Neuburg
Ein Beleg für René Descartes in Neuburg

Fachwelt geht vom Aufenthalt des Philosophen 1619 in der Renaissancestadt aus - Geburt des "neuen Denkens"

12.11.2019 | Stand 02.12.2020, 12:38 Uhr
Auf den Spuren von René Descartes: Französische Wissenschaftler lassen sich in der Neuburger Provinzialbibliothek Werke aus der Zeit des großen Philosophen zeigen. Vor 400 Jahren fand der junge Descartes wohl in Neuburg den Ansatz zu seinem neuen Denken. −Foto: r

Neuburg (r) Und er war doch in Neuburg.

Das Treffen internationaler Philosophen ist gestern mit der Erkenntnis zu Ende gegangen, dass René Descartes den Anstoß zu seinem neuen Denken vor 400 Jahren in einer Winternacht im Neuburger Jesuitenkolleg gefunden hatte.

Die Wissenschaftler untermauerten diese Annahme während der Tagung mit der Vermutung, dass sich Descartes im November 1619 vom Deckenstuck der Hofkirche begeistern lassen hatte. Sie zeigt die Lauretanische Litanei, eine Anrufung der Gottesmutter, wie sie vor allem im italienischen Loreto belegt ist. Descartes sei ein Anhänger dieses Wallfahrtsortes gewesen und verbrachte dort - nach eigenen Aufzeichnungen - erhebliche Zeit.

Die Geburtsstunde der neuen Philosophie von René Descartes nehmen auch andere Orte wie etwa die Stadt Ulm in Anspruch. "Loreto ist jedoch ein eindeutiger Hinweis auf Neuburg", bekräftigt Walter Schweidler, Philosophieprofessor der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Die Teilnehmer des Descartes-Symposiums im Neuburger Schloss teilen diese Ansicht und bejahten sie in einigen Vorträgen.

Das dreitägige Treffen sei sehr produktiv gewesen, so Professor Walter Scheidler. Der Austausch über René Descartes "fließt in unser philosophisches Denken und in die Lehre mit ein". Das Verhältnis zwischen Bewusstsein und Denken werde als Schlüssel zum Zugang der Philosophie Descartes' gesehen. Man habe jetzt in Neuburg wesentliche Anstöße für die gegenwärtige Philosophie gefunden.

Vor 400 Jahren hatte René Descartes in seinen Träumen das berühmte "Cogito ergo sum - ich denke, also bin ich" ersonnen. Der Philosoph entwickelte eine Haltung, die zunächst von einem völligen Zweifel an der Wahrheit ausgeht, die Tatsache des Zweifelns aber wiederum als Beweis für die Existenz des Individuums betrachtet.

Den "Vater der Neuzeit-Philosophie" hat insbesondere der französische Professor Jean-Luc Marion (73) studiert. Das Mitglied der renommierten Académie française ("Die Unsterblichen") erklärte seine Interpretation der neuen Philosophie. Es sei immer spannend, "wie aus eigentlich irrationalen Träumen das klare rationale Denken der Neuzeit hervorgegangen ist".

Wissenschaftler aus Frankreich, Deutschland, Österreich und China haben im Schloss getagt. Die Ergebnisse sollen 2020 in einem umfassenden Tagungsband zusammengefasst werden. Die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt als Hauptveranstalter sei mit ihren Kollegen von der Sorbonne Paris näher zusammengerückt.

Zwischenzeitlich hat man auch die Aussage "Bayern braucht Frankreich und Frankreich braucht Bayern" gehört. Den Katholischen Universitäten obliege die Aufgabe, das Denken in Schubladen wie Mittelalter, Neuzeit oder Moderne hinter sich zu lassen, so Professor Walter Scheidler, "wir müssen Philosophie als lebendiges Denken verstehen". In Neuburg habe man Spuren von René Desacartes gefunden und "großartige Gastfreundschaft erlebt". Deshalb wollen die Descartes-Spezialisten bald wiederkommen.