Karlshuld
Ein bisschen wie ein Ferienjob

Vize-Bürgermeister Werner Hecht hat als Urlaubsvertretung in Karlshuld erstmals im Rathaus das Sagen

09.08.2020 | Stand 23.09.2023, 13:25 Uhr
Ausweichquartier: Weil das Bürgermeisterbüro gerade einen neuen Anstrich bekommt, hat sich Werner Hecht seinen Arbeitsplatz als amtierender Rathauschef im Besprechungsraum eingerichtet. −Foto: Janda

Karlshuld - Der Job ist neu für ihn: Werner Hecht, seit Mai stellvertretender Bürgermeister in Karlshuld, hat als Urlaubsvertretung erstmals das Kommando im Rathaus übernommen.

Zwei Wochen sitzt der FW-Politiker insgesamt auf dem Chefsessel.

Wobei: Vom Chefsessel kann man in seinem Fall derzeit eher weniger sprechen. Denn das Bürgermeisterbüro im Erdgeschoss ist Hecht bei seiner Premiere vorerst verwehrt geblieben. "Da ist der Maler", erklärt der 41-Jährige, der eigenen Worten zufolge schon etwas schmunzeln musste, als ihm Rathauschef Michael Lederer von den Renovierungsplänen während seiner Vertretungszeit erzählt hat. "Es ist aber okay, das passt schon", sagt Hecht ganz pragmatisch, kann sich ein Lachen aber auch nicht ganz verkneifen. Der "Chefsessel" steht deshalb im ersten Stockwerk der Verwaltung in einem Besprechungsraum. Vor dem Fester plätschert der Rathausbrunnen, Laptop und Telefon sowie einige Akten bedecken den riesigen Tisch nur spärlich, die Kabel am Boden, ein klares Indiz für das Provisorium. Immerhin: Die Kaffeeküche ist gleich nebenan, auch kein Nachteil.

Hecht hat sich eingerichtet, ebenso spartanisch wie effizient. "Ich dachte eh, dass ich nicht den ganzen Tag da bin, dass es mit jeweils drei bis vier Stunden getan ist", berichtet er, klärt den eigenen Irrtum aber sogleich auf: "Aktuell ist es ein Vollzeitjob. " Denn trotz Sommerferien, trotz Urlaubsphase halten die Karlshulder ihren Rathauschef auf Trab. "In den ersten Tagen habe ich schon viel abgearbeitet", sagt er, betont aber ganz klar: "Es macht echt Spaß. " Das liegt wohl auch daran, dass sich Hecht nicht unbedingt wie der Boss der Gemeinde fühlt. Manchmal, das gibt er offen zu, fühle sich die Vertretung eher ein bisschen wie ein Ferienjob an.

Dabei weiß der 41-Jährige gut, wie eine Verwaltung tickt. Immerhin ist er selbst in Teilzeit bei der Stadt Ingolstadt tätig, wo der Gärtnermeister als technischer Sachbearbeiter für den Unterhalt im Gartenamt unter anderem für Wege, Parkanlagen und Spielplätze zuständig ist. Ein Aufgabenbereich also, der ihn immer wieder mit Bürgern und deren Beschwerden in Berührung bringt. Einige solche Fälle hat er in den ersten Tagen im Karlshulder Rathaus nun bereits abgearbeitet. Dazu kommen immer wieder überraschende Themen. "Als Außenstehender fragt man sich zwar oft, was ein Bürgermeister eigentlich den ganzen Tag macht", erklärt er. "Jetzt weiß ich es - und langweilig wird es mir hier definitiv nicht. "

Hechts Traumjob ist die Bürgermeisterei aber definitiv nicht. Dafür sind seine Interessen sowohl privat als auch beruflich viel zu breit aufgestellt. Denn neben der Arbeit in Ingolstadt betreibt er mit seiner Frau noch eine Landwirtschaft und einen Gartenbaubetrieb. "Mit der Aufgabe als Vize habe ich also vier Jobs", weiß er. "Manche sagen schon mal, dass ich doch spinn'. " Doch der Vorteil, das Schöne an all diesen Aufgaben ist aus seiner Sicht, dass man bei allen ein Ergebnis zu Gesicht bekommt. "Für mich ist die Arbeit daher oft richtig entspannend", erklärt Hecht, der unter anderem beim Pflügen auf dem Feld manchen Stress einfach hinter sich lassen kann.

Dennoch hat er seinen vierten Beruf, den er in den nächsten sechs Jahren immer wieder in Vertretungsfällen ausüben darf, nicht unbedingt angestrebt. Doch dann kam die Kommunalwahl und Hecht landete mit knapp 2900 Stimmen auf Platz zwei aller Gemeinderatskandidaten. Einzig der neue Bürgermeister, sein Parteikollege Michael Lederer, hatte mehr geholt. Da sei eine Kandidatur als Vize irgendwie naheliegend gewesen, räumt Hecht ein. "Und es hat auch beruflich gepasst", sagt der stellvertretende Rathauschef, der jederzeit in Ingolstadt ausstempeln und einen Termin für Lederer übernehmen kann. Dazu kommt die Tatsache, dass es auch mit der neuen Nummer eins passt - so wie zuvor schon mit Ex-Bürgermeister Karl Seitle. "Beim Michael und bei mir ist es eine Harmonie, wie man sie selten findet", erklärt Hecht, der in Lederer längst einen guten Freund sieht.

Zur Kommunalpolitik hat ihn indes die alte Garde gebracht. 2006 bekam er Besuch von Seitle, Benno Baur, damals Vize-Rathauschef, und Franz Lehmeier, der zu dieser Zeit den FW-Ortsverband führte. Ihr Wunsch: Hecht sollte auf der Gemeinderatsliste antreten. Gesagt, getan, nach einem Tag Bedenkzeit. Wenig später saß er im Gremium; mit gut 1100 Stimmen hatte es im ersten Anlauf geklappt.

Damals hatte er sich zwar bewusst für die Freien Wähler entschieden, deren Ortsvorsitzender er zudem seit 2013 ist und für die er seit Mai auch im Kreistag sitzt. Doch Parteipolitik spielt aus Hechts Sicht auf Gemeindeebene keine Rolle. "Die Entscheidungen müssen mit Gefühl und nach Sinnhaftigkeit fallen", ist er sich sicher. Und das könne nur in Zusammenarbeit mit allen Fraktionen funktionieren. Genau diesen Kurs lebt Rathauschef Lederer in Hechts Augen vor - "und dabei will ich ihn weiter unterstützen". Wenn es dann auch mal mit einer Vertretung im frisch renovierten Chefbüro funktioniert, hätte der Vize sicherlich kein Problem damit. "Wer weiß: Wenn der Boden rechtzeitig fertig wird, könnte es diese Woche noch klappen. "

SZ

Stefan Janda