"Dritte Liga ist geil!"

24.05.2009 | Stand 03.12.2020, 4:56 Uhr

Die Treuesten der Treuen: Boris und sein Neffe Dominik besuchen seit Jahren jedes Heimspiel. Sie sagen: "Wir lieben unseren FC!"

Ingolstadt (DK) Mit vier Toren und 1100 Litern Freibier verabschiedete sich der FC Ingolstadt gestern aus der zweiten Fußballbundesliga. Im Tuja-Stadion erlebten 3730 Zuschauer ein versöhnliches Saisonfinale. In Block C2 sind sich alle Fans einig: Gemeinsam geht’s durch Liga drei und dann sofort wieder nach oben!

Nach 28 Spielminuten rückt die dritte Liga ganz nah heran: In Block C2, seit kurzem neues Epizentrum der Stimmungsmacher, entrollen einige Zuschauer plötzlich ein mehr als zehn Meter langes Transparent. Auf dem steht: "3. Liga = Hooliganliga? Nicht übertreiben!" Damit spielen sie auf die von Vorurteilen nicht ganz freie Diskussion über die angeblich ganz besonders krawallfreudigen Vereine an, die den Ingolstädtern in der kommenden Saison eine Klasse tiefer drohen sollen. Und während der Stoffstreifen im warmen Sommerwind flattert, grölen sechs junge Herren auffallend innig: "Dritte Liga ist geil!" Nach eigener Auskunft gehören sie den "Vandalen" an, ein Fanclub des FC Carl Zeiss Jena, der am Samstag gegen Sandhausen den Klassenerhalt in Liga drei geschafft hat. Markus, Sprecher der "Vandalen", kündigt schon mal an: "Nächstes Jahr sind wir alle da! Wir freuen uns drauf!"

 
Doch der FC-Chor in C2 lässt sich nicht die Laune verderben und singt unverdrossen weiter, stimmgewaltig angefeuert von den Solo-Chansonniers Sebastian und Kenny, die samt ihrem Megafon auf einem kleinen Gerüst ein Lied nach dem anderen anstimmen. Integrierendes ("Zecke, wir brauchen Dich!"), Selbstironisches ("Wir steigen ab und ihr steigt mit!"; der Gegner Koblenz kämpft da noch um die Klasse), und sogar eine Ode an die Heimat schwappt durch das Tuja-Stadion: "Unsere Liebe, unser Stolz ist Ingolstadt".

Ein heiterer Nachmittag. Die FC-Fans feiern das versöhnliche Finale einer Saison, die euphorisch begann und trist endete. Wer den Auftakt erlebt hat und die Augen schließt, mag sich so fühlen wie damals an jenem 17. August beim 3:2 gegen die Fürther – das selbe Traumwetter, eine ähnlich gelöste Stimmung, nur die Tabellensituation war damals deutlich günstiger: Platz eins. Jetzt: 17.
 
Applaus prasselt reichlich auf die Schanzer Spieler, die schon vor dem Anpfiff alles richtig gemacht hatten: "Ihr seid spitze!", stand auf dem Transparent, mit dem sie vor die Menge traten.
 
Die allermeisten Fans in C2 nehmen den Abstieg gelassen. Boris (28), der mit seinem siebenjährigen Neffen Dominik jedes Heimspiel des FC besucht hat und seit vier Jahren auch auswärts immer dabei ist, beschreibt seine Begeisterung mit bundesligareifem Pathos: "Wer seine Fahne liebt, dem macht so was nichts aus!" Und die beiden lieben ihren FC so sehr – "das würde auch noch für die Bayernliga reichen", sagt Boris, der selbstverständlich am Freitag beim ersten Spatenstich für das Stadion dabei war.
 
Ein Hauch von Skepsis

 
Die gesetzteren Herren weiter oben sehen die Sache etwas nüchterner. Kurt (71), ein alter ESV-ler, bezweifelt, dass an der neuen Spielstätte die Stimmung zwingend besser sein wird. Seine Argumentation: "Ihr wisst s’ doch, was für Heinis mir ham!" Gerhard (51) kann der dritten Liga durchaus Positives abgewinnen: "Da wird samstags gespielt, das bringt uns mehr Zuschauer, denn viele von denen spielen am Sonntag ja selber." Und Lou (45) aus Großmehring sieht den Klassenwechsel ebenfalls pragmatisch: "Da könnten wir dann öfters gewinnen."
 
Der 14-jährige Daniel kommt regelmäßig mit drei Kumpels aus Abensberg zum FC, "weil der uns besser gefällt als Jahn Regensburg oder so". Die Fankultur findet er "eigentlich ganz gut", nur die Sitzenden auf der Haupttribüne seien "furchtbar fad". – "Bei denen muss sich echt noch mehr rühren", sagen auch Adi (39), Nadine (21) und Tanja (26) aus Ingolstadt, die in der nächsten Saison "auf jeden Fall" dem FC die Treue halten wollen. Mit Blick auf die Gegentribüne merken sie lächelnd an: "Die brauchen echt mal einen Einpeitscher."
 
Etwa solche Stimmungskanonen wie die Vorsänger in C2. Kenny und Sebastian drehen am Ende nochmal auf. Der finale Pfiff ertönt um 15.47 Uhr. Applaus auf allen Seiten. Ingolstadt: vier. Koblenz: null. Dann macht der FC sogar die Fässer auf. 1100 Liter Freibier beseelen den Abschied aus Liga zwei. Bevor die Besucher die Schenken stürmen, schmettern sie ein inniges: "So was hat man lange nicht gesehn!" Selten lag eine ganze Fankurve derart richtig.