Ein Abend voller Höhepunkte

Alexander Suleiman bringt beim ersten Kammermusik-Marathon der Sommerakademie Neuburg 23 Musiker auf die Bühne

13.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:55 Uhr

Die zwölfjährige Cosima Federle verblüffte mit einer temperamentvollen Tarantella von Popper.

Neuburg (DK) 19 Werke von 15 verschiedenen Komponisten, insgesamt mehr als fünf Stunden Kammermusik – das dürfte der Kongregationssaal lange nicht erlebt haben, wenn überhaupt jemals. 23 Musiker bot Alexander Suleiman für den ersten Kammermusik-Marathon der Sommerakademie auf.

Reich an Höhepunkten ist dieser Marathon auf höchstem Niveau, den Dozenten und Schüler der Sommerakademie gemeinsam gestalten. Reich ist er auch an Vielseitigkeit, sodass es selbst für Dauerzuhörer immer wieder neu und spannend ist. Die ersten anderthalb Stunden steht das Klavier im Vordergrund, beginnend mit Robert Schumanns beliebtem Klavierquintett op 44 der Dozenten Angela Cholakian (Klavier), Bin Huang, Elvira Suleiman (Violinen), Tilbert Weigel (Viola) und Alexander Suleiman (Violoncello), die etwa 100 Konzertbesucher begeistern. Mit etwas weniger Zuhörern müssen sich Cholakians Klavierschüler Xiao Yuying, Heiland Viktor, Zhou Sicong, Wang Yu und Oliver Salonga begnügen, die ihr Talent mit Werken von Frederic Chopin, Sergei Prokofieff und Sergei Rachmaninoff unter Beweis stellen. Kommen und Gehen der Konzertbesucher fällt dank der vier Pausen kaum auf, zudem werden fast ausnahmslos Applauspausen zwischen den einzelnen Stücken genutzt, um hinein- oder auch hinauszuschlüpfen.

Zum Träumen schön gelingt das unterhaltsame, aber technisch anspruchsvolle Forellenquintett von Franz Schubert. Jeder für sich ein ausgezeichneter Solist, vereinen sich die Streicher Huang, Weigel, Suleiman und Kontrabassistin Sophie Luecke, mit Pianistin Tomoko Nishikawa zu perfekter Harmonie. Zum Reiz des Forellenquintetts tragen neben der Betonung des Bassfundaments die wechselnden Instrumentenkombinationen vor allem im vierten Satz bei, wobei mal Klavier, mal Violine, mal Violoncello Thema und Führung übernehmen. Kaum größer könnte der Kontrast zum nächsten Werk sein. Werk? „Atavistic Music“ steht im Programm. Dafür gibt es keine Noten, die beiden Künstler improvisieren. Heraus kommt ein frappierendes, spannendes Musikabenteuer, in dem sich beide gegenseitig die Bälle zuspielen. Alexander Suleimans Cello klagt, jault, jubelt, scheint abzuheben. Doch da ist Yojo Christen, vielversprechender 19-jähriger Pianist aus dem Altmühltal, Schüler Franz Hummels, und zuständig für die Harmonien. Leger in hellblauer, kurzer Hose und weißem Hemd übernimmt er den bodenständigeren Part, erdet den Streicher. Was aber nicht heißt, dass Yojo Christen nicht gelegentlich auch in Führung geht, und Suleiman die zweite Geige spielt.

Eine furiose Vorstellung gibt auch die erst zwölfjährige Cosima Federle (Violoncello), die völlig in der temperamentvollen Tarantella von David Popper aufgeht. Dozent Heiko Stralendorff (Klavier) begleitet auch Yanni Zhou bei Henry Wieniawskis Etüde op 18; Yean Wei (Violine) steigert sich von einer barocken Bachschen Partita über ein Mozart-Allegro zu Niccoló Paganinis Caprice No 24.

Als Meister an der Konzertgitarre erweist sich Guan Cang mit der berührenden Capricho Arabe von Francesco Tarrega und der modernen Moreliana von Jan Depreter.

Mit Jubelrufen wird die Streicherformation Bin Huang, Elvira Suleiman (Violinen), Tilbert Weigel (Viola) und Alexander Suleiman (Violoncello) sowie Marco Thomas (Klarinette) zu Mozarts Klarinettenquintett A-Dur begrüßt, obwohl sich der Saal gegen 23 Uhr schon deutlich geleert hat, und nur noch etwa 50 Klassikfans ergriffen der eingängigen Komposition lauschen – das passende Werk zu später Stunde, für das es sogar Zugaberufe gibt.

Mozart ist ohnehin der Star des Abends, gleich viermal greifen die Musiker zu seinen Noten. Das fünfte Stück hebt Alexander Suleiman, künstlerischer Leiter der Sommerakademie und Initiator sowie Organisator des Marathons, ebenso wie Robert Schuhmanns Fantasiestücke für die nächste Auflage des Marathons auf. „Bevor oben auf der Bühne mehr Leute sitzen als unten im Saal“, kürzt er das angekündigte Programm. Stattdessen konnten Lokalmatador Markus Haninger mit einem lebhaften Klarinettenkonzert in A-Dur von Carl Stamitz und Miryam Nothelfer (Violine) sowie Antonio Clavijo-Rojas (Violoncello) mit einer Sonate Francesco Gemianis glänzen.

Mit welcher Musik sonst denn von Mozart könnte der furiosen Abend beschlossen werden? 36 Zuhörer erfreuen sich schließlich am fast mitternächtlichen Streichkonzert in d-Moll mit Huang, Elvira Suleiman, Weigel und Alexander Suleiman. Dessen erster Kammermusik-Marathon sollte nicht sein letzter sein, schon gar nicht in Neuburg.