Ein-Cent-Überweisung - Hilfsorganisationen sorgen für Unmut

24.07.2011 | Stand 03.12.2020, 2:35 Uhr

Unerwartet mehr Geld auf dem Konto zu haben, ist eigentlich eine feine Sache. Doch Ein-Cent-Überweisungen von eigentlich seriösen Hilfsorganisationen haben die Verbraucherschützer aus Nordrhein-Westfalen (NRW) alarmiert. Sie raten Verbrauchern zur Vorsicht.

Hilfsorganisationen setzen Ein-Cent-Überweisungen aufs Girokonto von Spendern ein, um mit ihnen in Kontakt zu treten. Häufig findet sich dann auf dem Kontoauszug auch eine Telefonnummer der Organisation mit Rückrufbitte. Nach Angaben der Verbraucherzentrale NRW bringen sich auf diese Weise unter anderem Oxfam Deutschland, die Kindernothilfe und Care, Cap Anamur/Deutsche Notärzte und Ärzte für die Dritte Welt in Erinnerung.

Einen Cent überweisen auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger und die Aktion Deutschland Hilft, in der sich unter anderem der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) und Paritätischer, Johanniter und Malteser zusammengefunden haben.

Der vorgebliche Grund der merkwürdigen Mini-Transaktionen: Wenn die Spender keine Adresse angegeben haben, haben sie auch keine Spendenquittung erhalten, mit der sie Steuern sparen können. Denn nur mit gültiger und vollständiger Adresse wird die Zuwendungsbestätigung vom Finanzamt anerkannt", heißt es etwa beim BUND. Um die Bestätigung zu verschicken, braucht es natürlich die Adresse, abzuliefern gerne per Telefon oder E-Mail.

Die VZ NRW nennt das Vorgehen dreist – und hegt den Verdacht, dass das Argument mit der Spendenquittung nur vorgeschoben sei. Finanzämter akzeptierten schließlich längst den "vereinfachten Spendennachweis". Das bedeutet im Klartext: Beträge bis zu 200 Euro können ohne amtliche Spendenquittung (Zuwendungsbestätigung) mit dem Einzahlungsbeleg der Überweisung beim Finanzamt eingereicht werden, so erklärt es das Finanzministerium in NRW. Die Verbraucherschützer befürchten daher, dass Spender, die dem Aufruf sich zu melden, folgen, damit rechnen sollten, im Briefkasten bald Werbung für Förderer zu finden. Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger bekennt nach Recherchen der VZ NRW: Sicher geht es auch um die Adressen, aber wir verschicken nur viermal im Jahr unsere Werbung."

Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix jedenfalls nennt nach Angaben der VZ NRW die Ein-Cent-Überweisungen der Hilfsorganisationen rechtswidrig, weil es "weder auf eine Einwilligung der Spender noch auf einen gesetzlichen Erlaubnistatbestand gestützt werden" könne. Sein klares Votum lautet daher: Kontoverbindungsdaten dürfen nicht für Werbezwecke genutzt werden. Dix hat bereits mehrere Spendenorganisationen mit Sitz in Berlin erfolgreich aufgefordert, Ein-Cent-Überweisungen zu unterlassen. Die Verbraucherzentrale NRW rät einstweilen Spendern, die eine Ein-Cent-Überweisung entdecken, nicht auf die Rückrufbitten von Spendensammlern zu reagieren.

Doch die Verbraucherzentrale muss für ihren Vorstoß gegen die Ein-Cent-Überweisungen auch Kritik einstecken: Matthias Buntrock, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Fundraising Verbandes, verteidigt das Vorgehen der Non-Profit-Organisationen: Die Ein-Cent-Überweisungen sind eine der wenigen verbliebenen Möglichkeiten mit dem Spender in Kontakt zu kommen. Und weiter: Die gezielte Spenderansprache als ,dreiste Masche’ zu verurteilen, kann nur als vollkommen abwegig bezeichnet werden und stellt den gesamten Berufszweig des Fundraisers in Frage".

Auch das Deutsche Zentralinistut für soziale Fragen (DZI), das jährlich das Spendensiegel vergibt, zeigt Verständnis für das Vorgehen der Spendenorganisationen und kritisiert die Wortwahl der Verbraucherzentrale NRW. In den vergangenen Jahren habe es kaum Anfragen oder Beschwerden von Spendern zu dieser Praxis gegeben, erklärt Burkhard Wilke, Geschäftsführer des DZI auf Anfrage von biallo.de. Für den Herbst hat das DZI zu einem datenschutzrechtlichen Fachgespräch eingeladen, auf dem es unter anderem um die Ein-Cent-Überweisungen gehen soll.

Nach den Erfahrungen des DZI behandeln vertrauenswürdige Spendenorganisationen und insbesondere solche, die sich freiwillig und erfolgreich der jährlichen, intensiven Spenden-Siegel-Prüfung unterziehen, datenschutzrechtliche Fragen grundsätzlich sehr verantwortungsvoll und problembewusst, bekräftigt Wilke. Das DZI sei sich sicher, dass sich diese Organisationen der jetzt vom Berliner Datenschutzbeauftragten geäußerten Kritik am Spender-Kontakt mittels der so genannten Ein-Cent-Überweisungen ebenso problem- und verantwortungsbewusst stellen werden.

Der Fundraising Verband verweist darauf, dass es kaum Alternativen zu dieser Form der Kontaktaufnahme mit einem Spender gebe. Bis zur Datenschutznovelle im Jahr 2009 seien die Kontaktdaten der unbekannten Spender oft per sogenannter "Bankanfrage" eingeholt worden. Dies sei mit den verschärften Datenschutzbestimmungen praktisch unmöglich geworden. Natürlicherweise hätten die Organisationen Interesse daran, in Kontakt mit ihren Spendern zu treten, auch um sie über die Verwendung ihrer Gelder zu informieren. Die Adressen der Bestandsspender sind also eine wichtige Arbeitsgrundlage und werden nur nach strengen Datenschutzvorgaben verwendet", versichert Buntrock.

Der Fundraising Verband appelliert jedenfalls an die Organisationen, ihre Vorgehensweise transparent zu machen. Dazu gehöre es auch, einen einheitlichen Text in der Ansprache zu verwenden und sich offen als Absender erkennen zu geben. "Nur durch Transparenz kann auch Vertrauen geschaffen werden. Jeder Spender kann dann selbst entscheiden, ob er eine Zuwendungsbestätigung wirklich benötigt und ob er weitere Informationen der Organisation erhalten möchte oder nicht", sagt Buntrock.

Mißbrauch bei Ein-Cent-Überweisungen

Ein-Cent-Überweisungen haben aus noch einem anderem Grund einen schlechten Ruf: Sie stehen im Verdacht, von Betrügern genutzt zu werden, um Kontoverbindungen auszuspähen. Auch das Bundesverbraucherschutzministerium warnte davor. Angeblich funktioniert die Masche so: Abzocker überweisen auf viele mögliche Kontonummern die Mini-Beträge. Stellt sich die Kontonummer als falsch heraus, wird der Betrag automatisch zurückgebucht. Kommt das Geld nicht zurück, zeigt das, dass das Geld auf ein real existierendes Konto überwiesen wurde. Betrüger können jetzt versuchen, von diesem Konto unter dem Vorwand fiktiver Bestellung Geld einzuziehen. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass es sich bei der vermeintlichen Abzock-Masche der Ein-Cent-Überweisungen möglicherweise auch nur um eine Luftnummer handelt. Der Hoax-Info-Service der Technischen Universität Berlin jedenfalls sprach in der Vergangenheit jedenfalls schon mal lediglich von Kettenbriefen.

Tipp: Verbraucher sind auf jeden Fall gut beraten, ihre Kontobewegungen alle paar Tage zu kontrollieren. Sollte man auf eine verdächtige Abhebung stoßen, ist es empfehlenswert sich an seine Bank zu wenden und Einspruch gegen die Abhebung einzulegen.