Leverkusen
"Diese fünf Jahre vergisst man nicht"

Der Ex-Ingolstädter Özcan über die Zeit beim FCI und sein Königsklassen-Debüt mit Leverkusen

15.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:54 Uhr

Leverkusen (DK) Die kleine Erkältung lässt Ramazan Özcan zwar etwas verschnupft klingen, seinen Humor hat der 32-Jährige deswegen aber noch nicht verloren. Auf die Frage nach seiner Gesundheit antwortet er mit einem Lachen in der Stimme: "Schreiben Sie, dass ich krank werde, weil ich so Angst vor dem Spiel gegen Ingolstadt habe." Die Wahrheit ist natürlich eine andere: Denn wenn er mit seinem neuen Verein Bayer Leverkusen am Sonntag (17.30 Uhr) den Ex-Klub FC Ingolstadt erwartet, "will ich selbstverständlich dabei sein". Noch etwas Schonung, sagt "Rambo", dann reicht die Zeit für die Genesung auf jeden Fall. Das Gespräch über seinen ersten Champions-League-Einsatz, die Erinnerungen an den FCI und seine seit der Kindheit bestehende Bewunderung für Bayer Leverkusen absolviert der zweite Keeper der Rheinländer dann aber bestens gelaunt.

 

Hallo Herr Özcan, es scheint, als habe es der Nikolaus gut mit Ihnen gemeint. Tags drauf hatten Sie jedenfalls Ihren ersten Champions-League-Einsatz.

Ramazan Özcan: Genau deshalb bin ich natürlich hier hingegangen. Leverkusen ist ein toller Klub, und ich habe als Kind schon davon geträumt, einmal Champions League zu spielen. Als ich dann die Hymne auf dem Platz gehört habe, bekam ich Gänsehaut.

 

. . . und dann folgte auch noch ein klares 3:0 gegen Gruppensieger AS Monaco.

Özcan: Ja, aber einfach war es nicht, nachdem beide Mannschaften ein wenig rotiert hatten. Es macht mich stolz, dass ich dabei war, vor allem wenn man sieht, dass in den vergangenen fünf Jahren, seit Bernd Leno da ist, der zweite Torwart noch nie eine Chance bekommen hat. Ich bin erst drei Monate hier und hatte nach dem DFB-Pokalspiel gegen Monaco schon meinen zweiten Einsatz.

 

Für das Achtelfinale wurde Bayer gerade Atlético Madrid zugelost. Rechnen Sie sich Chancen auf weitere Einsätze aus?

Özcan: Nein, nein. Ich bin die klare Nummer zwei, das ist die Regelung. Wir haben mit Leno eine sehr gute Nummer eins, einen Nationaltorwart. Sie kennen mich aus den vergangenen fünf Jahren aus Ingolstadt: Ich gebe auch so immer Gas, bin Wortführer in der Kabine und als jemand geholt worden, der die Jungs mitreißen soll. Kein Problem.

 

Die Umstellung vom Stammspieler zum Reservisten ist Ihnen also nicht schwergefallen?

Özcan: Ich wusste ja vorher, was auf mich zukommt. In den Gesprächen waren beide Seiten sehr ehrlich und offen. Wenn der Trainer mir noch den einen oder anderen Einsatz gibt, ist es okay, ansonsten mache ich aber auch so meinen Job. Für mich ging es darum, Teil eines großen Klubs zu werden, bei dem ich als Kind Spieler wie Berbatow oder Butt bewundert habe. Und auf einmal fragen die an, ob ich Lust habe zu kommen.

 

Sie mussten offenbar nicht lange überlegen.

Özcan: Ich habe hart gearbeitet dafür und auch in Ingolstadt immer Gas gegeben. In den fünf Jahren beim FCI gab es, glaube ich, nur einen Tag, an dem ich nicht an Fußball gedacht habe - und das war der Tag, an dem meine Tochter geboren wurde.

 

Wie schwer war der Wechsel von Oberbayern ins Rheinland? Sind Sie schon angekommen?

Özcan: Das war kein Problem. Der Verein ist sehr professionell geführt, zugleich gibt es hier aber auch eine Menge netter Menschen. Rudi Völler (der Sportchef des Klubs, Anmerk. d. Red.) hat mich zum Beispiel sehr herzlich empfangen, Ähnliches gilt von der Rezeptionistin bis hin zum Mannschaftsarzt. Entsprechend leicht war deshalb die Eingewöhnung.

 

Ihr Haus in Geisenfeld haben Sie aber noch behalten. Planen Sie nach Vertragsende 2019 möglicherweise eine Rückkehr nach Ingolstadt?

Özcan: Sagen wir so: Das Hintertürchen habe ich mir zumindest offen gehalten.

 

In der Königsklasse läuft es prima, in der Bundesliga blieb Bayer bislang jedoch hinter den Erwartungen zurück. Warum?

Özcan: Es sind vielleicht nicht immer gravierende, aber es gibt natürlich schon Gründe. Zum einen hatten wir Pech ohne Ende. Allein, wenn wir unsere Elfmeter getroffen hätten (in der Bundesliga hat Bayer bisher alle vier vergeben, Anmerk. d. Red.), hätten wir wahrscheinlich sechs Punkte mehr. Dann muss man einfach wissen, dass bei uns in einer Länderspielpause 19 Spieler weg sind. Im ersten Spiel danach haben wir uns immer wieder richtig schwergetan.

 

Andere Punkte sind die vielen Verletzten oder die Tatsache, dass Cheftrainer Roger Schmidt auch schon mal für zwei Bundesligaspiele auf die Tribüne musste. Inwieweit hat das eine Rolle gespielt?

Özcan: Das hat mit unserer Leistung nichts zu tun, zumal wir einen breiten Kader haben. Klar, dass uns mit Karim Bellarabi, Kevin Volland oder Lars Bender wichtige Spieler fehlen. Aber solche Dinge kommen im Fußball vor. Und dass der Trainer auch mal emotional ist und dann auf die Tribüne verbannt wird - es wäre ein Alibi, das als Erklärung zu nehmen.

 

Wie intensiv verfolgen Sie denn Ihren Ex-Klub FC Ingolstadt?

Özcan: Sehr intensiv. Ich bin noch mit vielen Jungs in Kontakt, schreibe oder telefoniere oft mit ihnen. Ein paarmal musste ich sie auch aufmuntern (lacht). Klar, sie bedeuten mir immer noch sehr viel, schließlich habe ich fünf Jahre Kopf und Kragen für sie riskiert.

 

Mit dem Sieg gegen Leipzig haben die Ingolstädter am vergangenen Wochenende die gesamte Liga überrascht. Müssen Sie mit Leverkusen nun Angst haben?

Özcan: Solche Geschichten schreibt nur der Fußball. Wenn du gegen deinen Ex-Trainer spielst (RB Leipzig wird vom ehemaligen Ingolstädter Ralph Hasenhüttl trainiert, Anmerk. d. Red.), dann setzt das noch mal Kräfte frei. Zugleich spricht es für die Qualität der FCI-Jungs, die gerade einen Lauf haben. Aber als Bayer Leverkusen kennen wir das und wissen ohnehin, dass in der Bundesliga jeder jeden schlagen kann.

 

Völler hat bis zur Winterpause vorgegeben, dass der Abstand zu den internationalen Plätzen unbedingt noch verringert werden muss. Was erwarten Sie für ein Spiel am Sonntag?

Özcan: Ich kenne den Ingolstädter Trainer nicht. Gegen Leipzig sah es so aus, als würden sie zeitweise hinten mit einer Fünferkette spielen. Da Leverkusen ohnehin meist die aktive Mannschaft ist, kann es also sein, dass wir anrennen und Ingolstadt hauptsächlich versucht, die Räume zu schließen. In jedem Fall weiß ich um die läuferische Qualität der Ingolstädter. Aber wir werden uns mit Bayer natürlich einen guten Schlachtplan zurechtlegen, um die drei Punkte hierzubehalten.

 

Und wie wird Ihr Wiedersehen mit den Ex-Kollegen verlaufen?

Özcan: Ausgemacht ist nichts, viel Zeit bleibt durch die englische Woche ja auch nicht. Aber natürlich werde ich nach dem Spiel mal in ihre Kabine rüberschauen, um ,Hallo' zu sagen. Die fünf gemeinsamen Jahre vergisst man schließlich nicht so schnell.

 

Das Gespräch führte

Norbert Roth.