Gaimersheim
Die Würze vom Wegesrand

Johanna Schneider aus Hitzhofen sucht und erklärt Kräuter in der Natur - Andrea Beck vom Böhmfelder Beckerwirt kocht damit

04.06.2019 | Stand 02.12.2020, 13:49 Uhr
Verkostung im Freien: Kräuterpädagogin Johanna Schneider (links) bietet den Teilnehmerinnen der Kräuterwanderung Vogelmiere an. −Foto: Schmidl

Gaimersheim/Böhmfeld (DK) "Was würden jetzt wohl unsere Männer sagen, wenn wir ihnen das auf den Tisch stellen würden?

", fragt die Gaimersheimer Ortsbäuerin Klara Fichtner eher rhetorisch, aber auch ein wenig skeptisch in die Runde. "Das ist ein Wildkräutersalat, bestehend unter anderem aus Spitzwegerich, Wildkerbel, Wilden Möhren und verschiedenen Blüten sowie eine Brennesselmousse in Grießnockerlform und stellt den ersten Gang des Abschlussmenüs nach einer knapp vierstündigen Wanderung auf dem Böhmfelder Kräuterweg dar.

Die Frage bleibt natürlich unbeantwortet. Den zwölf Frauen, die der Einladung des Bildungswerks des Bayerischen Bauernverbands (BBV) und von Organisatorin Fichtner gefolgt sind schmeckt es freilich vorzüglich. Und auch der Hauptgang und das Dessert, das Kräuterpädagogin und Köchin Andrea Beck im Böhmfelder Beckerwirt auf den Tisch gezaubert hat, finden die ungeteilte Zustimmung der auch mit viel neuem Wissen über Kräuter gefütterten Frauen.

Rückblende, vier Stunden zuvor: Andrea Beck gibt den Teilnehmerinnen der Wanderung vor dem Start noch drei Tipps mit auf den Weg: Sie sollten achtsam sein, Waldbaden und genießen. Und dann beginnt Kräuterpädagogin Johanna Schneider aus Hitzhofen am Startpunkt des 5,7 Kilometer langen Böhmfelder Kräuterwegs (es gibt auch eine nur 1,5 Kilometer lange Variante) aus ihrem unerschöpflichen Fundus an Wissen über Wildkräuter und dazugehöriger Geschichten zu erzählen.

Noch bevor die Gruppe die ersten Meter zurücklegt, zeigt Schneider direkt am Startpunkt auf Beinwell. Der helfe nicht nur etwa bei Prellungen, sondern sei auch "kulinarisch eine wunderbare Pflanze". Da Beinwell-Blätter relativ groß sind, seien sie gut zu füllen, etwa mit Hackfleisch oder Tomaten. Die kleineren Blätter könnten gut in Öl eingelegt werden und entwickelten einen "fischigen" Geschmack, weshalb sie auch gut zu Fisch passen würden.

Etwas weiter der erste Aha-Effekt. "Das riecht aber stark", sagt eine Teilnehmerin. An einem Hang wächst Wilder Thymian, der laut Schneider beim Ernten seine ätherischen Öle voll entfaltet. Allerdings lieben auch Tiere das mediterrane Kraut, weshalb die Menschen es aus der freien Wildbahn oftmals "nur in veredelter Form bekommen", wie die Kräuterpädagogin weiß. Wilder Thymian ist aber nicht nur in der Küche beliebt, er hilft auch, wenn man erkältet oder verschleimt ist, und seine blauen Blüten sind - wie auch andere Pflanzen mit blauen Blüten - laut Schneider "Seelenpflanzen", die durchaus helfen können, "wenn man nicht gut drauf ist". Schließlich, verrät die Führerin, werde dem Wilden Thymian auch noch eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt. "Sie wissen also, was Sie zu tun haben", sagt sie zu den Damen gewandt. Doch nicht alles, was am Wegrand zu finden ist, ist auch essbar, geht Schneider auch auf die Gefahren ein. So sei der Wiesenkerbel, ein Doldenblütler (er ist zu erkennen an seinen Blüten, die wie ein umgedrehter, aufgespannter Schirm angeordnet sind), ein tolles Kraut für Fisch und Suppen. Er sollte aber nicht mit dem giftigen Schierling verwechselt werden. Der eindeutigste Unterschied zwischen beiden: Der Kerbel hat, worauf der Name schon hindeutet, Kerben am Stiel, der Schierling ist glatt. Generell sei oberstes Gebot, so Schneider, die 2005/06 zusammen mit Beck die Ausbildung zur Kräuterpädagogin gemacht hat und seit 2007 mit ihr die Kräuterwanderung kombiniert mit Essen anbietet: Finger weg, wenn man sich nicht sicher ist.

Weiter geht es mit der sehr gesunden und vitaminreichen Vogelmiere mit einem Geschmack nach Mais oder Erbsen. Wird das entgiftende Kraut freilich in größeren Mengen genossen, sollte man sich "in der Nähe der Toilette aufhalten", so Schneiders Tipp dazu.

Oft zu finden ist auch die Schafgarbe mit ihrem pfeffrigen Geschmack, zu erkennen an Blättern "wie die Augenbrauen der Venus", der Wiesensalbei, dessen Blüten ein Butterbrot perfekt aufwerten, oder auch der Girsch, der freilich auch als "Mafia der Pflanzen" bezeichnet werde, weil er alles unterwandere. Der Girsch, der Harnsäure ausschwemme und auch als "Zipperlein-Kraut" bekannt sei, sei jedoch eine "wertvolle Pflanze", sagt Schneider, die ihn etwa für Kräuterlimonaden verwendet. "Versöhnt euch mit dem Girsch", lautet deshalb ihr Aufruf.

Nach Erklärungen über Taub- und Brennnessel sowie über Wilden Majoran kommen die Wanderer dann schon vor dem Essen im Beckerwirt in den Genuss nicht nur von puren Kräutern vom Wegrand, sondern von verarbeiteten. Im sogenannten Wiesengrund ist eine kurze Rast angesagt, bei der Andrea Beck aus Thermoskannen Unkrautsuppe ausschenkt, getoppt mit verschiedenen Blüten, und dazu Brot mit Schafgarbenbutter reicht.

Derart für den restlichen Weg gestärkt, ist der Blick auch wieder geschärft für weitere Entdeckungen, etwa die Knoblauchrauke, die sich gut als Würzkraut eignet. "I hob des Zeug im Garten", kommt einer Teilnehmerin das Kraut sehr bekannt vor.

Und noch eine weitere Lektion hat Kräuterpädagogin Schneider parat: Nicht nur beim Blick auf den Boden sind schmackhafte Entdeckungen zu machen. Das Gute kann auch von oben kommen, beispielsweise von Buchen, Linden oder auch Fichten als Zutaten für einen Baumsalat. Die Fichtenspitzen (auch Maiwipfel genannt), die wie im Schlaraffenland teilweise auf Mundhöhe hängen, schmeckten pur zwar sehr intensiv, könnten aber auch für die Aromatisierung von Schnaps verwendet sowie - Schneiders Tipp - in Kuvertüre eingetaucht und dann genossen werden.