Berlin
DJ Paul van Dyk will „Im Leben bleiben“

28.03.2019 | Stand 02.12.2020, 14:20 Uhr |
Paul van Dyk hat einen schweren Sturz nur knapp überlebt. − Foto: Soeren Stache

Zwischen weltweiten Auftritten und der Intensivstation lag für den gefeierten DJ nur eine ungesicherte Bühne. Doch Paul van Dyk kämpft sich zurück ins Leben.

Die Schmerzen sind Dauerzustand. „Das ist einfach den Folgen des Unfalls geschuldet.“ Dass Paul van Dyk diesen Satz überhaupt aussprechen kann, ist zwischen riesigem Glück und kleinem Wunder anzusiedeln.

Der Musikproduzent und international gefragte Trance-DJ aus Berlin entging bei einem schweren Sturz von der Bühne 2016 nur denkbar knapp dem Tod. „Es ist eine unglaubliche Geschichte“, sagt van Dyk - und zögert sogleich im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur: „Ich mag den Begriff Geschichte nicht, weil es meine Realität ist.“ Im Buch „Im Leben bleiben“ hat er nun den Unfall und den Genesungsprozess aufgearbeitet.

Das Loch im Bühnenboden war nur von schwarzem Stoff bedeckt, „ohne jede Markierung“. Van Dyk spielte beim Festival „A State of Trance“ im niederländischen Utrecht. Beim Gang über die Bühne stürzte er mehrere Meter tief. Schweres Schädel-Hirn-Trauma, Wirbelsäule an zwei Stellen angebrochen. Was van Dyk vielleicht das Leben gerettet hat: ein neurologisches Zentrum liegt direkt neben dem Veranstaltungsort. „Manchmal ist Leben oder Tod nur eine Frage von wenigen Minuten.“

Intensivstation, Koma. Die Ärzte sind zunächst pessimistisch. Doch van Dyk überlebt nicht nur, er kämpft. Rollstuhl, wieder atmen lernen, wieder reden lernen. „Was da passiert ist, ist grauenvoll und schlimm. Aber der Prozess danach ist geprägt von ganz, ganz viel Glück, Zufällen, Situationen, die ineinander gegriffen haben, die dazu geführt haben, dass es mich letztendlich noch gibt“, sagt van Dyk.

Hinzu kommt die emotionale Unterstützung, etwa die Hilfe seiner damaligen Freundin Margarita, mit der van Dyk inzwischen verheiratet ist. „Es war die Kraft der Liebe, einen Grund zu haben zu kämpfen, nicht aufzugeben“, schildert der Musiker. Wenn etwa der Schmerz alles dominiere, „alles nur noch schwarz ist, da braucht man diesen kleinen Lichtpunkt“.

Der über Jahrzehnte international gefragte DJ steht nur wenige Monate nach dem Unfall wieder auf der Bühne. „Es war sehr ambitioniert, keine Frage.“ Aber auf der psychologischen Ebene habe es ihm sehr geholfen, darauf hinzuarbeiten. „Viele harte Therapiephasen hätte ich vielleicht sonst nicht durchgehalten und mitgemacht, wenn ich nicht dieses Ziel gehabt hätte“, sagt van Dyk rückblickend.

Die Ärzte hätten das „mit Einschränkungen“ unterstützt. „Sie haben mich in einen schallisolierten Raum gesetzt und geschaut, wie ich auf laute Geräusche und Licht reagiere“, schildert van Dyk. Beim ersten Auftritt in Las Vegas stand ein medizinisches Team backstage.

Die Folgen des Unfalls werden ihn sein Leben lang begleiten. „Mein Kurzzeitgedächtnis ist in Mitleidenschaft gezogen“, sagt van Dyk. Jetzt sei es immer besser, wichtige Themen per E-Mail zu regeln. „Das brennt sich dann direkt auf die Festplatte ein, statt nur irgendwie verbal verarbeitet zu werden.“

Bis zu sechs Wochen im Jahr muss van Dyk ins Krankenhaus, etwa um Blutcluster an der Wirbelsäule ausspülen zu lassen. „Es geht darum zu lernen, mit der Situation umzugehen - und sich nicht unterkriegen zu lassen“, schildert der Musiker. Auch die logopädische Behandlung wird andauern. Mitunter verdreht er Wörter. Wenn Energie oder Konzentration abnehmen, ist ein leicht lallender Ton zu vernehmen. „Viel Kaffee hilft.“

Auch sein Leben auf der Bühne ist stark verändert: „Ich habe einfach wesentlich weniger Energie.“ Er könne nicht mehr vier oder fünf Shows pro Woche spielen und dabei zwei, drei Stunden auf der Bühne stehen. Weniger Sets und die kürzer. „Wenn ich auf die Bühne gehe, dann will ich auch die hundert Prozent geben, zu denen ich in der Lage bin.“

Eins noch, nicht wirklich wichtig: Die Aussprache des Namens, europäisches „Diek“/„Dük“ vs. internationales „Deik“. Der als Matthias Paul in Eisenhüttenstadt geborene Musiker fand seinen Namen „irgendwie nicht so prickelnd, auch dann nicht, wenn man ein fettes DJ davor schreibt“. Seinem damaligen Hang zu Musik aus Belgien entstammt das Paul van Dyk, gesprochen mit „ü“. Der internationale Erfolg machte „ei“ daraus. Van Dyk: „Im Grunde ist es egal.“

Paul van Dyk, „Im Leben bleiben“, 200 Seiten, Benevento Verlag, 20 Euro, ISBN-13 9783710900310

Paul van Dyk: Im Leben bleiben

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