Riedenburg
Die Stütze in der Not

Irmgard Niederbuchner aus Riedenburg arbeitet in ihrem Traumberuf Dorfhelferin

12.10.2020 | Stand 23.09.2023, 14:41 Uhr
Ruhe kehrt ein, wo Irmgard Niederbuchner auftaucht und mit anpackt. −Foto: Schabenberger

Wo Kinder schreien, Kühe brüllen, Familien ihre Belastungsgrenzen erreichen, ist Irmgard Niederbuchner zur Stelle: Als Dorfhelferin greift sie Betroffenen bei einem gebrochenen Bein, nach einer schwierigen Geburt oder einem Todesfall unter die Arme. Sie sorgt dafür, dass der Boden frisch gewischt und die Wäsche gemacht ist. Sie kümmert sich um ein warmes Mittagessen und um die Kinder. Und vor allem ist es ihr ein Anliegen, Menschen in harten Zeiten ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

Sanft schaukelt sie das Kind in ihren Armen. Das Kleine schlummert wohlig. Liebevoll blickt Irmgard Niederbuchner auf den Säugling herab. Als ein Quäken die harmonische Ruhe durchbricht, weiß die 21-Jährige sofort, was zu tun ist: Sie zückt die Flasche und gibt dem Kind zu trinken. Währenddessen kann die Mutter des kleinen Würmchens im Badezimmer verschwinden und hat ein wenig Zeit für sich. Regelmäßig kommt Niederbuchner in diese Familie, um sie zu entlasten. Denn ist sie eine Dorfhelferin.

Über mehrere Jahre hat sie sich für diesen Beruf ausbilden lassen. Sie war jeweils ein Jahr an den Hauswirtschaftsschulen in Miesbach und Traunstein, hat für zwei Semester die Dorfhelferschule in Pfaffenhofen, für ein Semester die Dorfhelferschule in Neuburg besucht, um in ihrem Traumberuf durchstarten zu können. "Den ganzen Tag im Büro sitzen und immer das gleiche tun, könnte ich mir nicht vorstellen", erklärt die 21-Jährige, die mittlerweile im Riedenburger Ortsteil Prunn lebt.

Deswegen genießt sie ihren Job, bei dem sie gleichzeitig Sterneköchin, Wischexpertin, Bastelprofi, Nachhilfelehrerin und Seelentrösterin ist. Ist der Haushalt, in dem sie einspringt, gleichzeitig ein landwirtschaftlicher Betrieb, hilft sie auch im Stall mit: Sie unterstützt Familien in allen alltäglichen Aufgaben, die diese aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr selbst meistern können. Solche Ursachen können beispielsweise die schwierige Geburt der Mutter, das gebrochene Bein des Vaters oder ein Todesfall sein. Dann ist Irmgard Niederbuchner zur Stelle, entlastet die Betroffenen und bietet den Kindern ein Ablenkungsprogramm.

Diese Vielseitigkeit ist es, die sie an ihrem Beruf so begeistert, die Mischung aus den einzelnen Tätigkeitsfeldern. Doch Niederbuchner gibt nicht nur, sie bekommt von den Familien, die sie betreut, vieles zurück: "Die Kinder freuen sich so, wenn jemand anderes kommt und sich Zeit nimmt. Man bekommt so viel Herzlichkeit und so viel Dankbarkeit von der ganzen Familie zurück", schwärmt sie. Außerdem könne sie viel für ihr eigenes Leben mitnehmen. Da sie meistens in Familien mit Kindern arbeite, könne sie sich hier schon einmal abschauen, welchen Erziehungsstil sie eines Tages umsetzen möchte: "Mir gefällt es zum Beispiel nicht, wenn der Ton rauer ist", verrät sie. Doch nicht alles möchte die 21-Jährige aus ihrem Arbeitsumfeld mit zu sich nach Hause nehmen. Denn in ihrem Beruf begegnet sie einigen Familien mit tragischen Schicksalen. Sie berichtet von einer Familie, in der der Vater gestorben ist. Im Gedenken an ihn betet die Mutter vor jedem Essen mit ihren Kindern einige spezielle Verse. "In solchen Momenten läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter", beschreibt Irmgard Niederbuchner die aufwühlende und emotionale Situation. Solche Erlebnisse verarbeitet die Prunnerin auf ihrer Heimfahrt. Die Zeit, bis sie von ihren bis zu maximal 60 Kilometer entfernten Einsätzen wieder daheim ist, sei lange genug, um auf andere Gedanken zu kommen.

Doch trotz dieser ab und an schwierigen Situationen bereut sie ihre Berufswahl nicht. Sie ist glücklich, dass sie seit etwa einem Jahr als ausgebildete Dorfhelferin in den Bereichen Regensburg und Hemau unterwegs sein darf. Angestellt ist sie bei der Katholischen Dorfhelferinnen und Betriebshelfer in Bayern GmbH, der Maschinenring Jura Hemau organisiert ihre Einsätze. Die Verantwortlichen beachten, dass Niederbuchner zu Familien kommt, zu denen sie passt. Umgekehrt ist es wichtig, dass sich auch die Familie mit ihr wohlfühlt.

Allerdings kann Niederbuchner nicht zu jeder Familie kommen, die ihre Hilfe gut gebrauchen könnten. Denn nicht alle wissen von diesem Angebot und viele erhalten bei der Krankenkasse nicht den entscheidenden Hinweis: "So viele kommen nicht auf uns. Für landwirtschaftliche Betriebe ist es klar, beim Maschinenring anzufragen, doch für alle anderen nicht", schildert die Prunnerin die Problematik. So erhalten viele Familien nicht die Unterstützung, die ihnen eigentlich zusteht.

Wie wichtig Dorfhelferinnen werden können und wie dramatisch es ist, wenn keine in die Familie kommt, weiß Niederbuchner aus eigener Erfahrung: "Meine Mama hatte einen schweren Autounfall als ich 14 war. Wir haben niemanden zur Unterstützung bekommen, weil ich schon zu alt war. Ich musste den Haushalt schmeißen. Jeder kann sich denken, wie gut das gelaufen ist."

Deswegen genießt sie es heute, Kinder mit Pfannkuchen zu verwöhnen, mit ihnen von Spielplatz zu Spielplatz zu ziehen. Sie mag es, mit einem frisch gesaugten Boden Eltern ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern und Menschen ihr offenes Ohr zu schenken: "Manchmal ist eine Tasse Kaffee und ein gutes Gespräch hilfreicher als blitzblanke Fenster", erklärt sie.

DK

Laura Schabenberger