Dissertation über Reichserbhofgesetz

15.10.2007 | Stand 03.12.2020, 6:25 Uhr

Gerhard Schober, Jahrgang 1971, hat seine Wurzeln in der ländlichen Bevölkerung. Daher lag ihm das Thema seiner Dissertation sehr am Herzen.

Pfaffenhofen (em) Dass heute auch bei der bäuerlichen Bevölkerung die gesetzliche Erbfolge gilt, wenn kein Testament vorliegt, ist selbstverständlich. Ebenso, dass die Bauern ihren Boden verkaufen können, wenn sie es wollen. Beides war jedoch nicht immer so.

Im so genannten Dritten Reich sah das damalige "Reichserbhofgesetz" zum Beispiel nicht vor, dass die Frau eines Bauern erben konnte.

Ebenso war den Hofbesitzern der Verkauf ihrer landwirtschaftlichen Flächen nur nach Genehmigung durch so genannte Anerbengerichte möglich, die Verfügungsgewalt war also eingeschränkt Dieses Reichserbhofgesetzt ist heute weithin unbekannt. In seiner Doktorarbeit hat Gerhard Schober aus Langenbruck die Geschichte dieses "Reichserbhofgesetzes" nachgezeichnet. Die Arbeit unter dem Titel "Die Anwendung des Reichserbhofgesetzes" ist erschienen im Martin Meldenbauer Verlag.

Im Gespräch mit dem PK erläuterte Schober einige Hintergründe seiner Dissertation. Unter allen agrarpolitischen Maßnahmen des NS-Staates gelte das Reichserbhofgesetz als das am stärksten ideologisch geprägte, weil die Nationalsozialisten dadurch eine Steigerung der "eigenen Rassenqualität" mit erreichen wollten. Für diese Aufgabe schien den NS-Ideologen der geburtenstarke Bauernstand prädestiniert, denn "die Bevölkerung auf dem Land ist. . . durchweg gesünder, kräftiger und noch kaum durch artfremdes Blut verdorben."

Zur Umsetzung dieses Vorhabens sollten die nordisch-germanischen Bauern auf so genannten Erbhöfen "erbgesunden" Nachwuchs aus ihrem "noch unbefleckten Erbgut" hervorbringen, um ihn an die übrige Bevölkerung abzugeben und so der angestrebten "Wiedergeburt" des deutschen Volkes Schritt für Schritt näher zu kommen. Bereits Ende September 1933 wurde das Reichserbhofgesetz (REG) verabschiedet. Die Verfügungsgewalt über Grund und Boden wurde durch dieses Gesetz eingeschränkt – die Bauern mussten Bauern bleiben, um weiterhin den "erbgesunden Nachwuchs" in die Welt zu setzen.

Um so interessanter ist es, wie die betroffenen Bauern mit der neuartigen Regelung umgingen: Folgten sie den ideologisch bedingten Vorgaben oder ließen sie sich von anderen Motiven leiten? In dem Buch wird die Handhabung des Reichserbhofgesetzes am Beispiel des Amtsgerichtsbezirkes Pfaffenhofen mit seinerzeit 39 Gemeinden im heutigen südlichen Teil des Landkreises Pfaffenhofen dargestellt. Den Schwerpunkt bildet hierbei die Auswertung der Gerichtsverfahren vor dem lokalen "Anerbengericht", das beim Amtsgericht angesiedelt war.

Insbesondere wird die Frage untersucht, wie im Konfliktfall die Erbhofeigenschaft, die Bodenmobilität, die Vererbung, das Belastungsverbot und etwaige Sanktionen gegenüber "uneinsichtigen" Bauern von den örtlichen Richtern entschieden worden sind.

Im Ergebnis zeichnet sich die Gerichtspraxis im ehemaligen Amtsgerichtsbezirk Pfaffenhofen/Ilm durch eine großzügige Auslegung des Gesetzes aus.

Nicht die Durchsetzung ideologischer Postulate habe demnach für die handelnden Personen im Mittelpunkt gestanden, sondern die Frage nach dem wirtschaftlichen Nutzen für den jeweils betroffenen Erbhof. Daneben sollte, so weit es ging, auf die übrigen Bedürfnisse der Bauern Rücksicht genommen werden. Die Verlierer waren daher in erster Linie die Altenteiler und weichenden Erben, die häufig zur Sanierung (beziehungsweise Ertragssteigerung) der Erbhöfe auf bisher übliche Leistungen verzichten mussten.