Die Titelfigur tritt gar nicht auf

30.11.2009 | Stand 03.12.2020, 4:27 Uhr

Regensburg (DK) Es wäre natürlich schon reizvoll gewesen zu sehen, was eine vernünftige Regie aus einer Oper macht, deren Titelfigur keinen einzigen Auftritt hat. Das geheimnisvolle Frauenzimmer aus Arles ist nur in den Dialogen der Dorfbewohner und in deren Köpfen präsent, zwei von ihnen sind ihr verfallen, einer geht daran zugrunde.

Andererseits vermisste man an diesem Abend die Szene kaum, so stark nährte die Musik Francesco Cileas das Theater im Kopf, schuf kraftvolle Bilder im Imaginären und befeuerte den Gesang zu einer Dramatik, die auf eine weitere Konkretisierung nicht angewiesen war. Die Musikgeschichtsschreibung ordnet Cilea (1866–1950), dessen "Adriana Lecouvreur" sich als einziges Opus in den Spielplänen gehalten hat, dem Umkreis des Verismo zu, an dessen breiten Pinsel in der Tat einige mächtige Steigerungen mit beinahe brutal dreinfahrenden Posaunen gemahnen. Diese dramatischen, auch den Gesang in Grenzbereiche führenden Kulminationspunkte wirken in seiner "Arlesiana" aber eben deshalb so stark, weil Cilea die Musik nicht unter Dauerdruck hält, sondern das provenzalische, leicht pastoral angehauchte Ambiente über weite Strecken mit schillernden Pastelltönen ausmalt.

Diese exquisiten Klangverbindungen, die eher an Massenet denn an Leoncavallo, Mascagni & Co. erinnern, realisierte das Philharmonischen Orchester exquisit. Obwohl den Bühnenraum des Theaters am Bismarckplatz vollständig füllend, deckten die Instrumentalisten nie den Gesang zu, ein Verdienst des souverän abmischenden, eine perfekte Balance zwischen sängerdienlicher Zurückhaltung und orchestralem Selbstbewusstsein herstellenden Will Humburg. Auch die Koordination mit den zahlreichen vom Philharmonischen Chor schön realisierten Passagen hinter der Szene besorgte er mühelos.

Humburg war einer von mehreren Gästen, die sich das Haus für diese konzertante Aufführung geleistet hatte, die ursprünglich als Galaabend mit dem Startenor Joseph Calleja geplant war. Am Ende musste nicht nur für ihn, sondern auch für die angekündigte Tatiana Lisnic Ersatz gefunden werden, was den Genuss aber kaum schmälerte.

Vicente Ombuena verhalf der Partie des liebeskranken Federico mit einer fein zwischen Italoschmelz und dem Timbre eines gebrochenen Helden changierenden Stimme zu voller Glaubwürdigkeit und wurde für das als Einzelnummer berühmte "E la solita storia" zu Recht gefeiert. Silvia Colombinis Stimme war für die Rolle der Vivetta eine Spur zu leicht, gab aber ein berührendes Porträt der glücklosen Vivetta.

Die Kräfte des Hauses wussten sich problemlos dagegen zu behaupten, allen voran Seymur Karimov als bassgewaltiger Rivale Metifio und Adam Kruzel in der großen Rolle des Hirten Baldassare. Jasmin Etezadzadeh als "L’Innocente" und Seon-Heon Ha als Marco fügten sich nahtlos in dieses Niveau ein.

Überstrahlt wurde der Abend freilich von der grandiosen deutsch-griechischen Mezzosopranistin Chariklia Mavropoulou in der Rolle der Rosa Mami. Die Ausdruckskraft ihrer vielleicht nicht immer schönen, aber technisch perfekt geführten Stimme steigerte den Spannungsbogen bis zu einem Ausgang, dessen Tragik sich allein in den Gesichtern der Sängerinnen spiegelte.

Weitere Aufführung: 5. Dezember, 19.30 Uhr, Theater am Bismarkplatz, Regensburg.