München
Dieser Schaffner kommt gut an

Zugbegleiter Michael Neumann arbeitet anders als viele seiner Kollegen gerne zur Wiesnzeit

16.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:48 Uhr

Auf geht’s zur Wiesn: Zugbegleiter Michael Neumann gibt am Ingolstädter Hauptbahnhof das Startsignal. Der 33-jährige Chemnitzer freut sich schon auf das Oktoberfest und lässt sich extra zu Schichten einteilen. In den nächsten zwei Wochen geht es in den Zügen hoch her - Foto: Hauser

München (DK) Wenn Michael Neumann im Zug ist, dann fährt die gute Laune mit. Auch oder erst recht jetzt zur Wiesnzeit, wenn für die Bahn der Ausnahmezustand herrscht. Der 33-jährige Zugbegleiter aus Chemnitz freut sich jedes Jahr aufs Oktoberfest und lässt sich extra für Schichten einteilen.

Das ist ein feiner Zug von ihm, finden seine Kollegen. Die sind froh, wenn einer freiwillig zur Wiesnzeit Dienst schiebt als Zugbegleiter. Ein hartes Schaffner-Los, wenn schon auf dem Hinweg nach München im rappelvollen Regionalexpress vorgeglüht wird und nachts die Bierleichen retour gehen. Dann macht er Durchsagen wie auf dem Karussell: „Letzte Runde, letztes Glück.“ Solche Sprüche haut er raus, wie die Blitze aus der Oberleitung zucken.

Nun muss man dem Mann von der DB Regio nur ins Gesicht schauen, und man weiß, wohin die Reise geht: zwei große blaue Augen, die immer lustig lachen oder zumindest freundlich schauen. Und zwei große gelbe Dinger, die in seinen Ohrläppchen stecken: grinsende Smileys. Die sind sein Markenzeichen. Der Chef hatte zunächst gewisse Bedenken. Aber als ein paar Chinesen kamen und freudig riefen: „Please, please, photo, photo!“, da war die Sache entschieden. Michael Neumann ist seitdem der Zubegleiter mit dem wohl ungewöhnlichsten Ohrschmuck der Welt. Ohne seine Smileys geht er nicht aus dem Haus.

Ebenso markant sind Neumanns Durchsagen, die Pendler und Vielfahrer auf seiner Stammstrecke zwischen München, Ingolstadt und Nürnberg längst kennen: Im schönsten Sächsisch rasen sie erst wie ein Schnellzug durch die Abteile, um dann in einem lustigen Singsang auszuklingen – des Schaffners Lied von Umsteigemöglichkeiten und Anschlusszügen. Wer kann grantig sein, wenn der Michi 35 Minuten Verspätung durchgibt mit der Bitte, den Ärger nicht am Personal auszulassen? Ältere Damen schieben ihm bei solchen Gelegenheiten gern mal einen Lutscher oder Lebkuchen zu.

So gut drauf war Neumann, der eigentlich Lkw-Fahrer werden wollte und privat lieber im Auto unterwegs ist als mit der Bahn, nicht immer. Früher, als er noch beim Sicherheitsdienst tätig war, hat auch er junge Burschen mal angeraunzt: „Füße runter!“ Heute hingegen sagt er mit unwiderstehlich guter Laune: „Du hast aber schicke Schuhe an. Die gehören trotzdem nicht auf den Sitz.“ Er lächelt verschmitzt: „Da mach’ ich ein Kompliment, kriege aber auch was dafür. Mit Freundlichkeit erreicht man einfach mehr.“

Das gilt erst recht zur Wiesnzeit, wenn es in vollen Zügen Richtung München hoch hergeht. „Ich liebe dieses Feeling, wenn die Leute sich aufs Oktoberfest freuen und alle in Tracht unterwegs sind – auch die kleinen Kinder.“ Die schließt Michi Neumann – selber Vater – sofort ins Herz: Gern verteilt er die lustigen Kinderfahrkarten, die kleine Fahrgäste dann mit der Schaffnerzange abknipsen dürfen.

Dass viele Wiesnfans schon auf der Hinfahrt feiern, Bier trinken, singen und schunkeln, nimmt der Schaffner gelassen: „Warum soll man im Zug nicht singen? Ich hab’ auch schon für Fußballfans Hymnen vom Handy abgespielt. Man muss einfach über manches hinwegsehen. Hauptsache, alle kommen heil und sicher an.“

Er selber war noch nie auf der Wiesn, obwohl die Lederhose stets griffbereit im Spint hängt. „Ich würd’ schon mal gern rüberbummeln und einen Broiler essen, aber nach der Arbeit brauch’ ich meine Ruhe. Vielleicht klappt’s ja nächstes Jahr.“