Ingolstadt
Drei Jahre für Tankstellenräuber

Landgericht ordnet aber für 49-Jährigen aus Landkreis Unterbringung in der Psychiatrie an

27.11.2020 | Stand 23.09.2023, 15:42 Uhr
Eine goldfarbene Justitia-Figur steht vor Aktenbergen, die sich auf einem Tisch stapeln. −Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild

Ingolstadt - Wie berichtet, hat der 49-jährige Angeklagte am 13. Februar dieses Jahres in einer Tankstelle in Reichertshofen die Kassiererin mit einem Küchenmesser bedroht und ist mit dem Kasseninhalt geflohen.

"Der Sachverhalt wird eingeräumt", ließ er am ersten Verhandlungstag über seine Verteidigerin erklären.

Weil er unmaskiert und deshalb auf den Überwachungsvideos gut erkennbar und zudem polizeibekannt war, konnte der 49-Jährige aus dem nördlichen Landkreis Pfaffenhofen am Tag darauf festgenommen werden. Schon im Mai ist er dann aber aus der Untersuchungshaft wieder entlassen worden - allerdings nicht in die Freiheit, sondern in die Psychiatrie. Offenbar haben sich bereits zum damaligen Zeitpunkt die Anzeichen verdichtet, dass die Schuldfähigkeit des gelernten Schlossers bei der Tat eingeschränkt gewesen sein könnte.

Diese Einschätzung hat sich nun in der Hauptverhandlung bestätigt. Deshalb hat ihn am Freitag das Ingolstädter Landgericht nicht - wie sonst bei bewaffnetem Raub - zu mindestens fünf Jahren Haft verurteilt, sondern einen minder schweren Fall angenommen und eine Freiheitsstrafe von drei Jahren für ausreichend erachtet.

Der 49-Jährige leide an einer "schizoaffektiven Störung", erklärte Richterin Lisa Schillik mit Verweis auf den psychiatrischen Gutachter, und sei deshalb nicht voll schuldfähig. Dies rechtfertige es, von einem minder schweren Fall auszugehen, auch wenn die Tat selbst - trotz der "unprofessionellen" und "ins Dilettantische gehenden" Ausführung - keineswegs vom Standardfall des Raubes abweiche und der Angeklagte 13-fach vorbestraft sei.

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hat das Gericht angeordnet, weil es den Angeklagten krankheitsbedingt für gemeingefährlich hält. Dies ergebe sich aus dem Tankstellenüberfall und den - teilweise einschlägigen - Vorstrafen. So sei er etwa wenige Monate vor dem Überfall in ein Haus eingebrochen und habe Schmuck gestohlen. Auch das habe die Hauptverhandlung ergeben, berichtete die Richterin.

Im Laufe des Prozesses hat sich offenbar auch herausgestellt, dass die Beute nicht - wie angeklagt - knapp 600 Euro, sondern nur 330 Euro betrug. Weil die Verteidigung mehrmals beantragt hat, die Öffentlichkeit auszuschließen, konnte das Verfahren nur bruchstückhaft verfolgt werden.

Obwohl eine Freiheitsstrafe von drei Jahren schon von Gesetzes wegen nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann, erläuterte Richterin Schillik eingehend, warum eine solche ohnehin nicht in Betracht gekommen wäre. Der 49-Jährige sei "fragil", was die Einnahme der verordneten Psychopharmaka angehe. Ohne die Medikamente bestehe die Gefahr eines Stimmungsumschlags und weiterer Straftaten. Zwar sei eine Kontrolle der Medikamenteneinnahme auch ambulant möglich, bei dem Angeklagten müsse jedoch erst eine geeignete Medikation gefunden werden. Dies erfordere einen stationären Aufenthalt.

Besonders kritisch sah das Gericht eine Betreuung durch die Familie des 49-Jährigen. Gerade nahen Angehörigen falle es erfahrungsgemäß schwer, eine Einweisung gegen den Willen des Betroffenen zu betreiben, auch wenn diese geboten wäre. Zudem hätten die Vernehmungen ergeben, dass die Familie ein Alkoholproblem des Angeklagten nicht erkannt oder ignoriert habe. Demnach sei seine Familie gegenwärtig "kein ausreichend stabilisierender Faktor", und das Gericht könne den Angeklagten schon deshalb nicht einfach "ins Wohnzimmer setzen", fasste die Richterin zusammen.

Werde die stationäre Therapie jedoch erfolgreich abgeschlossen, sei es durchaus denkbar, den Vollzug der Reststrafe zur Bewährung auszusetzen, motivierte Schillik abschließend.

PK


Andreas Müller