Ingolstadt
Eigenwillige Ästhetik: Ausstellungen im Bauerngerätemuseum

01.05.2011 | Stand 03.12.2020, 2:53 Uhr

Ingolstadt (DK) "Begegnung" heißt die Ausstellung des Keramikers Jochen Rüth und der Textilkünstlerin Andrea Dresely im Bauerngerätemuseum Hundszell. Aber eigentlich ist noch ein dritter mit von der Partie dieses Sich-Treffens.

In den Räumen gleich nebenan präsentiert der Ingolstädter Fotograf Helmut Bauer "Sach-Aufnahmen" – gemeinsam ergeben beide Ausstellungen einen faszinierenden Einblick in Handwerkskunst gestern und heute.
 
Dabei sind die Gegenstände, die Bauer – hier beginnt der Rundgang durch das Haus – aus dem Depot des Museums als Modelle wählte, erst einmal durchwegs profan. Ölkannen und Eisengewichte, Ösen und Haken, Mausefallen, Schusterleisten, Maulkörbe oder Fahrradsattel aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat er vor die Kamera genommen, doch ihre Herkunft ist so leicht nicht mehr zu erkennen. Herausgelöst aus ihrem Alltagszusammenhang, singulär in leerem Fotoraum, sind sie geheimnisvolle Form, berückendes Gleichmaß, sehr fremde, eigenständige Gestalt. Mitunter keck und ironisch wirken die Objekte, dann wieder still und erhaben – rätselhafte Zeitgenossen, die stolz ihre ureigene Schönheit präsentieren. Dass Menschen immer nach Ästhetik strebten, dass sie Teil auch alltäglichsten Lebens war, wie Ausstellungskurator Max Böhm erklärt – hier wird es definitiv bewiesen.
 

Und zeigt sich heutig in den anderen Räumen, in dem sich Jochen Rüth und Andrea Dresely treffen. Vasen und Gefäße einerseits, Teppiche und Messgewänder andererseits, könnt man sagen, doch das träfe das Thema wie "Mausefallen und Nägel" bei Helmut Bauer. Erstaunlich sind die Gefäße des 50-jährigen Keramikers Rüth, mal zum alltäglichen Gebrauch harmonisch alte Formen beschwörend, mal als skulpturale Gefäße bizarr zerklüftet und aufgerissen, auch und vor allem ihrer delikaten Farben wegen. Rüths Experimente verschiedenster Beimischungen zu selbst gegrabenen Erden bringen archaische Oberflächen und Töne zustande, die Anmutung von Rost, die Wirkung von Ausgrabungen, die Assoziation zu Lava. Dem gegenüber stehen die farbenprächtigen Teppiche und Wandbehänge Dreselys, die mit der selbst gefärbten und gewebten Wolle Bilder malt und Landschaften zeichnet – sehr schön sind dazu die kleinen collageartigen Entwurfsskizzen. Und von feiner, sehr individueller Schönheit die gezeigten Messgewänder – Paramente, also die im Kirchenraum und in der Liturgie verwendeten Textilien, sind bedeutender Teil der Auftragsarbeit der 59-Jährigen. Über deren Gesamtwerk und das Schaffen ihres Ausstellungspartners Rüth informieren in der Schau zusätzlich zwei hochinformative Fernsehfilme.

Beide Ausstellungen sind bis 26. Juni zu sehen, sie sind dienstags bis freitags von 9 bis 12 und an Sonn- und Feiertagen von 14 bis 17 Uhr geöffnet.