Neuburg
"Eigentlich bin ich ja wasserscheu"

Ohne Barbara Rauscher gäbe es die Neuburger Donaunixen nicht - Erster offizieller Wettkampf im Frühling vor 45 Jahren

23.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:20 Uhr
So hätten sich die Donaunixen des TSV Neuburg gerne bei den Bayerischen Altersklassenmeisterschaften dem heimischen Publikum im Parkbad präsentiert. −Foto: Simone Gläser

Neuburg - Die Synchronschwimmerinnen des TSV Neuburg tragen den Namen ihrer Heimatstadt mitunter in die ganze Welt.

 

Vor 45 Jahren hatten die Donaunixen ihren ersten offiziellen Wettkampf. Die Anfänge der Sparte reichen aber weiter zurück - zur gebürtigen Neumarkterin Barbara Rauscher, die den Sport mit sechs Jahren in ihrer Heimatstadt für sich entdeckte. Noch heute ist die mittlerweile 71-Jährige Abteilungsleiterin, Trainerin und überregional der Motor für viele junge Synchronschwimmerin. Ein Blick zurück auf ereignisreiche Jahrzehnte.

Begonnen hat es für Barbara Rauscher mit dem ASV Neumarkt. Ihre Eltern seien sehr sportlich gewesen und deshalb habe sie Bewegung und Wettkampfgeist wahrscheinlich schon in den Genen gehabt. Mit sechs Jahren begann sie beim ASV mit dem Synchronschwimmen, das damals noch Kunstschwimmen hieß. Sie blieb ihrem Heimatverein bis zum 18. Lebensjahr treu, ehe es sie nach München zog und sie sich den dortigen Isarnixen anschloss. In der Landeshauptstadt lernte sie ihren späteren Ehemann Kurt Rauscher kennen - und über ihn kam Barbara Rauscher 1972 nach Neuburg.

Sie schloss sich dem TSV Neuburg an und hielt schließlich am 21. Mai 1973 die erste Übungsstunde für angehende Synchronschwimmerinnen ab. Die Mädchen dazu wählte Fritz Stoll, damals Abteilungsleiter der Wettkampfschwimmer beim TSV Neuburg, aus seiner Truppe aus. Die ersten Donaunixen waren Sabine Schermer (geborene Streckel), Christa von Tubeuf (geborene Mayershöfer), Claudia Heckel (geborene Kreil), Doris Glogger, Daniela Giedl (geborene Rädisch) und Cornelia Meier. "Die lernten alle sehr schnell, weil sie durch das Wettkampfschwimmen gut ausgebildet waren", erzählt Barbara Rauscher. Einen ersten Auftritt gab es bereits im Oktober, die Donaunixen zeigten bei den Neuburger Stadtmeisterschaften der Wettkampfschwimmer eine Einlage. Eine weitere Darbietung erfolgte beim mittlerweile traditionellen Adventsschwimmen des TSV Neuburg.

Im Frühjahr 1974 hatte Rauscher die zehn und elf Jahre alten Mädchen schon so weit, dass die Gruppe bei einem Wettkampf starten konnte. Den Vergleich in Augsburg absolvierten die Neuburgerinnen seinerzeit aber außer Konkurrenz. Im Jahr 1975 stieß die "Mutter des TSV Neuburg", Gisela Kotzur, zu den Synchronschwimmerinnen. Barbara Rauscher war mit ihrem Sohn Thomas schwanger und konnte deshalb nicht mehr mit den Mädchen trainieren. "Zum Glück hat Gisela Kotzur ausgeholfen, sonst wäre die Sparte wahrscheinlich bald wieder in der Versenkung verschwunden", so Rauscher. Die heute 93-jährige Kotzur blieb über viele Jahre eine treue Weggefährtin Rauschers und war ebenfalls eine treibende Kraft hinter den zahlreichen Erfolgen der Synchronschwimmerinnen. "Sie hat vor fünf oder sechs Jahren dann aufgehört. Ich bin ihr bis heute tief dankbar für alles, was sie für die Abteilung getan hat. " Gisela Kotzur erhielt im Jahr 2014 die Ehrengabe der Stadt Neuburg bei der damaligen Sportlerehrung. Sie war die erste Frau, die mit dieser Auszeichnung bedacht wurde. Sechs Jahre später sollte ihr Barbara Rauscher folgen - als erst zweite Frau.

Den ersten richtigen Wettkampf, bei dem die Donaunixen ihre Leistung gewertet bekamen, trugen sie im Frühjahr 1975, also vor 45 Jahren, aus. Die Mädchen waren unter Kotzurs Obhut bei den Bayerischen Meisterschaften in Würzburg - ein Wettkampf unter vielen, die noch folgen sollten. Über die Jahre haben es die Donaunixen geschafft, bei Landeswettbewerben, nationalen und internationalen Vergleichen stets weit vorne in den Ranglisten zu landen. Es gab seit den 80er-Jahren kaum eine Saison, in der nicht eine Neuburgerin in den Nachwuchskadern des Deutschen Schwimmverbandes (DSV) stand.

Den Verein zeichnete schon früh beständige Nachwuchsarbeit aus. Kotzur, Sportlehrerin am Gymnasium, suchte nicht nur an ihrer Arbeitsstätte nach neuen Talenten, sondern zog diese auch aus den anderen Abteilungen des TSV Neuburg, beispielsweise dem Mutter-Kind-Turnen. Die Konstante war dabei, dass es stets Mädchen waren, die das Synchronschwimmen erlernten - bis vor ungefähr einem Jahr. "Einen Bub hatten wir mal, der wollte Synchronschwimmer werden. Den haben wir mitmachen lassen, aber der hat auch wieder aufgehört", berichtet Barbara Rauscher. Deutschland biete männlichen Synchronschwimmern keine Bühne, da bilde Neuburg keine Ausnahme. "Es gab mal je einen guten Synchronschwimmer in Bochum und in München, das war es aber schon", sagt Rauscher, die auch weit über die Grenzen der Ottheinrichstadt eine Expertin für die Sportart ist.

 

Deshalb dauerte es nicht lang, bis sie neben ihrer Trainertätigkeit beim TSV Neuburg weitere Aufgaben dazubekam. Seit 1992 ist sie Fachwartin für Synchronschwimmen beim Bayerischen Schwimmverband (BSV). Durch ihr stets gutes Netzwerk wurde man beim BSV auf die Neuburgerin aufmerksam und so wurde sie an diesen Posten herangezogen, den sie bis heute ausfüllt. Zwei Sitzungen jährlich mit dem Bayerischen und Treffen der Führungsköpfe des Deutschen Schwimmverbandes gehören genauso dazu wie die Aufsicht über Wettkämpfe im Freistaat.

Bevor sie als Fachwartin den Synchronschwimmerinnen im Freistaat vorstand, ging es für Rauscher durch einen anderen Zweig des Sports zunächst um die Welt: Von 1987 bis 2007 war sie internationale Wertungsrichterin. War die Premiere für sie mit einem Wettbewerb in Wien noch recht nah, so sollten weiter entfernte Ziele alsbald folgen. Als Höhepunkt nennt sie eine Veranstaltung im Herbst ihrer Karriere: Die Weltmeisterschaft in Melbourne 2007, sie war Teil einer 16-köpfigen Jury aus aller Welt. "Das war mein Highlight. Australien ist eine Schwimmnation und Melbourne eine Sportstadt. Ich war damals auch bei meinem ersten Formel-1-Rennen. Vormittags hab' ich die Solo-Wettkämpfe gewertet und mittags sind alle Jury-Mitglieder schnell in den Bus gehüpft und zur Rennstrecke gefahren. Das ist ja mitten in der Stadt. Das war irre", berichtet sie. Im Jahr 2004 bewertete sie außerdem die Qualifikation für die Olympische Spiele in Athen. Die Neuburgerin hätte als Nachrückerin sogar die Chance gehabt, bei Olympia selbst zu werten, war sie doch als erste Nachrückerin nominiert. Nach Rücksprache mit dem Verbandschef kam sie aber zu den Quali-Wettbewerben. "Das hab' ich spannender gefunden. " Mit ihrem 60. Geburtstag endete dann die Tätigkeit als Wertungsrichterin - die Aufgabe vermisst Rauscher heute aber nicht. "Ich möcht' das gar nicht mehr. Vier Stunden lang Gruppen aus aller Welt bewerten und das mit nur einer ganz kurzen Pause. Nein, wirklich nicht. "

Der Treibstoff für ihr Wirken ist nach wie vor der TSV Neuburg, die jungen Mädchen, deren Übungsfleiß sie meist vom Beckenrand beobachtet. Die Anleitung erfolgt nicht ohne Grund vom Trockenen aus, wie Rauscher mit einem verschmitzten Grinsen gesteht. "Eigentlich bin ich ja wasserscheu. Wirklich. Ich weiß nicht, wie das gekommen ist, aber nach meiner aktiven Karriere wollt' ich nicht mehr rein. Ich kann genau sagen, wann ich in den letzten 47 Jahren ins Wasser gegangen bin. " Besonders in Erinnerung ist ihr der Sommer 1993 geblieben, als sie mit ihrer Tochter Cornelia Stadlmayr, die damals für die Jugend-Weltmeisterschaft nominiert war, trainierte - im Neuburger Hallenbad, mitten im August. "Das war unerträglich heiß da drin", sagt sie lachend. Die Enkeltochter hat es aber geschafft, dass Rauscher in den vergangenen beiden Jahren wieder mit ins Becken gegangen ist.

Kinder, so scheint es, waren immer das Zentrum und der Ausgangspunkt allen Handelns der Neuburgerin. Da bleiben natürlich so manche Anekdoten hängen. Eine davon erzählt Rauscher besonders gern. "Ich hatte mal eine Schwimmerin, Jahrgang 1982, die war immer nur Ersatz. Das hat mir richtig leid getan, aber die anderen in der Gruppe waren einfach besser. Das ist so weit gegangen, dass sie bei einem Wettbewerb in Neuburg auch nicht antreten durfte und daheim deswegen bitter geweint hat. " Die Eltern hätten dem Mädchen nahe gelegt, es solle doch mit dem Synchronschwimmen aufhören. "Aber sie wollte nicht. Sie hat gesagt, dass sie da jetzt durch müsse. Und es hat was gebracht, denn sie ist besser und später sogar Deutsche Meisterin geworden. Sie hat sich durchgebissen. "

Den anhaltenden Erfolg der Abteilung sieht Rauscher wahrlich nicht allein bei sich selbst begründet. Es sei die Gemeinschaft, die den Donaunixen Stärke verleihe. "Von den aktuell 14 Trainerinnen sind alle mit einer Ausnahme vorher Synchronschwimmerinnen gewesen", sagt sie. Was die jungen Frauen und Mädchen für die nachfolgenden Generationen geleistet hätten, sei außergewöhnlich und aller Ehren wert. Die erwähnte Ausnahme bei den Trainerinnen, das ist Rauschers langjährige Weggefährtin Emmy Luba, die von der Abteilungsleiterin stets in den höchsten Tönen gelobt wird. Luba wäre es auch gewesen, die Mitte März als Oberaufsicht bereits im 13. Jahr als Schiedsrichterin des Bayerischen Schwimmverbands im Einsatz gewesen wäre.

Eigentlich hätten an jenem Wochenende nämlich die Bayerischen Altersklassenmeisterschaften im Parkbad stattfinden sollen - als der mittlerweile 15. überregionale Vergleich in Neuburg. Doch wegen des Corona-Virus wurde der Wettkampf, wie so viele andere in zahlreichen Sportarten auch, abgesagt. Ein Umstand, der dem TSV Neuburg nicht nur den heiß ersehnten Heimauftritt versagt hat, sondern, so Rauscher, auf Dauer nicht haltbar ist. "Ich hab' den ganzen Kofferraum voller Medaillen, irgendwann will ich die noch ausgeben", scherzt sie.

DK

Sebastian Hofmann