Ein Anachronismus

Kommentar

21.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:31 Uhr

Die Renten-Einheit kommt! Fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung sind unterschiedliche Berechnungsgrundlagen für die Rente in Ost und West ein Anachronismus. Dass die Renten in den neuen Ländern im Schnitt höher sind und die Erhöhungen dort zuletzt deutlich stärker ausfielen, wirft bei Rentnern und Beitragszahlern in den alten Ländern berechtigte Fragen auf.

Darauf muss die Politik reagieren. Ab 2020 steigen die Altersbezüge im Osten und Westen gleich stark. Das entzieht Neiddebatten für die Zukunft die Grundlage. Aber die Angleichung ist ein teuer erkaufter Schritt. Über die Finanzierung - aus dem Bundesetat oder doch lieber aus Beitragsmitteln - wird es noch jede Menge Streit geben. Acht Milliarden Euro allein in den ersten drei Jahren sind der Preis dafür. Mit dem gleichen Geld könnte man das Rentenniveau in ganz Deutschland um mehr als einen Prozentpunkt anheben.

Die Nahles-Reform beseitigt einige Ungerechtigkeiten, die nach der Vereinigung beider deutscher Staaten entstanden sind. Der einheitliche Rentenwert in Ost und West ist ein wichtiges psychologisches Signal an die Ostdeutschen. Und das Ende der bisherigen Praxis der künstlichen Höherbewertung der immer noch deutlich niedrigeren Löhne bei der Rentenberechnung in den neuen Bundesländern dürfte im Westen auf Genugtuung stoßen. Für den Osten bedeutet das allerdings im Umkehrschluss: Diejenigen, die heute zwischen Rügen und dem Erzgebirge arbeiten und ihre Beiträge zahlen, werden künftig geringere Rentenansprüche erwerben als ohne die Reform. Zum großen Wahlkampf-Schlager im Osten taugt das Projekt deshalb nicht.