Ehrenamt auf dem Schleudersitz?

26.06.2009 | Stand 03.12.2020, 4:51 Uhr

Stadtheimatpfleger im letzten Gefecht um den Nordbahnhof: Peter Braun (l.) und Christian Dittmar (r.) im Gespräch mit MdL Roland Richter vom Hochschulausschuss, der für den Denkmalliste zuständig ist. Das alte Bahnhofsgebäude wird abgerissen, weil dort ein Parkhaus entstehen soll. - Foto: Silvester

Ingolstadt (DK) Reichlich verspätet wird der Stadtrat in der Julisitzung die Amtszeit der beiden Stadtheimatpfleger bis Ende 2010 verlängern. Es wird die letzte Periode für Christian Dittmar und Peter Braun. Wäre die Stadt sie vielleicht lieber schon sofort losgeworden?

Offen sagt das natürlich niemand. Als die turnusgemäße Bestellung Ende 2008 ausblieb, wurde dies gegenüber den Betroffenen damit begründet, man wolle erst die Wahl des Stadtbaurats abwarten. Bis dahin sollten beide kommissarisch dieses gesetzlich verankerte kommunale Ehrenamt ausüben, für das es 250 Euro monatliche Aufwandsentschädigung gibt. Als der DONAUKURIER am Donnerstag im Referat VII zur Verzögerung und zum aktuellen Stand nachfragte, landete kurz darauf die Sitzungsvorlage zur erneuten Bestellung bis Ende 2010 in der Redaktion – zur Vorberatung am 6. Juli im Stadtentwicklungsausschuss. In dem Papier heißt es unter anderem, Dittmar und Braun hätten sich im Verlauf der vergangenen Jahren als "äußerst fachkundig und engagiert erwiesen". Bemerkenswert: Dieselbe Wortwahl hatte OB Alfred Lehmann bereits im Jahr 2006 getroffen. Nur eine Floskel?

Tatsache ist: Schon die kommissarische Bestellung hatte einen faden Beigeschmack, zumal durchgesickert war, die Stadt suche bereits einen Neuen, Jüngeren. Dass die Amtszeit von Dittmar (74) und Braun (71) jetzt wohl doch verlängert werden soll, liegt nach Einschätzung von Beobachtern an dem Umstand, dass die frisch gekürte Stadtbaurätin den Auftakt ihrer Amtszeit nicht mit einem Konflikt belasten wollte. Im Gespräch mit dem DK erklärte Renate Preßlein-Lehle, sie habe mit beiden Herren gesprochen: "Ich möchte ihnen Gelegenheit geben, ihre Amtszeit abzuschließen und in der Zeit jemanden Neues suchen."

Beide Stadtheimatpfleger haben sich bereit erklärt, ihr Amt erneut anzunehmen. Dittmar wurde im Jahr 1997 bestellt, Braun war zunächst sein Stellvertreter. Später wurden beide gleich gestellt, wobei Braun die Rollenverteilung immer so verstand, dass er als Architekt für die städtebaulichen, planerischen und denkmalpflegerischen Bereiche zuständig sei, während er dem Historiker Dittmar Stadtgeschichte und Brauchtum zubilligte.

Der jedoch ließ sich nicht beirren und zurechtweisen, zumal er bereits unter seinem Vorgänger Siegfried Hofmann mehr als 30 Jahrzehnte stellvertretender Stadtheimatpfleger war und damals manchen Streit ausgefochten hatte – unter anderem für den Erhalt der Schiffsbrückenremise, die wegen der Landesgartenschau abgerissen werden sollte.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich die beiden Stadtheimatpfleger nicht ganz grün sind: Der Zwist eskalierte in der Debatte um den neuen Anstrich der Franziskanerkirche, als Braun Dittmar öffentlich angriff. Inzwischen haben sich die Männer arrangiert und kämpften zuletzt Seite an Seite für die Rettung des Nordbahnhofs – ein hoffnungsloser Fall.

Als Fehler stuft Dittmar aus heutiger Sicht ein, sich nie gegen die Verkürzung der Amtszeit von fünf auf zwei Jahre gewehrt zu haben (Hofmann war noch auf Lebenszeit bestellt und freiwillig zurückgetreten). "Ich hätte mich nicht darauf einlassen dürfen, mich auf diesen Schleudersitz zu begeben." Diese Regelung sei eine Fehlentscheidung, sagt auch Martin Wölzmüller, Geschäftsführer des Bayerischen Vereins für Heimatpflege, unter dessen Fittichen die rund 300 Stadtheimatpfleger im Freistaat stehen. "Zwei Jahre sind ein Zeitraum, in dem keiner eine ordentliche Arbeit aufbauen kann."

Und ein probates Druckmittel. So jedenfalls sieht es der Regensburger Amtsinhaber Werner Chrobak, der für sechs Jahre bestellt ist: "Es liegt in der Natur der Sache, dass es immer wieder Interessenkonflikte gibt. Deshalb hat der Stadtheimatpfleger als Vertreter öffentlicher Belange ja auch eine starke Stellung und ist nicht weisungsgebunden. Das ist ein ständiger Kampf, und man braucht gute Nerven." Sein Urteil: "Wenn ein Stadtheimatpfleger immer nur Ja und Amen sagt und jedes Bauprojekt nur abnickt, dann braucht man ihn gar nicht."

Christian Dittmar lässt sich nicht entmutigen: "Ich hab’ jetzt die Möglichkeit, mich noch einmal richtig ins Zeug zu legen und zuzubeißen." Und Peter Braun will weiter für die Freilegung der Schutter kämpfen: "Das ist mein Herzensanliegen."