Ingolstadt
Dreieinhalb Experten gegen einen

03.10.2011 | Stand 03.12.2020, 2:20 Uhr

Flagge zeigen: Der Historiker Jürgen Zarusky (Zweiter von links) verteidigte bei der Podiumsdiskussion die Ausstellung „Was damals Recht war“ der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, die im September im Bayerischen Armeemuseum gezeigt worden war. Unter der Moderation von Edgar Trost (Mitte) argumentierten im Fahnensaal Klaus Kastner (von links), Klaus Hammel und Rainer Thesen dagegen - Foto: Strisch

Ingolstadt (DK) Die Ausstellung „Was damals Recht war“ über die Wehrmachtsjustiz ist abgebaut. Geblieben ist das Zerwürfnis zwischen dem Leiter und dem Freundeskreis des Armeemuseums. Der hatte am Freitag zur Podiumsdiskussion geladen, um die Schau als tendenziös zu entlarven. Gelungen ist das nicht.

Die ersten irritierten Blicke wurden im Fahnensaal des Schlosses ausgetauscht, da hatte der Vorsitzende des Freundeskreises, Manfred Dumann, gerade seine offizielle Begrüßung beendet. Nach ihm trat der Moderator des Abends, General a. D. Edgar Trost, ans Mikrofon, um seine persönliche Meinung zur kritisierten Ausstellung kundzutun. Für eine als ergebnisoffene Podiumsdiskussion angekündigte Veranstaltung ein zumindest bemerkenswerter Beginn.

Trosts Einlassungen ließen denn auch keinen Zweifel an seiner Kritik an der Ausstellung aufkommen, was den Ingolstädter Historiker Theo Straub im Publikum zu der Bemerkung veranlasste, auf der Bühne diskutierten offenbar „dreieinhalb Experten gegen einen“, wobei er den Gesprächsleiter Trost in die Phalanx der Ausstellungskritiker Oberst a. D. Klaus Hammel, den einstigen Landgerichtspräsidenten Klaus Kastner und den Oberst d. R. Rainer Thesen einreihte. Somit fiel dem Historiker Jürgen Zarusky vom Institut für Zeitgeschichte die Aufgabe eines argumentierenden Einzelkämpfers auf dem Podium zu. Das allerdings wollte Dumann nicht auf sich sitzen lassen und betonte, man habe neben den Ausstellungsmachern auch den Leiter des Museums, Ansgar Reiß, zur Diskussion geladen. Die hatten allerdings Bedenken, ob eine sachliche Diskussion in der vorgeschlagenen Konstellation möglich ist, und lehnten ab.

Die Kritik an der Ausstellung bewegte sich entlang bekannter Argumentationslinien – und wurde teils scharf vorgetragen. „Maßlos übertrieben“ seien die dargestellten Zahlen der Opfer, befand etwa Hammel, die Darstellung „einseitig“, „spekulativ“, „manipulierend“ und wegen unsicherer Quellenlage „unwissenschaftlich“. Thesen reklamierte, es habe auch in der Wehrmachtsjustiz Richter gegeben, die ihre geringen Spielräume ausnutzten, um Urteile abzumildern. Dieser Aspekt käme in der Ausstellung zu wenig zum Tragen, außerdem stelle die Schau unzulässige Vergleiche zwischen der Zahl von Justizopfern in Frankreich und Deutschland an.

Kastner empfand die Ausstellung über die Wehrmachtsjustiz als zu „holzschnittartig“ und „pauschalisierend“, argumentierte stellenweise jedoch genauso. Etwa, als er postulierte, das „Führerprinzip“ sei zu jener Zeit in Europa überall „en vogue“ gewesen. Als Kronzeugen nannte er Salazar, Mussolini und Stalin. „Und in Deutschland war es eben Adolf Hitler.“

Da platzte Gottfried Freiherr von der Heydte im Publikum der Kragen. Europa bestehe schließlich nicht nur aus den genannten vier Diktaturen, die Behauptung, es sei damals halt so gewesen, sei deswegen nicht zulässig, polterte er. Und auch für Thesen hatte er eine Erklärung parat. Dass die Opferzahlen in der Demokratie Frankreich niedriger waren als in der Diktatur Deutschland sei eine wesentliche Aussage der Schau. „Das ist doch genau das, was die Ausstellung zeigen will“, erklärte von der Heydte.

Bemerkenswert ruhig argumentierte der Historiker Jürgen Zarusky. Wissenschaftlich fundiert belegte er, dass die Wehrmachtsjustiz als Instrument des Terrors missbraucht wurde. Dass eine Ausstellung immer einer Zuspitzung bedarf und sich auf Teilaspekte konzentrieren muss, sei nachvollziehbar. Den Vorwurf, die Ausstellung sei nicht wissenschaftlich, da die Opferzahlen teilweise auf Schätzungen beruhten, ließ er nicht gelten. „Selbst wenn es ,nur’ 10 000 waren, sollte das doch ein Grund sein, uns zum Nachdenken zu bringen.“

Ob die Veranstaltung geeignet ist, das eisige Schweigen zwischen Freundeskreis und Leiter des Armeemuseums zu beenden, bleibt abzuwarten. Hammel immerhin befand nach knapp drei Stunden, das Schloss sei durchaus der richtige Ort für die Schau gewesen. Sie habe zumindest zu einer interessanten Diskussion geführt. Jetzt sei es an der Zeit „wieder erste Schritte aufeinander zu zu machen“. Reiß hatte den Fahnensaal zu diesem Zeitpunkt allerdings schon verlassen.