Eichstätt
"Dö grüabinger Altmühler"

Eichstätter Trachtenverein seit 100 Jahren Bewahrer von Brauchtum und Sitte

20.05.2021 | Stand 24.05.2021, 3:33 Uhr
Zu den frühen Mitgliedern des Eichstätter Trachtenvereins gehörten (von links) Kanditus Gerstbrein, Bernhard Göttl, Rudolf Wagner und Hans Buchberger, die sich in Schuhplattlerposition fotografieren ließen. −Foto: Trachtenverein

Eichstätt - Wenn die Trachtler in malerischen Gewändern mit etwa 30 Fahnen von der Sebastigass' betend zur Frauenbergkapelle ziehen, strahlt das ein Gefühl von Heimat, Geborgenheit und Gottvertrauen aus.

Dieses Bild vor der Kulisse der Stadt ist traumhaft. Genau am heutigen Tag vor 100 Jahren haben Frauen und Männer den "Gebirgs- und Volkstrachtenverein D' Altmühler Eichstätt" gegründet und seitdem das Vereinsleben überaus lebendig gestaltet.

Schon die Gründung ist bemerkenswert. Beim Bau des Kraftwerks an Walchensee und Kochelsee (1918 bis 1924) haben Eichstätter dort Arbeit und Brot gefunden und dabei die Schönheit des "G'wands" der Gebirgler und deren Bräuche kennen und schätzen gelernt. Wieder in der Heimat beschlossen sie: "So 'was woll'n ma a". Seitdem schlüpfen sie gern in Lederhose und Dirndl, sie tanzen und schuhplatteln, singen und musizieren, stellen die von Hans Wolf und später von Hans Eichiner mit dem Haflingergespann aus dem Hirschpark geholten Fichten als Maibäume auf und erzählen Geschichten. Sie bauten das stattliche Vereinsheim, das Wirtshaus "Zum Frauenberg".

Was nicht übersehen werden darf: Seit 1984 pflegen sie auch die uralte Altmühltaler Tracht mit der ledernen Röhrlhose, dem schwarzen Mantel mit Silberknöpfen, den hohen Schaftstiefeln und den eher dunklen Frauenkleidern. Dies alles erinnert an die Holledauer und Dachauer Tracht und ist im Donaugau durchaus üblich. Die Eichstätter machten 1925 bei der Gründung des Donaugaus von Anfang an mit.

Walchenseer Trachtlerwaren das Vorbild

Die Eichstätter "Gastarbeiter" waren vom Auftreten der Gebirgler so begeistert, dass sie sogar bei der Gründung des Trachtenvereins Urfeld am Walchensee mitmachten. Xaver Gerstbrein, Kanditus Gerstbrein und Bernhard Göttl waren dann auch, wieder im Altmühltal zurück, die Paten des örtlichen Brauchtumsvereins. Zuerst nannten sie sich "Tischgesellschaft Edelweiß"; ihr Stammlokal war "Zum Weißen Ross" im Buchtal. Das Anliegen war "Pflege von Sitte und Tracht". Den "drei Urfeldern" schlossen sich immer mehr Leute an, unter anderem Leo König, Karl Netter, Heinrich Hofbeck, Rudolf Wagner, Hans Buchberger und Josef Hüttinger. Frauen gefiel das Gewand der Gebirglerinnen, also die Miesbacher Tracht, überaus gut. Die ersten, die sich anschlossen, waren Maria Niederhöfer, Mina Lang und Anna Boegl. In der Chronik des Vereins, einer "mordsdicken", in Leder gebundenen, handgeschriebenen "Schwarte", heißt es aber auch, dass mancher Eichstätter anfangs weniger Begeisterung für die Trachtenidee spüren ließ.

Unter den Kraftwerkbauern war auch der Maurer Matthäus Geiger aus der Pfahlstraße, dessen Tochter Resl Herrler vor Jahren über die Anfänge des Trachtenvereins erzählte. Danach brachten die Männer nicht nur die Lieder und Tänze, wie etwa das Schuhplatteln, mit, sondern auch reich bestickte Lederhosen, "die sie mit Stolz trugen".

Tischgesellschaft wurdezum Trachtenverein

Am 21. Mai 1921 bekam die Brauchtumsbewegung einen offiziellen Anstrich: Aus der schlichten Tischgesellschaft wurde der Trachtenverein "Dö grüabinger Altmühler Eichstätt", dem heute rund 630 Mitglieder angehören. Zum ersten Vorsitzenden wählten die Gründer Leo König. Die Leute an der Spitze krempelten die Ärmel hoch und meisterten viele Probleme; es fehlte halt an Geld. Zunächst gab es keine vereinseigenen Musiker, so dass zu den Proben honorarpflichtig ein Musikant bestellt werden musste. Zum Warmmachen im Vereinslokal "Georg Dietrich", später Löwenbräustube, in der Plenaglgasse (heute Pedettistraße) brachte jeder Gast ein paar Holzscheitl mit. Jahrelang waren das Gasthaus Schöpfel an der Westenkreuzung und der "Stadtkeller" die Trachtlerheimat.

Preis-Schuhplattln und gutes Benehmen

Die Leute hatten so einen Elan und waren derart von ihrer Idee überzeugt, dass sie bereits 1922 eine eigene Musikkapelle auf die Beine gestellt hatten und 1923 schon im Vereinslokal ein Preis-Schuhplattln veranstalten konnten. Jetzt gewann der Verein bei der Bevölkerung immer mehr an Ansehen und Rückhalt, insbesondere nach der Aufführung einer großen Bauernhochzeit nach alter Sitte und überliefertem Brauch im Jahr 1925. Bald wurde eine Jugendgruppe angegliedert. Überhaupt ist die Jugendarbeit sehr bedeutsam. Zum Beispiel konnte Jugendleiterin Annegret Gerstmann für das Jahr 1984 von einer hohen Zahl an Proben berichten. Auch das gibt es beim Trachtenverein: Im August 2004 hat Jugendleiterin Edith Rixner nicht nur über die Heimatgeschichte gesprochen, sondern auch "gutes Benehmen" auf den Lehrplan gestellt.

Ende der 1920er-Jahre waren Krisenzeiten, das Vereinsleben wurde auf Sparflamme gesetzt. Die Brauchtumswahrer ließen sich aber nicht entmutigen. Es gab einen Neuanfang, sie spielten Theater und schon 1935 stieg eine Fahnenweihe mit einem Festzug und einem Heimattag unter Leitung von Vorsitzendem Xaver Gerstbrein. Der Mitbegründer und immens fleißige Vorsitzende ist 1937 tödlich verunglückt. An seine Stelle wurde Ludwig Osterhuber gewählt. Der Zweite Weltkrieg von 1939 bis 1945 und die schwere Nachkriegszeit brachten eine Zwangspause, aber schon 1946 scharte Hans Strobl wieder Trachtenfreunde um sich.

Haarerlass

Ab 1949 lenkte der aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrte Xaver Strobl für Jahrzehnte die Geschicke sehr erfolgreich; er war bei der Generalversammlung 1971 von Sepp Hardt abgelöst worden. Zu Beginn der 1960er-Jahre hatten sich schon rund 400 Kinder, Frauen und Männer in die Mitgliederliste eingeschrieben. Auch das gab es beim Trachtenverein, einen "Haarerlass". Es war im November 1972, als die Generalversammlung beschloss, dass bei den Burschen die Haare am Hemdkragen aufhören müssen und die jungen Frauen ihre Lockenpracht mit einer Spange zusammenhalten sollen.

Noch ein paar Sätze zum Theaterspielen in Eichstätt. In der Zeit ohne Fernsehen hatten die Spielabende unter anderem der Kolpingbühne, der Franziskanischen Werkjugend und eben des Trachtenvereins großen Zulauf. So probten die Trachtler etwa das Bauernspiel "Christine Burgstaller" (1946) und "Der weibscheue Hof" (1957) ein.

Fußball-WM und "Gorch Fock"

Ein Thema, das mit den Gleichgesinnten vom Walchensee zusammenhängt, ist das Schuhplatteln. Dieser schneidige, aber auch schwere Tanz wurde schon von Beginn an im Altmühltal ausprobiert. Zu einem Preisplattln 1948 hatten sich 17 Buben und 14 Mädchen gemeldet. Die Domstädter müssen schon ganz gut sein, sie waren etwa zum Schuhplatteln bei der Eröffnungsfeier der Fußballweltmeisterschaft 2006 eingeladen. 30 Jahre zuvor unternahmen sie eine Tournee gen Norden und tanzten den Matrosen auf dem Segelschulschiff "Gorch Fock" ein paar Schuhplattler vor. Im Jahr 2001 marschierten die "Altmühler" zusammen mit den Gungoldingern im Oktoberfestzug in München mit. Dabei spielten sie ihren "Stoabrecher", einen Tanz, der ein Jahr zuvor einstudiert worden war. Andere beliebte Tänze sind der "Drei-Steyrer", "Das Deandl mit 'm roten Mieder" und der "Sterntanz".

Bau des Vereinsheims

Ein Markstein in der lokalen Geschichte ist die Errichtung des Trachtenheims "Zum Frauenberg" an der Parkhausstraße auf halber Bergeshöhe. Bei sehr viel Eigenarbeit konnte nach zwei Jahren Bauzeit am 18. Mai 1974 die Einweihung gefeiert werden. Nach einigen Jahren kam ein stattlicher Anbau dazu. In dem wohlgelungenen Trachtenheim gab es etwa den Rentnerstammtisch und die Musizierstunden. Ein Spaß waren auch immer die Bockbierfeste mit Bruder Barnabas alias Konrad Held, der mahnte, "das Maßhalten mit Maß zu treiben".

Bei vielen Festen und Feiern in Stadt und Land sind die Frauen und Männer in Tracht ein gern gesehener Farbtupfer. Sie wurden auch bei ihren vielen Fahrten und "Reisen in die weite Welt" bestaunt. Dazu zählt etwa die Tour zur Eichstätter Patenstadt Bolca in Italien im September 1975.

Die Bauernmonturaus dem Altmühltal

Dick unterstrichen in der Vereinschronik ist die Vorstellung der alten Bauernmontur am 14. Mai 1984. Damit pflegt der Verein auch die bodenständige Eichstätter Tracht mit der engen schwarzen Lederhose, Rohrstiefeln und dem schwarzen Gehrock, geschmückt mit 24 Silbertalern. Das Kleid der Frauen ist knöchellang, zum "Deandl-Kleid" gehören die Schürze und eine Riegelhaube.
Wie der damalige Vorsitzende Sepp Hardt bei der Premiere weiter sagte, seien noch zwei Männerausstattungen aus alter Zeit als Muster vorhanden gewesen. Sieben Paare konnten sich 1984 bereits "altmühltalerisch" präsentieren. Nach Hardts Worten wurde viel in Archiven geforscht, in Bauerntruhen gekramt und die Votivtafeln in Sankt Walburg begutachtet, "um herauszufinden, was einst hierzulande Mode war". Der Historische Verein verwahrt auch Altmühltaler Trachten, "überwiegend Frauenkleidung und Spitzenunterwäsche konservatorisch fachgerecht", wie Vorsitzender Albert J. Günther berichtete. Dazu gehören auch Riegelhauben, unter denen der Haarschopf der Frauen "versteckt" wurde, sowie Schmuck und eine stattliche Kollektion von Knöpfen.

Im Oktober 1992 trat Sepp Hardt das Amt des Vorsitzenden vom Donaugau-Trachtenverband mit 30 Mitgliedsvereinen an; die Verantwortung in Eichstätt hatte er 1986 an Anton Strobl abgegeben.

Die Trachtler-Wallfahrtgibt es seit 1964

Ein großes Kapitel und Zugnummern sind die alljährlichen Wallfahrten der Vereine des Donaugaus zur Frauenbergkapelle. Zum ersten Mal kamen an einem Sonntag im Juli 1964 über 800 Frauen, Männer und Kinder in Tracht und mit den kostbaren Vereinsfahnen nach Eichstätt. Damit war die Weihe eines Gedenksteins für die verstorbenen Mitglieder verbunden. Der 38 Zentner schwere Stein wurde vom Blumenberger "Steinbaron" Hans Neumeyer gestiftet, die Gestaltung lag in Händen von Steinmetzmeister Günter Lang. Vorstand des Donaugaus war damals Hans Strobl, der am Nachmittag für einen "Hoagartn" beim Stadtkeller mit einem bunten Programm sorgte, mit dem Glockenspiel der "Waldbauern Gungolding", mit Volkstänzen und Schuhplattlern.

Seit dem Jahr 1964 ziehen die Trachtler an einem Maisonntag den Berg hinauf zur Wallfahrt. Sie kommen aus dem großen Gebiet von Berching bis Thierhaupten und Aichach sowie von Konstein bis Kelheim und Mainburg. Seit vielen Jahren feiert der ehemalige Dompfarrer und Caritasdirektor Franz Mattes den Gottesdienst vor der Kapelle und erfreut damit die Pilger, wenn er die Kinder - auch schon zünftig in Dirndl und Lederhosen - in seine Predigt einbezieht. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr konnten die Wallfahrer wegen der Corona-Pandemie nur in kleinem Rahmen einen Dankgottesdienst feiern. Geplant ist zum 100-jährigen Bestehen am 6. November 2021 ein Festabend im Alten Stadttheater.

Altmühltaler undMiesbacher Tracht

Trachtenfeste des Donaugaus waren in Eichstätt schon mehrmals gefeiert worden, zum Beispiel 1961 anlässlich des 40-jährigen Bestehens der "Altmühler". Das Programm war mit der "Bauernmesse" von Anette Thoma, dem Gesang des BBC, den Klängen der Aichacher Trachtenkapelle und dem "Andachtsjodler" sehr anspruchsvoll. Eine Ehrensache ist es für die Trachtler, in jedem Jahr an der Fronleichnamsprozession durch die Stadt mitzuziehen und mitzubeten. Dabei kann man sowohl die Altmühltaler Tracht als auch die Miesbacher Tracht bewundern. Zum 70-jährigen Bestehen wurde im Juli 1991 eine neue kunstvoll bestickte Fahne geweiht.

An dem alten Spruch "das Schuhplattln ist dem Hüpfen und Springen der Birkhahnen nachempfunden" ist wohl etwas dran. Jedenfalls müssen die Tänzerinnen und Tänzer wahrhaftig gelenkig sein, um da mitzukommen. In Eichstätt gibt es sehr viele, die es können und bei Wettbewerben im Land glänzen.

EK