Dokumentar-Theater

23.10.2009 | Stand 03.12.2020, 4:33 Uhr

München (DK) Seit 1962 findet alle zwei Jahre in der bayerischen Landeshauptstadt unter enormem Polizeischutz die Sicherheitskonferenz statt. Unter der Leitung des Helmut-Kohl-Adlatus Horst Teltschik kamen die Chefs zunächst der Nato-Staaten und nach dem Ende des Kalten Krieges auch die des ehemaligen Warschauer Paktes zusammen.

Über neue Kriegsstrategien und Möglichkeiten der Abrüstung sowie gangbare Wege zur friedlichen Lösung von Konflikten in den Krisengebieten der Welt sollte zwischen den Beteiligten diskutiert und verhandelt werden.

Stefan Kaegi (Jahrgang 1972) und seine Mannen vom Schweizer "Rimini Protokoll" ließen einzelne Stationen all der Höhe- und Tiefpunkte dieser "Sicherheitskonferenz" als Uraufführungs-Politspektakel in den Münchner Kammerspielen wieder aufleben. Originalgetreu wurde hierfür der Festsaal des Tagungsortes Hotel Bayerischer Hof mit seinem blauen Sternchenteppich, den neobarocken Balustraden, dem opulenten Blumenschmuck in der Mitte des Raumes und dem alles dominierenden Kristalllüster nachgebaut (Bühnenbild: Eva-Maria Bauer).

Modernes Dokumentartheater, "Reality-Theatre" geheißen, will dieses Stück voll authentischer Szenen und Begebenheiten sein, weshalb die vier Ensemble-Mitglieder der Kammerspiele nebst fünf Zeitzeugen als Laienschauspieler in die Rollen einiger Teilnehmer dieser ebenso hochkarätig besetzten wie obskuren Sicherheitskonferenz schlüpften: Jochen Noch verkörpert brillant einen coolen Waffenlobbyisten, der von stets steigenden Zuwachsraten bei der Panzer- und Raketenproduktion für die Länder der Dritten Welt schwärmt, während Caroline Ebner von den Einsätzen einer Sanitätsoffizierin und ihrem keineswegs honorierten "Dienst am Vaterland" berichtet. Und dazwischen zeigt Amran Abdilahi Ahmet ihr in der Kindheit durch den Bürgerkrieg in Somalia verpfuschtes Leben ebenso erschütternd auf wie Sidigullah Fadai, der Iman der afghanischen Gemeinde in München, höchst eindrucksvoll hier schildert, warum die untereinander zerstrittenen Stammesältesten und die Familienclans, die ethnischen Gruppen und Religionsführer in Zusammenarbeit mit oder im Kampf gegen die Taliban keinen Frieden herbeiführen können.

Da ist es dann bei diesen wenig dramatischen Dokumentarszenen geradezu erfrischend, wenn Klaus Wintermayr als Technikfreak den gekrönten und ungekrönten "Friedensfürsten" aus aller Welt seine aberwitzigsten – und doch sehr realen – Erfindungen zum Kauf anbietet: von Robotern ferngesteuerte Unterwasser-Abwehrraketen und solarbetriebene, jedes Hindernis überwindende Mini-Spähpanzer.

Zwei Stunden mit authentischen Texten reichlich gefülltes und mit satirischer Überhöhung aufgemotztes Politiker-Blabla, das nicht nur zum Schmunzeln, sondern auch ganz gewaltig zum Nachdenken über Wahrheit und Lügen der Volksvertreter in unserer Mediengesellschaft anregt. Freundlicher Applaus des Premierenpublikums.

Weitere Aufführungen am 26. und 27. Oktober sowie am 3., 7., 12., 18. und 28. November; Kartentelefon: (0 89) 23 39 66 00.