Abensberg
Doppeltes Gewitter

16.07.2019 | Stand 02.12.2020, 13:29 Uhr
Max Herre mit Joy Denalane auf Burg Abenberg. Juli 2019 −Foto: Hecker, Anna

Anna HeckerAbenberg (DK) Es geht wieder nach Athen. Max Herre steht auf der Bühne der Burg Abenberg. Er nimmt sein Publikum mit in die griechische Hauptstadt, aber nicht nur dorthin. Die Reise, die der Künstler in seinem musikalischen Programm beschreitet, ist ein Stück Vergangenheit, ein Stück Gegenwart und vielleicht auch ein Stück Zukunft.

Es ist ein beeindruckendes Konzert, alleine was den Himmel über der Open-Air-Bühne angeht. In immer kürzeren Abständen zucken Blitze nahe den Mauern der Burg und erhellen den nachtschwarzen Raum über den Köpfen der Zuschauer. Auch auf der Bühne gewittert es – Max Herre und seine Musiker brechen über den kleinen Ort herein und reißen das begeisterte Publikum mit ihrer Musik mit. Dabei sind es weniger laute, überbordende Melodien, es ist vielmehr der für Herre typische Stil, der begeistert: klar strukturierter Hip Hop, eingängige Rhythmen und Texte, die tief sind; wirklich tief. Da geht es um unsere Verantwortung, dass wir das Kapitel unserer Zeit selbst schreiben und entscheiden, was man in Zukunft über uns erzählen wird. Es geht um Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete und Menschen wie sie, die für andere ohne Papiere kämpfen – Herre widmet ihr das Lied „Sans papier“. Auch zwischen den Liedern streut der Künstler Kritik ein. Er wolle keine Welt mit hochgezogenen Grenzen, sagt er und hängt Namen an sein Statement: Söder, Seehofer.

Herres Lieder sind ernst, selten gibt es fröhliche Zeilen in seinen Texten. Auch „Athen“ nach dem sein im August erscheinendes Album benannt ist, kommt als eher unversöhnliches Lied daher. „Es ist alles gesagt (...) wofür soll‘n wir beide noch streiten? (...) Wir kommen nie bis Athen“, rappt Herre mit voll Trauer beladener Stimme. Das Programm in der Burgkulisse beinhaltet sogar eine Weltpremiere. Herre kündigt „7 Sekunden“ an. „Das hört ihr hier zum ersten Mal live“, verrät der Künstler.

Unterstützt wird Max Herre von kraftvollen Stimmen. Nicht nur seine Backgroundsängerin bringt Tiefe in die Lieder, plötzlich steht auch Joy Denalane auf der Bühne. Die Berlinerin singt mit dem Herz auf der Zunge und wird für ihren Auftritt vom Publikum gebührend gefeiert. „Schön, dass du wieder da bist. Wir ham uns lang nicht mehr gesehen“, trägt sie aus „1ste Liebe“ vor und das zustimmende Echo schallt ihr vielfach aus dem Publikum zurück. Wie die Blitze am Himmel, entlädt sich auch Herres Energie zunehmend im Lauf des Abends – egal ob beim intensiven Sprechgesang oder am nostalgischen Piano, das in der Mitte der Bühne wie ein Stück Vergangenheit wirkt.

Alles in allem zeigt sich Herre emotional, kritisch – so wie man ihn in den letzten 20 Jahren kennen gelernt hat. Herres neues Album ist anders und doch gleich. Seinen Grundtenor hat der Künstler beibehalten, seit „Hallo Welt!“, seinem 2012 erschienenem Album, lässt er sich von zeitgenössischen Entwicklungen inspirieren. So verwundert die verpackte Kritik, die auch in den neuen Lieder steckt, kaum – sie war vielmehr zu erwarten.