Großmehring - Milch, Eier, Käse, Joghurt, Toastbrot - bei einem vollen Kühlschrank und einer großen Speisekammer kann man schnell den Überblick über seine Vorräte verlieren.
Und schon ist es geschehen: Die Packung mit der Lieblingswurst ist in die hinterste Ecke des Kühlschranks gerutscht und wenn man sie wiederfindet, hat sich unter der Folie schon ein grüner Flaum gebildet. Die Wurst ist verdorben und muss weggeworfen werden. Damit das nicht mehr passiert, hat Matthias Schmid aus Großmehring (Kreis Eichstätt) die Speisekammer-App programmiert.
Eigentlich arbeitet der Informatiker bei Audi in der Technischen Entwicklung und beschäftigt sich mit Assistenzsystemen für Fahrzeuge. In seiner Freizeit hat der Familienvater im Januar 2013 begonnen, die Speisekammer-App zu entwickeln. Sie hilft, zu Hause den Überblick über die Lebensmittelvorräte zu behalten. Schmid erklärt: Öffnet man die App, gibt es einen Barcode-Scanner, "wie im Supermarkt". Mit dem Handy muss nur der Strichcode gescannt und anschließend das Haltbarkeitsdatum eingetippt werden. Die App erinnert einen dann, wenn die eingegebenen Lebensmittel ablaufen.
Aber wie erkennt die App allein am Barcode das Produkt? Hierfür nutzt Matthias Schmid die Datenbank von OpenFoodFacts.org. Das ist ein französisches Open-Source-Projekt, bei dem Nutzer weltweit Produkte eintragen können und von den Produktangaben anderer Nutzer profitieren. Weltweit sind auf diese Weise bereits 1,2 Millionen Nahrungsmittel erfasst worden. In der Datenbank ist aber nicht nur der Strichcode hinterlegt, sondern auch die Inhalts- und Nährstoffe. Und das macht sich die Speisekammer-App zunutze.
Aus den eingetragenen Lebensmitteln errechnet die App den Nährwert der im Haushalt gelagerten Vorräte. Schmid erklärt,, wie das funktioniert: "Man kann angeben, wie viele Personen im Haushalt leben und wie groß und wie schwer sie sind. " Die App berechnet dann den täglichen Kalorienbedarf der Bewohner und gibt eine Prognose ab: "So viele Tage würden die Lebensmittel und Getränke zu Hause reichen. " Diese Funktion hat die Nutzerzahlen der Speisekammer-App in den vergangenen Wochen nach oben schnellen lassen. Aktuell stellen sich wegen der Corona-Pandemie wohl viele Menschen die Frage: Wie lange reichen meine Vorräte zu Hause, wenn ich nicht mehr raus darf?
Besucherzahlen verzehnfacht
Die Besucherzahlen auf Schmids Webseite Speisekammer-App. de haben sich im März verglichen zum Januar verzehnfacht. Schmid sagt: "Die Leute scheinen Angst zu haben. " Das spiegelt sich auch in den Nutzeranfragen wider. Obwohl mit der App des Informatikers nur Nahrungsmittel erfasst werden können, habe ein Nutzer ihn gefragt, ob es nicht möglich wäre, auch Klopapier in die Vorratsliste aufzunehmen und die genaue Zahl der Rollen zu erfassen.
Tatsächlich hat Matthias Schmid seine App seit 2013 immer wieder überarbeitet. So programmierte er anfänglich die App nur für das iOS-Betriebssystem von Apple, seit vergangenem Jahr gibt es aber auch eine Web-App, die über einen Browser unabhängig vom jeweiligen Betriebssystem genutzt werden kann. Die Web-App ermöglicht es auch, die Vorratsliste mit Familienmitgliedern oder Mitbewohnern zu teilen. Zudem werden die Daten auf allen verknüpften Geräten in Echtzeit synchronisiert, sobald ein Bewohner des Haushalts die Vorräte aktualisiert.
Der Großmehringer hat noch viele weitere Ideen für Funktionen, die er in seiner Speisekammer-App gerne umsetzen würde. Zum Beispiel möchte er seine App mit einer Art "Medizinschrank-Funktion" erweitern. Denn auch Medikamente haben ein Haltbarkeitsdatum und sollten, wenn sie abgelaufen sind, nicht mehr verwendet werden. Allerdings ist Schmid hier auf ein Problem gestoßen: "Arzneimittel haben einen anderen Barcode als Lebensmittel. " Zusätzlich zum Medizinschrank überlegt der Informatiker auch eine Funktion anzubieten, mit der die Vorräte von Hygieneartikeln erfasst werden können.
Potenzial für Erweiterungen
Auch bei den Lebensmitteln sieht Matthias Schmid noch "großes Potenzial für Erweiterungen". Der Informatiker denkt hier zum Beispiel an die Internetseite Restgourmet.de. Dort gibt es Rezepttipps mit Lebensmitteln, die aufgebraucht werden müssen. Seine Idee: Die Speisekammer-App soll in Zukunft nicht nur sagen: Achtung diese Lebensmittel laufen ab, sondern auch gleich Kochvorschläge anzeigen. "Das ist gar nicht schwierig umzusetzen, es braucht nur Zeit. "
Eine weitere Überlegung des Programmierers ist die "intelligente Einkaufsliste". Der Nutzer könnte dann zum Beispiel angeben: "Ich möchte immer einen Mindestvorrat von zwei Kilogramm Mehl, ein Kilo Zucker und drei Liter Milch zu Hause haben. " Und sobald die Vorräte von bestimmten Produkten die Mindestgrenze unterschreiten, setzt die App die Lebensmittel automatisch auf eine digitale Einkaufsliste.
Bei der Verwirklichung seiner Ideen unterstützt Matthias Schmid seine Frau Swetlana. Sie hat unter anderem das Logo und das Design der App entwickelt. Außerdem hat sich vor wenigen Tagen ein Nutzer aus Bochum gemeldet. Er hat einen Fehler gefunden und Schmid angeboten, beim Weiterentwickeln der App zu helfen, denn auch er ist Informatiker. "Das hat mich riesig gefreut", sagt der Großmehringer.
Aktuell kann die Speisekammer-Web-App kostenlos genutzt werden. Schmid überlegt allerdings einen monatlichen Nutzerbeitrag einzuführen. Eine andere Möglichkeit wäre, die Grundfunktionen weiterhin kostenlos anzubieten, Zusatzangebote aber nur gegen Bezahlung freizuschalten.
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