Hilpoltstein
Ein ausgelassenes Fest zum Start ins neue Jahr

Äthiopier feiern ihr Neujahrsfest im alten Hilpoltsteiner Krankenhaus mit Injera, Festtagskleidung und Geschenken

10.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:31 Uhr
Beim äthiopischen Neujahrsfest in Hilpoltstein wurde ausgelassen zu Musik aus der Heimat getanzt. Die Frauen tragen traditionell ihr weißes Festtagsgewand. −Foto: Unterburger

Hilpoltstein (ub) Mit einem fröhlichen Fest haben die Äthiopier, die im ehemaligen Krankenhaus in Hilpoltstein leben, mit ihren Familien und den deutschen Helfern und Freunden ihr Neujahrsfest gefeiert. Nach dem gregorianischen Kalender beginnt am 11. beziehungsweise 12. September in Äthiopien das neue Jahr. Das Fest möchte einen kleinen Teil zum friedlichen Zusammenleben mit den Flüchtlingen beitragen.

Leider nahm der Abend für einige der Feiernden kein gutes Ende ( siehe Meldung ).

Der Dauerregen erlaubte es den Gastgebern nicht, das äthiopische Neujahrsfest – wie im letzten Jahr – draußen zu feiern. Dies tat aber der Feierlaune keinen Abbruch. So verwandelte man den langen Flur im ersten Stock zu einem Treffpunkt für alle, die gekommen waren, um mit den Äthiopiern gemeinsam zu essen, zu tanzen, Freundschaften zu vertiefen oder um sich einfach nur zu unterhalten. Viele Frauen und Mädchen hatten ihre weißen Festtagskleider angezogen.

Zu Beginn stärkten sich alle mit einem köstlichen äthiopischen Essen: Es gab das Injera, ein weiches, gesäuertes Fladenbrot aus Teffmehl, das wie Pfannkuchen aussieht. Das Injera wird traditionell in Äthiopien und Eritrea gegessen. Die Frauen vermischen das Mehl mit Wasser zu einem Teig, der einige Tage gären muss. Dann werden daraus auf heißen Ton- oder Herdplatten Fladen gebacken.

Beim Neujahrsfest in Hilpoltstein hatten die Gäste die Auswahl, das Injera mit schmackhaften Beilagen zu genießen: mit Siga wet (Rindfleischsoße), Misir wet (Linsensoße), Gornen wet (Grünkohlsoße), Fosilia (Bohnen mit Karotten) und Dinich (Kartoffeln mit Karotten). Die Gastgeber zeigten, wie man die traditionelle Mahlzeit isst: Man reißt Stücke vom Injera mit der rechten Hand ab und greift sich damit eine mundgerechte Portion. Der Fladen ist somit Speise und Besteck zugleich. Wer wollte, konnte natürlich auch mit Messer und Gabel essen. Als Nachtisch kredenzten die Gastgeber einen äthiopischen Kaffee mit Kuchen.

Das neue Jahr beginnt in Äthiopien am 1. Meskerem, was nach dem gregorianischen Kalender dem 11. beziehungsweise 12. September entspricht. Das äthiopische Neujahrsfest wird auch als Kdus Yohannes beziehungsweise Enkutatash bezeichnet.

So ist der 11. September Johannes dem Täufer gewidmet, der als Prophet den Übergang vom alten zum neuen Testament symbolisiert. Nach den äthiopischen Heiligenviten wurde Johannes der Täufer am 11. September ermordet, weswegen sein Gedenktag ein wichtiger Termin im Kirchenjahr ist.

Jedes vierte Jahr wird nach dem Evangelisten benannt. Jedes dieser Johannesjahre bekommt außerdem einen Schalttag. Die äthiopische Zeitrechnung ist gegenüber dem gregorianischen Kalender etwa sieben Jahre und neun Monate zurück. Die Jahre vor Christi Geburt werden außerdem als Jahre der Welt bezeichnet. Die Jahre nach Christi Geburt gelten als Jahre der Gnade beziehungsweise Jahre der Barmherzigkeit.

Es gibt jedoch noch eine weitere Lesart für das äthiopische Neujahrsfest: Der 11. September steht auch für den Tag der Rückkehr der Königin von Saba, als diese um 980 vor Christus König Salomon in Jerusalem besuchte. Laut Überlieferung überreichten damals die Ältesten des Landes der Königin anlässlich ihrer Rückkehr das Enkutatash, ein edles Schmuckkästchen, in dessen Innerem sich wertvoller Schmuck und Edelsteine verbargen.

In Erinnerung an das Enkutatash gibt es zum äthiopischen Neujahrsfest auch heute noch Geschenke. Für die Kinder ist dies meist neue Kleidung. Bei den vielen Festlichkeiten, die gleichzeitig auch das Ende der Regenzeit feiern, wünschen sich die Menschen alles Gute für das neue Jahr. Da es zu dieser Zeit in Äthiopien außerdem überall grünt und blüht, schenken Kinder ihren Eltern einen üppigen Blumenstrauß. Das kunstvolle Blumengebinde schmückt dann das ganze kommende Jahr lang das Haus.Das äthiopische Neujahrsfest feiert auch den Beginn der Sommerzeit. Darauf folgt recht bald die Erntezeit, so dass die Bauern große Hoffnungen auf eine gute Ernte hegen. Die Flüsse führen in der Sommerzeit meist wenig Wasser, sodass man auch entfernt wohnende Verwandte besuchen kann.

Der äthiopische Kalender basiert auf dem koptischen Kalender. Neben der etwas anderen Berechnung von Christi Geburt zeichnet sich der koptische Kalender durch eine weitere Besonderheit aus: Er besitzt insgesamt 13 Monate. Davon haben zwölf Monate 30 Tage. Der 13. Monat ist ein sogenannter Kurzmonat (Pagume) und hat nur fünf Tage beziehungsweise im Schaltjahr sechs Tage.

Nach dem gemeinsamen Essen war beim Hilpoltsteiner Neujahrsfest dann Tanzen angesagt. Ein äthiopischer DJ spielte Musik aus der Heimat – und dazu wurde von den Äthiopiern übermütig getanzt, soweit es der beengte Platz auf dem Flur zuließ. Auch die deutschen Gäste machten begeistert mit.