Draghis Trippelschritt

Kommentar

26.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:18 Uhr

Immer langsam voran, und das auch nur in Trippelschritten. Die Europäische Zentralbank geht bei ihrem gestern begonnenen Ausstieg aus der ultraleichten Geldpolitik mit äußerster Vorsicht zu Werke. Das ist auch gut so, denn ein abrupter Stopp ihrer Anleihekäufe oder gar eine Anhebung der Leitzinsen hätte mit Sicherheit gewaltige Verwerfungen an den Finanzmärkten zur Folge mit unabsehbaren Folgen für private Geldanleger oder öffentliche Haushalte.

Ein klein wenig mehr Wagemut hätte Zentralbankchef Mario Draghi gleichwohl gut angestanden - zumal der Leitzins bei null Prozent gehalten wird. Die Wirtschaft in der Euro-Zone kommt immer besser auf Touren, die Arbeitslosenzahlen sinken und die Inflation nähert sich - wenn auch nur im Schneckentempo - der Zielmarke von knapp unter zwei Prozent. Nun die monatlichen Anleihekäufe auf 30 Milliarden Euro zu halbieren, gleichzeitig aber das ganze Programm um neun Monate zu verlängern und gleich hinterher zu schicken, man könne notfalls auch alles wieder zurückdrehen - das gleicht schon dem Prinzip der Echternacher Springprozession: zwei Schritte vor, einer (oder eben auch zwei) zurück.

Wir lernen daraus: Die Euro-Währungshüter trauen der konjunkturellen Erholung noch nicht die für mutigere geldpolitische Operationen nötige Nachhaltigkeit zu. Was wiederum verständlich ist angesichts eines protektionistisch irrlichternden US-Präsidenten, anhaltender geopolitischer Krisen oder nach wie vor maroder Banken und immenser Staatsschulden.

Mit der nur mäßig eingedämmten Geldschwemme bleibt allerdings auch die Gefahr bestehen, dass der Reformdruck auf hoch verschuldete Euro-Staaten eher gering bleibt, die Verschuldung eher zu- als abnimmt und sich etwa an den Vermögensmärkten immer größere Blasen bilden - und die pflegen irgendwann zu platzen. Die Banken müssen sich auf weiterhin magere Jahre einstellen, obwohl die Folgen ohnedies der Kunde zu schultern hat. Und so sieht dieser seine Ersparnisse und Altersvorsorge im Schraubstock von Mini- oder gar Strafzinsen einerseits und anziehender Inflation andererseits immer mehr schwinden. Bleibt die bittere Erkenntnis: Bei Draghis sicherlich notwendiger geldpolitischer Gratwanderung beißen den Letzten - also Otto Normalverbraucher - noch längere Zeit die Hunde. Bei einem Crash des Euro-Systems wären er und sein Erspartes aber wohl gleich ganz aufgefressen worden.