Eichstätt
"Die Zeitungskrise ist real"

taz-Chefredakteurin Ines Pohl war Gast beim Journalistischen Kolloquium an der Uni

29.11.2013 | Stand 02.12.2020, 23:22 Uhr

„Die Revolution frisst ihre Väter“ – taz-Chefredakteurin Ines Pohl sprach über die Zukunft der Tageszeitungen. - Foto: Christian Klenk

Eichstätt (EK) Bei der Wintervortragsreihe der Eichstätter Journalistik war am vergangenen Mittwoch Ines Pohl, die Chefredakteurin der Tageszeitung „taz“, zu Gast. Ihr Vortrag und die anschließende Diskussion standen unter dem Thema „Seiltanz in der Krise – Die Zukunft der Tageszeitungen.“

„Die Zeitungskrise ist real“, begann Ines Pohl ihren Vortrag im ehemaligen Kapuzinerkloster. Die Tageszeitungen stünden in direkter Konkurrenz mit ihren Online-Produkten, die jedoch durch die Tageszeitungen finanziert werden müssten: „Die Revolution frisst ihre Väter.“ Dabei befänden sich die Zeitungen stets in der Grätsche zwischen Lesern, die es sich auch einmal gut gehen lassen wollen, und der Jagd nach dem Guten und Gerechten in der Welt. Tageszeitungen sollten sich immer auch als Plattformen anbieten. „Wir müssen den Lesern sagen: Wir bieten euch an, mit uns zu diskutieren“, forderte Pohl. So könnten wichtige Impulse in die Politik eingespeist werden. Zeitungen müssten „aufdecken, aufklären und die Mächtigen kontrollieren“.

„Die Zeitungen müssen die Fragen einer widersprüchlichen, globalisierten Welt beantworten und das noch möglichst zeitnah“, sagte Pohl. Ein Zukunftsmodell für Tageszeitungen sei dabei die „taz“ selbst: Sie ist die einzige deutsche Zeitung, die nicht in Privatbesitz ist, sondern als Genossenschaft durch die Einlagen ihrer 13 000 Genossen finanziert wird. Neue Projekte, zum Beispiel neue Stellen von Auslandskorrespondenten, werden teilweise durch „Crowdfunding“, also Fremdfinanzierung, übernommen. Dabei könnten die Leser selbst entscheiden, ob und wie sie ein Projekt mitfinanzieren möchten. So bliebe die „taz“ von der Abhängigkeit von Werbekunden verschont. Genau diese Abhängigkeit könne fatal für die journalistische Qualität einer Zeitung sein. „Man sollte Journalismus und Geldverdienen trennen.“

Seit 2009 ist Pohl Chefredakteurin der Berliner Tageszeitung. Dabei war sie nicht immer unumstritten: Zuletzt wurde die Zeitung für ein Interview mit Philipp Rösler kritisiert, bei dem nur die Fragen, nicht aber die Antworten des Politikers abgedruckt wurden. Dennoch ist Pohl sich sicher: „Die taz ist auch deswegen gut, weil sie an Grenzen geht.“ Das Wichtigste sei, dass die Tageszeitungen ihre Glaubwürdigkeit nicht durch eine schnelle Überschrift und Gewinnorientierung verspielten. Pohl forderte: „Man muss mutig bleiben und neue Dinge ausprobieren. Auch wenn’s vielleicht manchmal schiefgeht.“ Im Seiltanz in der Krise helfe nur „cool bleiben und sich kreativ ausprobieren“.

Der nächste Vortrag im Rahmen des Journalistischen Kolloquiums findet am Mittwoch, 11. Dezember, im ehemaligen Kapuzinerkloster statt. Ab 18.15 Uhr berichtet Frederik Obermaier, Redakteur für Außenpolitik und Investigative Recherche bei der Süddeutschen Zeitung, über „Investigative Recherche im Aufwind – Chancen, Anforderungen, Gefahren“.