Coburg
Die Wiederaufstiegskandidatin

Nach ihrem Rücktritt als Ministerin ging Monika Hohlmeier nach Brüssel – Bald könnte sie für die CSU wieder wichtig werden

10.01.2014 | Stand 02.12.2020, 23:13 Uhr

Coburg/Bad Staffelstein (DK) Es ist der dritte Advent und Monika Hohlmeier sitzt auf der ausfahrbaren Zuschauertribüne der Coburger Angerturnhalle. Bundesliga im Sportschießen – SG Coburg gegen SV Germania Prittelbach. An den Seiten haben die Sponsoren Reklamebanden aufgebaut: links die Volks- und Raiffeisenbank Coburg, rechts die Sparkasse. In der Mitte wird geschossen. Aus Lautsprechern kommt das Beste aus den Achtzigern und Neunzigern, „Eye of the Tiger“, „Summer of ’69“. Monika Hohlmeier sitzt in der ersten Reihe und reibt die Hände ineinander.

Die Angerturnhalle hat Tradition. Landesturnfest, Länderspiele der deutschen Handballjunioren, große Tanzturniere, 1980 fanden hier die Deutschen Meisterschaften im Gewichtheben statt. Ein Tempel der Randsportarten. Früher. Heute prüft das Bauamt, ob sich eine Sanierung lohnt. Sonst sind die Tage der Sporthalle wohl gezählt.

Hohlmeier klatscht jetzt in die Hände. Das Gefecht ist knapp, Prittelbach hat geführt, Coburg ist zurückgekommen, hat dann wieder geschwächelt. Es gibt ein Stechen. Zwei Schützinnen. Frau gegen Frau. Am Ende verliert Coburg knapp.

Randsportarten. Irgendwie passt das im Moment ganz gut zu Monika Hohlmeier, der Tochter des großen Franz Josef Strauß. Sie, die fünf Jahre Staatssekretärin und sieben Jahre Ministerin im bayerischen Kabinett war, die manche schon als kommende Ministerpräsidentin sahen, macht jetzt Politik auf einer Bühne, die nur wenige im Blick haben. Hohlmeier ist Europaabgeordnete. Abgemeldet. So könnte man das sehen.

Man könnte aber auch sagen: Monika Hohlmeier ist immer noch da. Wieder da. Im Mai ist Europawahl. Sie kandidiert zum zweiten Mal. In den kommenden Monaten dürfte sie für die CSU eine der wichtigeren Figuren sein. Und das ist eigentlich ziemlich erstaunlich. Nach allem, was war.

Am 15. April 2005 schien ihre politische Karriere beendet. Es hatte ein letztes Gespräch mit dem damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber gegeben. Die Unterstützung war weg. Hohlmeier trat nach sieben Jahren von ihrem Amt als Kultusministerin zurück. Sie hatte gekämpft, sich gewehrt. Aber sie war nicht aus der Schusslinie gekommen. Dabei ging es gar nicht mal so sehr um ihre Bilanz als Ministerin. Sicher, es gab die Kritik an der übereilten Einführung des achtjährigen Gymnasiums. Aber jeder wusste, dass Stoiber selbst sie dazu gedrängt hatte.

Hauptgrund war eine Affäre in der Münchner CSU, deren Bezirkschefin Hohlmeier war. Vertreter der Jungen Union hatten Mitgliedschaften fingiert, Parteieintritte zurückdatiert und Prämien an Neumitglieder bezahlt. So beeinflussten sie Wahlversammlungen zugunsten bestimmter Kandidaten. Einige aus dem Kreis behaupteten, Hohlmeier habe von den Mauscheleien gewusst und das Verhalten gebilligt. Sie selbst bestreitet das bis heute vehement. Nachdem sie unter Druck geraten war, soll sie dann in einer Sitzung des Münchner CSU-Vorstands, Kollegen mit brisanten Dossiers gedroht haben. Auch das bestreitet sie. Sie wolle darüber gar nicht mehr sprechen, sagt sie. Es sei ja alles gesagt. Im einem Untersuchungsausschuss gegen sie, nannte die damalige Ministerin die Münchner CSU einen „Intrigantenstadl“, in dem „nur noch Mauscheleien und Intrigen herrschten“. Es flossen Tränen. Hohlmeier gab damals den Bezirksvorsitz ab, verließ die Stadt, zog ins Münchner Umland nach Vaterstetten.

Nach dem Debakel der CSU bei der Landtagswahl 2008 verpasste die einstige Hoffnungsträgerin dann auch noch den Wiedereinzug ins Parlament. Sie hatte nur über die Liste kandidiert. Aber das Ergebnis der CSU war so schlecht, dass in Oberbayern kein einziger Listenkandidat durchkam.

Eigentlich wäre das ihr politisches Ende gewesen. Sie war kurz davor, ein Jobangebot aus der Wirtschaft anzunehmen.In der Zwischenzeit war aber Horst Seehofer der neue starke Mann in der CSU – als Parteichef und Ministerpräsident. Seehofer schätzt Hohlmeier. Und die Europawahl 2009 stand an. Gemeinsam mit dem damaligen oberfränkischen CSU-Bezirkschef Karl-Theodor zu Guttenberg hievte er die Gefallene auf einen aussichtsreichen Platz der oberfränkischen Liste.

Monika Hohlmeier sitzt im Auto auf dem Weg nach Hause. Sie wohnt in Bad Staffelstein, südlich von Coburg. Rechts das Kloster Banz, wo CSU-Abgeordnete sich regelmäßig zur Klausur treffen. Links die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen. Geradeaus der Staffelberg. „Es war schon ein Neustart“, sagt sie. Aber sie hat die Gegend angenommen, hat sich reingekniet in die Besonderheiten. Sie geht nicht nur zum Bundesligaschießen und zum Weihnachtskonzert des Seemannschors. Sie weiß auch, dass das Unternehmen am Ortseingang schon lange einen Mindestlohn fordert. Sie kennt das Geschäftsmodell des Rehazentrums im Ort – und seine Probleme.

Am Anfang gab es in der oberfränkischen CSU Widerstand. Hohlmeier galt als die Münchnerin, die jetzt den Parteifreunden aus der Provinz sagen soll, wo es langgeht. So was mögen sie gar nicht in Oberfranken. Inzwischen ist das kein Thema mehr. Sie komme gut an, hört man überall. Seehofer freut sich über seinen Coup. „Eine ganz starke Nummer“, sagt der Parteichef.

Sogar ihr neues Haus am Ortsrand von Bad Staffelstein kann man als Bekenntnis sehen. Hohlmeier hat es gekauft, als sie in Oberfranken halbwegs angekommen war. Drei Stockwerke, Zimmer über Zimmer. Vermutlich würde die gesamte Familie Strauß hier Platz finden. Die große Wohnküche ist weiß gekachelt, üppig mit Fächern und Oberschränken ausgestattet. Auf dem kleinen Holztisch liegt ein Päckchen mit Weihnachtsplätzchen. „Für Markus“ steht auf einem Zettel. Hohlmeiers Tochter Michaela hat es für ihren Bruder dagelassen. Die 27-jährige Tochter übernachtet immer mal wieder im Haus, wenn sie beruflich in der Gegend zu tun hat. Aber die Familie ist nicht mit nach Oberfranken gezogen. Der zwei Jahre jüngere Sohn studiert noch, wohnt in Vaterstetten. Von ihrem Mann ist Hohlmeier seit Ende des vergangenen Jahres geschieden – nach 31 Ehejahren. „Auseinandergelebt“, sagt Hohlmeier. An ihrem Umzug nach Oberfranken hat es wohl nicht gelegen.

Alles im Haus wirkt nun ein wenig zu groß. Aber vielleicht ist es so, dass man nicht einfach in eine Wohnung zieht, wenn man aus einer solchen Familie stammt. Bilder der Familie Strauß im heimischen Wohnzimmer haben sich ins kollektive Gedächtnis des Freistaats gebrannt. Der Vater, das politische Alphatier. Die Mutter, Marianne Strauß, diplomierte Volkswirtin, als starke Frau im Hintergrund. Die drei Geschwister Max, Franz-Georg und Monika. Die wenigsten wissen, dass irgendwo abseits der Bilder oft bis zu zwanzig Sicherheitsbeamte dabei waren und die Familie bewachten. „Die Sonderstellung als Kind eines Franz Josef Strauß war nicht immer einfach zu leben“, sagt Hohlmeier.

Als die Mutter 1984 im Alter von 54 Jahren nach einem Autounfall starb, nahm Monika die Rolle der „First Lady“ ein. Sie ist auch die einzige der Strauß-Kinder, die politisch Karriere machte.

Es gibt einige in der CSU, die ihr die Rückkehr in die erste Reihe zutrauen. Sie sei „zutiefst ehrgeizig“, aber eben auch sehr fleißig, sagt ein ehemaliger Kabinettskollege Hohlmeiers. Sie habe durch ihre solide Arbeit in den vergangenen Jahren wieder „Boden gut gemacht“, heißt es. „Ich arbeite“, sagt sie selbst nur dazu. In der konservativen Fraktion im Europäischen Parlament hat ihr Name inzwischen Gewicht. Sie komme in der Partei „für alles infrage“, sagt Seehofer.

Hohlmeier selbst wiegelt ab. Sie habe sich bewusst für Oberfranken und Europa entschieden, sagt sie. „Ich habe nicht vor, irgendetwas anderes zu machen.“ Das ist genau das, was man sagen muss, um weiter für höhere Aufgaben im Gespräch zu bleiben. Hohlmeier hat schon eine Karriere hinter sich. Aber sie ist erst 51 Jahre alt. Zeit genug, um noch einmal durchzustarten. Es gibt gut informierte Leute in der Partei, die dafür auch ein Szenario beschreiben: Hohlmeier gilt als enge Vertraute, eigentlich als Freundin, der bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Die Chancen stehen noch immer gut, dass Aigner in ein paar Jahren Ministerpräsidentin wird. Und den Wunsch einer guten Freundin, doch bitte ein Ministerium im bayerischen Kabinett zu übernehmen, würde Hohlmeier wohl nicht enttäuschen. Aber das sind natürlich nur Vermutungen.

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