?Trauerzirkel?
Ehrenamt: Die Trostspenderin

Petra Schindler verlor den Lebensmut, als ihr Mann starb - Dann gründete sie ehrenamtlich den "Trauerzirkel"

20.02.2020 | Stand 23.09.2023, 10:47 Uhr
Heute kann Petra Schindler das Bild ihres Mannes entspannt in die Hand nehmen. Als er starb, wäre die Ingolstädterin fast am Tod des 62-Jährigen zerbrochen. Um anderen in derselben Lage zu helfen, hat sie ehrenamtlich den "Trauerzirkel" gegründet. −Foto: Richter

Ingolstadt - Der Tod war buchstäblich aus heiterem Himmel gekommen. Alfred Schindler hatte über Unwohlsein geklagt und sich nachmittags kurz hingelegt, in der Hoffnung, sich anschließend besser zu fühlen. Als seine Frau eineinhalb Stunden später nach ihm schaute, lag der 62-Jährige tot im Bett. Lungenembolie, lautete die Diagnose. Petra Schindler zog es förmlich den Boden unter den Füßen weg. "Mein Mann und ich waren wirklich eins, das fühlte sich an, als hätte ich die Hälfte von mir verloren. Es war wie wenn der Blitz einen Baum spaltet", erinnert sich die Ingolstädterin. Seit drei Jahren ist sie nun schon Witwe.

 

Wie sie die erste Woche überlebte, weiß sie nicht mehr. "Mein Mann war mein Zentrum, mein Alles. Wir haben uns wirklich geliebt. Ich war so unter Schock, dass ich alles wie in Trance erlebt habe. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen, und ich bin vor einem Riesenscherbenhaufen gestanden." Petra Schindler lebte nur noch von einem Tag zum anderen, ohne Perspektive. "Ich hatte mir schon eine Stelle an der Donau rausgesucht, wo ich still und leise aus dem Leben scheiden wollte."

Es kam dann aber zum Glück anders. Dabei hatte sie niemanden, der sie auffing, "Alfred und ich hatten keinen größeren Bekanntenkreis, wir waren zufrieden mit uns selbst." Petra Schindler suchte Anschluss in einer Kaffeerunde mit anderen Witwen. Am Ende gründete sie Anfang 2018 eine eigene Selbsthilfegruppe für Menschen, die ihren Partner verloren haben. Dieser "Trauerzirkel" trifft sich jeden ersten Mittwoch um 18 Uhr im Monat im Ingolstädter Bürgerhaus an der Fechtgasse. "Jeder lernt hier von den Erkenntnissen und Erfahrungen der anderen. Wir helfen uns gegenseitig, keiner bleibt außen vor, niemand ist allein."

Die erste Zeit nach dem Tod des Partners oder der Partnerin ist oft die schlimmste. Sie zu meistern, ist das Ziel der Gruppe mit derzeit bis zu zwölf Teilnehmern zwischen 50 und 83 Jahren. "Manche Jüngeren kommen nur ein- oder zweimal, andere regelmäßig", sagt Petra Schindler.

Die Hilfesuchenden erhalten Tipps, was nach dem Todesfall behördlich und sonst alles zu tun ist. Jeder in der Runde hilft, Neuankömmlinge in ihrem Schmerz aufzufangen und zu trösten. "Wir versuchen, den Schockzustand aufzubrechen und das Leben für die Betroffenen wieder lebenswert zumachen. Jeder von uns hat diese schreckliche Erfahrung gemacht, wenn man nur noch schreien möchte und nicht mehr weiß, wie es weitergeht. Um uns herum funktioniert die Welt weiter wie bisher, während unsere stehengeblieben scheint. Wenn nur einer aus Runde nach unseren Treffen heimgeht, keine Angst mehr hat und wieder eine Perspektive sieht, erfüllt mich das mit großer Freude."

Sich ehrenamtlich einzubringen, ist für Petra Schindler eine schöne Erfahrung. Es hilft anderen und ihr selbst. Heute kann sie an ihren Alfred denken, ohne sofort in dumpfe Gedanken zu verfallen. Die Narben auf der Seele bleiben, aber sie konzentriert sich auf die schönen Erinnerungen aus dem gemeinsamen Miteinander. In einer Zeit, in der die Kinder längst aus dem Haus sind und auch der Beruf kein Thema mehr ist, gibt ihr die freiwillige Tätigkeit im "Trauerzirkel" viel zurück. "Es ist auch das Gefühl, nicht unnütz zu sein und noch gebraucht zu werden", sagt die Ingolstädterin.

Unsere Serie "Mein Ehrenamt" erscheint im Vorfeld der im Juni startenden Ehrenamtswochen der Initiative Regionalmanagement Region Ingolstadt.

DK

Horst Richter