München
Die Wirkkraft von Farbe

Wiedersehen mit der Installation von Dan Flavin im Kunstbau des Lenbachhauses München

02.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:18 Uhr
Spektakulär: Im Kunstbau am Königsplatz ist die Installation von Dan Flavin zu erleben. Bei freiem Eintritt. Matthias Mühling, Direktor des Lenbachhauses, möchte, dass die Besucher auch einfach mal kurz in der Mittagspause vorbeikommen. Außerdem werden im Medienraum Filme von Marcia Hafif gezeigt. −Foto: Jank/Lenbachhaus

München (DK) Lässt sich die innere Gestimmtheit eines Menschen beeinflussen? Durch Musik in jedem Fall - aber vielleicht auch durch Farbe? Welche Wirkkraft haben Rot oder Blau in einem Raum? Ändert sich ihre Anziehungskraft in dem Maße, wie sich der Betrachter verändert? Das sind Fragen, denen die Besucher des "Kunstbaus" am Königsplatz nachspüren können.

In dem schlichten Beton-Raum wird wieder einmal die Installation von Dan Flavin gezeigt, die aus vier langen Reihen von industriellen Leuchtstoff-Röhren besteht und nichts anderes zeigt als Grün, Blau, Gelb und Rot. Oder ist doch mehr zu sehen?

Am 11. April 1994 wurde der Kunstbau mit dieser Installation eingeweiht, die 2005 dann als Schenkung an die Landeshauptstadt München ging und damit dem Lenbachhaus gehört. Der Raum hat identische Maße wie der darunter liegende Bahnhof der U-Bahn - ein Zwischengeschoss, das technisch notwendig ist wegen der tief in den Untergrund gelegten Bahn. Eine leichte Krümmung, schlichte Betonwände und entlang der Längsachse kantige Pfeiler - eine Halle, in der sich jede Art von Beleuchtungssituation für Kunstwerke herstellen lässt - nur kein Tageslicht. Ein idealer Raum also für Kunst aus Licht - und nichts anderes ist die Installation von Flavin.

Es ist ein Spätwerk des 1996 gestorbenen Amerikaners, ein bekannter Künstler des Minimalismus, der ab 1963 seine Lichtkunst entwickelt hat. Wichtige Werke von ihm besitzt auch die Pinakothek der Moderne - Beispiele seines Schaffens sind derzeit in der Ausstellung Königsklasse IV im Schloss Herrenchiemsee zu sehen. Dort verwandelt eine raumgreifende Barriere aus grünen Leuchtstoffröhren den rötlich schimmernden Rohbau aus Backsteinen so sehr, dass die Kunstwelt drinnen in Konkurrenz steht zur grünen Vegetation vor dem Fenster.

Nun hat die LED-Technik viele Möchtegern-Künstler auf den Plan gerufen, die leider nur schlechte Beleuchter sind. Wer in unseren Innenstädten beobachtet, wie mal ein Kaufhaus, dann ein Polizeigebäude oder eine Kirche in grelles, buntes Licht getaucht wird, das in irritierender Schnelligkeit auch noch den Farbton wechselt, der erkennt rasch, dass nicht alles genießbar ist, was heute technisch machbar und bezahlbar ist. Der 1933 geborene Dan Flavin dagegen absolvierte in jungen Jahren eine Ausbildung zum Flugwetter-Meteorologen - und vielleicht liegen in den Strömen von Wolken und Sonnenlicht die Ursprünge seiner Kunst. Ein Fax vom 8. März 1994 mit einer Entwurfsskizze zeigt, wie er diesen Kunstraum sah: Ein Raum geteilt in eine kühle und eine warme Hälfte. Alles andere überließ er dem Licht und den Augen des Menschen.

Und so ist zu sehen, wie sich die menschliche Haut verändert, wie die sich herabsenkende Zugangsbrücke in den Raum pink aufleuchtet vor einer grünen Wand, wie die Unterbrechung der blauen Leuchtstoffröhren an der Stelle, wo ein Medien-Pavillon eingebaut ist, das Grün deutlich verstärkt aufstrahlt. Zugleich wird durch spiegelnde Schuhe, Brillengläser und Knöpfe jeder Betrachter zum individuellen Bestandteil des Kunstwerkes.

Matthias Mühling, Direktor des Lenbachhauses, möchte, dass die Besucher auch mal kurz in der Mittagspause hereinkommen - die Ausstellung ist deshalb bei freiem Eintritt geöffnet. Zeitgleich werden im Medienraum Filme gezeigt von Macia Hafif (1929-2018). Auch sie ist Amerikanerin, lebte acht Jahre als Malerin in Rom und setzte sich mit der Wirkung von bestimmten Farbtönen auseinander. Parallel dazu beschäftigt sie sich mit Film und Fotografie. Gezeigt wird unter anderem ihr Drei-Minuten-Streifen "Wolken", den sie selbst für ihren besten Film hält. Er zeigt nichts anderes als eine sich verändernde Wolke am Himmel - in Schwarz-Weiß. Heraustretend aus dem kleinen Medien-Pavillon kann dann jeder wieder in Farbe "baden" - auf der kühlen oder auf der warmen Seite in der unterirdischen Lichthöhle des Dan Flavin, ganz nach persönlicher Gestimmtheit.

Dan Flavin, bis 30. September im Kunstbau am Münchner Königsplatz, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, dienstags bis 20 Uhr.
 

Annette Krauß