Ingolstadt
"Ein bayerischer Berliner"

Impressionen aus Gerolfing nach der Entscheidung über Horst Seehofers Zukunft

04.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:07 Uhr
Montags-Stammtisch bei den Gerolfinger Stockschützen: Rupert Steger, Rudi Weiß, Rudolf Essenbach, Günter Paul, Friedrich Heigl und Oskar Wodarz (von links). Auch sie hatten gestern vor allem ein Thema: Horst Seehofer. −Foto: Hauser

Gerolfing (DK) Es ist nasskalt und matschig an diesem Montagnachmittag in Gerolfing. Die CSU-Landtagsfraktion hat gerade beschlossen, dass der bayerische Finanzminister Markus Söder Anfang 2018 Horst Seehofer als Ministerpräsident beerben wird. Was sagen die Menschen im Wohnort Seehofers dazu?

Kurz nach 14 Uhr im Edeka-Fanderl-Markt am Ortseingang Gerolfings. Eine einzelne Frau sitzt im Restaurantbereich und lässt sich eine Kleinigkeit aus der "heißen Theke" schmecken. Sie wirkt, als würde sie lieber nicht von uns angesprochen werden. Wir fragen stattdessen einen Mann an der Kasse der Bäckerei. Seinen Namen will er nicht nennen. Aber er verrät, von der Entscheidung, dass Horst Seehofer sein Amt als Parteivorsitzender behalten, seinen Posten als Ministerpräsident aber zugunsten Markus Söders abgeben wird, nicht wirklich überrascht zu sein. "Mir war schon im Vorfeld klar, dass er sich nicht zurückzieht und in Berlin versucht, einen Posten zu ergattern." Dass der künftige Landesvater wohl Markus Söder heißen wird? "Eine Alternative wäre mir lieber gewesen", sagt der aus dem Raum Neuburg stammende Mann. Welche das sein könnte, lässt er offen. "Aber es ist schon gut, dass es einen Neuen gibt."

Nächste Station: Jene kleine Straße in Gerolfing, in der der Mann, um den es geht, lebt. Auch hier empfängt uns zunächst gähnende Leere. Nicht einmal jemand mit Schneeschaufel ist anzutreffen. Wir klingeln in Horst Seehofers Nachbarhaus. Niemand zu Hause. Aber vielleicht will ja auch niemand öffnen. Wäre verständlich. Dann entdecken wir doch noch jemanden. Eine junge Frau ist mit dem Kinderwagen unterwegs. Sie lebt in der gleichen Straße wie der Ministerpräsident, ihre Mutter, erzählt sie, sei mit Horst Seehofers Frau Karin befreundet. Der Ministerpräsident sei "ein netter Kerl". "Ich mag ihn", sagt die 30-Jährige - auch, wenn sie ihn eigentlich nur zu sehen bekommt, wenn er mit einem Tross Sicherheitsbeamter wegfährt. Nicht weit weg von Seehofers Wohnhaus ist ein Neubaugebiet. "Da ist Nachbarschaft momentan nicht so gewünscht", sagt die junge Mutter. Diese Erfahrung habe Karin Seehofer gemacht, als sie sich einigen neu Hinzugezogenen vorstellen wollte. Diese sollen der Landesmutter gegenüber ziemlich abweisend gewesen sein. Und was sagt die junge Mutter nun zum Tauziehen um die politische Zukunft Seehofers? "Er hätte früher aufhören sollen, dann wäre er gut verabschiedet worden."

"Jeder hat gerätselt: Macht er weiter, oder hört er auf?"

Rupert Steger, Rentner aus Gerolfing

 

Am Dorfplatz in Gerolfing steigt eine Frau aus dem Bus aus. Zu einer kurzen Stellungnahme in Sachen Seehofer ist sie nicht bereit. Anders Ralf Kruse, der am Dorfplatz ein Medizintechnik-Geschäft betreibt. Er findet es "gut, dass er sich zurückzieht, aber den Parteivorsitz noch macht". Allerdings fragt er sich, warum es Horst Seehofer nach Berlin zieht, "wo er es hier doch so schön hat". Auf die Frage, was er von Markus Söder hält, antwortet seine Mitarbeiterin spontan: "Der ist cool im Fasching."

Vor dem Sportheim des FC Gerolfing leuchtet ein Weihnachtsmann. Ansonsten ist kein Mensch zu sehen. Wir fahren weiter zum Heim der Stockschützen, einer Abteilung des FC Gerolfing. Und haben Glück. Jeden Montag trifft sich hier ein Rentnerstammtisch, alles alteingesessene Gerolfinger. Rupert Steger (77), Rudi Weiß (73), Günter Paul (78) und Friedrich Heigl (82) sitzen schon am Tisch. Etwas später kommen Rudolf Essenbach (75, seit 30 Jahren SPD-Mitglied) und Oskar Wodarz (76) dazu. "Jeder hat gerätselt, was macht er. Hört er auf, macht er weiter?", sagt Steger. In letzter Zeit habe es in der CSU keine Einheit gegeben, das habe man am Wahlergebnis gemerkt. "Die Maut? Gescheitert. Das Müttergeld? Gescheitert." Dennoch sei man in Gerolfing mit der politischen Arbeit Seehofers weitgehend zufrieden. Und das gute Abschneiden der AfD in Gerolfing? "Das waren Unzufriedene, Protestwähler", sind sich die Herren einig. Wenn "lauter so aggressive" wie die von der AfD das Sagen hätten, dann würde "die Welt bald untergehen", findet Weiß.

Freilich: Wie der Seehofer die Merkel mal beim Parteitag hat stehen lassen, "so was macht man nicht". Aber bei den Jamaika-Verhandlungen, da habe er "einen guten Eindruck gemacht". Vom "Dämpfer mit dem Nationalpark" abgesehen (viele Landwirte und Waldbauern in Gerolfing sind gegen einen möglichen Nationalpark Donau-Auen, Anm. d. Red.), sei der Ministerpräsident in Gerolfing beliebt. Aber "er kann nicht aufhören". Politik, sagt einer, sei "wie eine Droge". Deshalb ziehe es Seehofer jetzt eben nach Berlin. Oder, wie es Rupert Steger formuliert: "Er wird ein bayerischer Berliner."