiten - sie riskierten damit nämlich, selbst als unehrlich zu gelten und nirgends mehr eine Anstellung zu bekommen. Auch gemeinsames Kartenspielen im Wirtshaus hätte dafür schon ausgereicht. "Manchmal hat die Obrigkeit hier aber eingegriffen und den Zünften klar gemacht: "Jetzt macht mal einen Punkt - der Mann darf und soll hier bei euch arbeiten."

Interessant ist auch Punkt Drei der Handwerksordnung. Söhne oder Schwiegersöhne von Bierbrauern sowie Brauer, die die Witwe eines ansässigen Bierbrauers heirateten, mussten nur die Hälfte der Abgaben zahlen, die für einen angehenden Brauer anfangs anfielen. Dass Lehrlinge das Handtuch warfen, war schon damals offenbar nicht unüblich. "Und wo der Lernkhnecht über vierzehen Tag von ihm lieff, so soll der Meister für ihn bezahlen", ist niedergeschrieben. Also musste der Meister das Lehrgeld von "vier Schilling Pfenning in Münzen und zwei Pfund Wachs" in die Handwerksbüchse einlegen. Zu Versammlungen einladen musste jeweils der jüngste Bierbrauer, dort galt Geheimhaltung und die niedere Gerichtsbarkeit - sofern die Tat das Handwerk, nicht das Gemeinwohl betraf - lag bei den Zünften. Übeltäter wurden nicht durch Ratsstrafe, sondern von der Zunft bestraft. Sechstens und siebtens regelten die Kontrolle des Biers durch die Bierkieser, die "dem Fass den Boden ausschlugen", wenn der Brauer schlechtes Bier gesotten hatte. Im neunten und letzten Absatz wird vorm "lästerlich Zuetrinckhen" gewarnt, das großen, verderblichen Schaden an Leib und Seele verursache und den Handwerksleuten Unheil für Weiber und Kinder bringe. "Wenn ein Höhergestellter einem zuprostete, musste man austrinken", erzählt Rademacher, daher rieten die Zünfte, dem möglichst aus dem Wege zu gehen. Wer auf öffentlicher Straße torkelnd angetroffen wurde, oder sich gar übergeben musste, wurde - "wie es vielerorts beim löblichen Handwerk gebräuchlich ist" um ein Pfund Wachs bestraft.

Die Handwerksordnung können Besucher des Stadtmuseums im neuen Ausstellungsraum im Erdgeschoss anschauen - in Kürze einschließlich Transkription.