Eichstätt
Die "Stunde der europäischen Souveränität"?

Gisela Müller-Brandeck-Bocquet setzte sich im K'Universale-Vortrag mit der Rolle Europas auseinander

28.12.2018 | Stand 02.12.2020, 14:57 Uhr
Gisela Müller-Brandeck-Bocquet sieht Europa vor gewaltigen Herausforderungen, die eine neue Definition seiner internationalen Rolle erfordern. −Foto: Kusche

Eichstätt (ddk) Die Weltordnung befindet sich im Umbruch.

Klare Zeichen dafür setzen die USA und zahlreiche Nationen, die zum Autoritarismus zurückkehren sowie Schwellenländer, die mit Nachdruck auf die internationale Weltbühne drängen. Was bedeuten diese Entwicklungen für Europa und dessen außenpolitisches Selbstverständnis?

In ihrem K'Universale-Vortrag "Friedensmacht Europa? Die Rolle Europas in einer unsicheren Welt" spannte die Professorin für Europaforschung und Internationale Beziehungen am Institut für Politikwissenschaft und Soziologie der Universität Würzburg, Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, einen weiten Bogen von dem mühsamen Weg der EU zu einer handlungsfähigen Friedensmacht bis zur aktuellen Suche nach einem neuen Selbstverständnis. Für die Politologin steht außer Zweifel: Die EU steht vor gewaltigen Herausforderungen: "Die Zeiten der Familientreffen gleichgesinnter Multilateralisten sind vorbei", betonte Müller-Brandeck-Bocquet mit Blick auf das desaströse G7-Treffen in Québec 2018, bei dem erstmals sogar von einem "Auseinanderbrechen des Westens" und einem "epochalen Bruch" die Rede war.

"Bedeutet dies das ,Ende des Westens' oder kann und will Europa möglicherweise die uns bekannte liberale multilaterale Weltordnung retten? ". Während einige Experten Europa angesichts der internationalen Vormachtstellung der USA nicht dazu in der Lage sehen, stellen andere Europa als einzige Macht heraus, die vor dem Hintergrund der Entwicklungen in der UdSSR, China und Brasilien die liberale Weltordnung retten müsse. Ausbaubare Potenziale dazu, so Müller-Brandeck-Bocquet, habe die EU in Bereichen wie der Kooperation mit Schwellenländern, dem Klimaschutz sowie der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Mit letzterer habe die EU schon durch die Begründung der "Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik" (GSVP) im Jahre 1999 das Etikett der "Friedensmacht Europa" oder "Zivilmacht mit Zähnen" erhalten, wie es der damalige Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier 2007 formulierte.

Mit der Unterzeichnung der Vereinbarung einer "Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit" (PESCO) durch 25 Mitgliedsstaaten vollzog die EU im November 2017 einen wohl historischen Schritt in Richtung einer sicherheits- und verteidigungspolitischen Union. Geschuldet war diese Entscheidung nicht nur einer neuen Sicherheitslage, sondern auch dem Brexit und der Verunsicherung über die Verlässlichkeit der US-Außenpolitik, so die Referentin.

Zweifellos habe die EU den drastischen Umbruch in der Weltordnung wahrgenommen: "Die EU ist sich bewusst, dass sie ihre internationale Rolle in Zeiten der Rückkehr nationaler Egoismen und unilateralen Vorgehens insgesamt neu ausrichten muss", so Müller-Brandeck-Bouquet. Die dringlichste Aufgabe der EU werde es zukünftig sein, einen Beitrag zur partnerschaftlichen Gestaltung einer verlässlichen Weltordnung zu leisten. Derzeit sei noch offen, ob wichtige Projekte, wie im PESCO-Abkommen verhandelt, konkret umgesetzt werden, doch erste Schritte hin zur "Stunde der europäischen Souveränität" sind getan.

Die nächste K'Universale-Vorlesung findet am Montag, 7. Januar 2019, um 18.15 Uhr im Hörsaal A 201 (Kollegiengebäude A, Ostenstraße 26), statt. Es spricht Elzbieta Adamiak, Professorin für Fundamentaltheologie und Dogmatik am Institut für Katholische Theologie der Universität Koblenz-Landau über das Thema "Osteuropa, Westeuropa - wo ist die Mitte? "