Die Stunde der Gutachter

26.11.2009 | Stand 03.12.2020, 4:28 Uhr

Das Nebeneinander von Industrie und Wohnbebauung in Ebenhausen-Werk – hier eine Luftaufnahme aus dem Jahr 2006 – ist zwar problematisch, doch sind die Luft- und Bodenbelastungen durch bedenkliche Emissionen nach den Daten bislang vorgestellter Gutachten im Wohnbereich nicht gerade beängstigend. Ein erheblicher Teil der nachweisbaren Schadstoffe wird offenbar sogar vom Verkehr und vom Hausbrand verursacht. - Foto: oh

Baar-Ebenhausen (DK) Der Umweltbeirat der GSB hat sich am Mittwochabend erneut mit mehreren Gutachten zu Schadstoffbelastungen in Ebenhausen-Werk befasst. Grobes Fazit: Der Shredder von Thyssen-Dück ist für einige Emissionen gut, doch es gibt auch andere Quellen – zum Beispiel Verkehr und Hausbrand.

Es war wieder mal ein Abend der langen Vorträge. Die Bitte von BI-Chef Helmut Stabhuber an die Referenten, sich kurz zu fassen, verhallte bei der Mehrzahl ungehört, und so wurde aus dem Baarer Sportheim für gut drei Stunden wieder ein Hörsaal. Promovierte Chemiker beamten ungehemmt Grafik auf Grafik und Tabelle auf Tabelle an die Wand, anstatt dem überwiegend aus Laien bestehenden Publikum kurze, prägnante Zusammenfassungen zu bieten. Die Leitung des Beirates ließ die akademisch überfrachteten Exkurse in die Feinheiten der Messdatenanalyse (mit Stichwörtern wie "Gesamttoxizitätsäquivalenzkonzentration" und "Depositionsrate") einfach laufen.

Es ging um die Ergebnisse des Biomonitorings rund um die GSB zum Jahresende 2008 (mit Untersuchungen an Grünkohlpflanzen), die Vorstellung eines Gutachtens des Landesamtes für Umwelt (LfU) zu Belastungen durch Shredderanlagen (einer von drei untersuchten Standorten war Ebenhausen-Werk) und um ein vom Ökoinstitut erstelltes Emissionskataster für den nördlichen Gemeindeteil von Baar-Ebenhausen sowie für Pichl und Oberstimm. Die LfU-Studie kann übrigens in voller Länge auf den Internetseiten des Amtes eingesehen werden.

An dieser Stelle können (und sollen) die Aussagen der Gutachter nur grob umrissen werden. So war fürs Biomonitoring festzustellen, dass an den Messpunkten Ende vergangenen Jahres bei Dioxinen keine Auffälligkeiten registriert wurden, bei polychlorierten Biphenylen (PCB) und bei polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) allerdings einige (leicht) erhöhte Werte an bestimmten, schon vormals auffälligen Punkten. Als Ursachen werden Einflüsse des Shredders von Thyssen-Dück und möglicherweise einer weiteren, bisher unbekannten Schadstoffquelle angenommen.

Die Shredder-Studie des LfU belegt, dass von diesen Anlegen sehr wohl bestimmte Umweltgifte freigesetzt werden, die sich in vielen Elektronikschrottkomponenten und auch in Antiflamm-Anstrichen anderer Industriebauteile (und teils auch von Gebäudefassaden) finden lassen.

Das LfU hatte drei Shredder untersucht, von denen einer teilweise "eingehaust" war. Diese Vorkehrung machte sich in fast durchweg geringerer Luft- und Bodenbelastung am Standort und in der Nachbarschaft bemerkbar, so dass Forderungen aus Baar-Ebenhausen und vor allem aus Manching, den Shredder von Thyssen-Dück ebenfalls hermetisch abzukapseln, in diesem Licht durchaus berechtigt erscheinen. Generell wurden für alle drei Shredder aber keine dramatischen Auswirkungen weit über die Firmengrundstücke hinaus festgestellt.

Das Emissionskataster weist letztlich aus, dass es neben den industriell bedingten Umweltbelastungen auch noch erhebliche andere Faktoren gibt, die im Raum Ebenhausen-Werk Luft und Boden beeinflussen – nämlich die Abgase der immensen Verkehrsströme auf der Autobahn A 9 und auf der Bundesstraße 13 und der saisonale Hausbrand, also alles, was aus Öl-, Gas- und sonstigen Heizungen (auch aus den ja so gemütlichen offenen Kaminen und Kachelöfen) in die Luft geblasen wird.

Diese ansonsten eher selten hinterfragten "bürgerlichen" (Staub-)Emissionen stellen auf den Grafiken des Ökoinstituts die Belastungspegel der Industriebetriebe regelrecht in den Schatten.