Pfaffenhofen
Die Stadt und ihre Bäume

Ein Spaziergang durch Pfaffenhofen mit Altlandrat und Förster Rudi Engelhard

22.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:06 Uhr
Hüter der Wälder: Altlandrat Rudi Engelhard kümmert sich seit über 20 Jahren ehrenamtlich um die Stiftungs- und Gemeindewälder der Stadt Pfaffenhofen und weiß einiges über Naturdenkmäler, wie die Eichen bei Radlhöfe, zu erzählen. −Foto: Zurek

Pfaffenhofen (PK) Steigende Grundstückspreise und Wohnungsnot - Themen, die auch für Bäume von Bedeutung sind.

Warum? Auf diese und andere Fragen zur "Natur in der Stadt" hatte Altlandrat Rudi Engelhard bei einem Ortstermin interessante Antworten parat.

Dass ausgerechnet Engelhard im Zuge der Serie über Naturdenkmäler Auskunft erteilt, kommt nicht von ungefähr. Schließlich war der ehemalige Landrat jahrzehntelang im Auftrag des Freistaats in der Forstverwaltung tätig und kümmert sich seit über 20 Jahren ehrenamtlich um die Stiftungs- und Gemeindewälder der Stadt Pfaffenhofen. "Die werden allerdings im Gegensatz zu den Naturdenkmälern regulär bewirtschaftet und der Ertrag fließt in den jeweiligen Stiftungszweck", lässt der Wahl-Wolnzacher wissen.

Die Rundfahrt beginnt im Ortsteil Radlhöfe, direkt am Parkplatz eines Discounters, am Ortsausgang. Hier wachsen drei stattliche Eichen. "Wie man sieht, tun alte Bäume dem Stadtbild gut", meint Engelhard und ergänzt: paradoxerweise könnten Kinder gerade in der Stadt noch erleben, "wie so ein Baum ausschaut, wenn er ausgewachsen ist". Denn als Naturdenkmal dürften sie eben noch ihr natürliches Alter erreichen - bei Eichen immerhin meist 300 bis 400 Jahre. Im Wirtschaftswald hingegen würden die Bäume ja meist schon mit 100 bis 150 Jahren gefällt.

Doch droht den Giganten "angesichts der heutigen Grundstückspreise Gefahr, weil sie zum Überleben viel Platz brauchen - mindestens so viel Wurzelfläche wie ihre Krone an Durchmesser hat", lässt der Exkursionsleiter wissen. Wirtschaftlich betrachtet sei das eben eine Menge geldwerter Fläche.

Manchem Rasenbesitzer sind die großen Laubbäume zudem ein Dorn im Auge, weil im Herbst fallende Blätter den Wuchs des Grüns zu beeinträchtigen drohen. Sind die Bäume nicht geschützt, rückt ihnen der eine oder andere gerne mit der Säge zu Leibe.

Das seit 1991 unter Schutz stehende Trio im Blickfeld dürfte ein Relikt eines Eichenbestands sein, der einst die Straße nach Mitterscheyern säumte und der Umgehungsstraße weichen musste, vermutet Engelhard. Ihr Alter schätzt er auf 250 Jahre oder mehr und mutmaßt weiter: "Wahrscheinlich befand sich in der Umgebung einst eine Hutestelle". Das heißt, Bauern trieben ihr Vieh hierher, damit es sich an den Eicheln so richtig den Bauch voll schlagen konnte. Konkrete Informationen gibt es leider selbst im Archiv der Stadt nicht mehr. Und auch die übliche Hinweistafel des Landratsamts wartet nicht mit viel Fakten auf. Man müsse ohnehin mal wieder alle Naturdenkmäler neu erfassen - auch was ihre Maße angeht, "die meisten Daten sind ja nicht mehr aktuell", erklärt Engelhard.

Was ihn aus Interesse an der Ortsgeschichte ein wenig "wurmt", sei zudem, dass oft nicht mehr nachvollziehbar ist, warum so ein städtischer Baum einst unter Schutz gestellt wurde. Manchmal sei es wohl schlicht darum gegangen, ihn vor dem Verkauf und dem Abholzen zu bewahren. Man müsse sich vor Augen halten, dass etwa in den 1920er Jahren, als im Zuge der Weltwirtschaftskrise allerorten Hunger herrschte "um Pfaffenhofen rund ein Drittel des Waldbestands gerodet wurden, zum Beispiel auch die Bereiche auf denen heute die Ilmtalklinik steht, um Flächen für den Ackerbau zu schaffen".

Die nächste Etappe führt zum Wäldchen am Schleiferberg (geschützt seit 1941), angesichts dessen der Naturliebhaber ins Schwärmen gerät. Hier könne man noch gut "die ursprüngliche Bestockung erkennen". Am Hang beidseits der Straße in der Nähe der Berufsschule wachsen Eichen, Linden, Hainbuchen ("früher wegen seiner Härte und Langfaserigkeit ein beliebtes Holz für Axtstiele") sowie Feldahorn in unterschiedlichen Wachstumsphasen. "Das beweist: der Bestand erhält sich selber", freut sich Engelhard, nicht ohne auf einen Wermutstropfen hinzuweisen. 1941 maß das Wäldchen südlich noch 75 Meter und nördlich 108 Meter. "Vor allem an der Nordseite ist da einiges für die Zufahrt zur Schule abgezwackt worden. " Dass sowas möglich ist, sei auf ein Manko in der Dokumentation der flächenhaften Naturdenkmäler zurückzuführen - diese werden nicht mit ihrer genauen Abmessung in Bebauungsplänen erfasst und ein paar Meter weniger hier oder da fielen eben nicht auf.

Dabei seien die Flächen, wie man am Schleiferberg sehe, "so wichtig für die Durchgrünung der Stadt und zur Verhinderung von Betonwüsten". Außerdem trügen sie durch ihren Einfluss auf Luftqualität und Temperaturausgleich zum positiven Mikro-Klima eines Ortes bei.

Nach einer kurzen Fahrt erscheint als nächstes ein eher ländliches Idyll vor dem Hintergrund der Kirche von Niederscheyern im Blickfeld. Hühner picken unter einem der seit 1932 geschützten Bäume nach Eicheln. "Übrigens mögen Pfauen diese Frucht besonders gern", weiß Engelhard, der im Geäst etliche Blau- und Kohlmeisen ausmacht. "Solche Bäume sind für Weichfutterfresser und Laubsänger eine willkommene Nahrungsquelle, bieten sie doch auch Insekten unter ihrer Rinde Lebensraum. Als Nistplatz eigne sich indes nur die verzweigte Krone. Der Stamm sei wegen seiner harten Fasern bei Vögeln, die ihre Bruthöhle ins Holz "hämmern", nicht so beliebt wie etwa die Buche.

Nicht mehr im bewohnten Bereich aber dennoch zum Besitz der Stadt gehört das einen Hektar umfassende flächige Naturdenkmal bei Ehrenberg, das überwiegend aus Bruchwald besteht. Beim Eintreffen der beiden menschlichen Besucher huschen drei Rehe ins Dickicht davon. Leichter Nebel liegt über dem Boden. Irgendwie geheimnisvoll wirkt die Stimmung, je tiefer man in das Gehölz eindringt.

"Bruch" bedeute hier so viel wie "Sumpf", erfährt man von dem ehrenamtlichen Pfleger. In diesem Flachmoor lasse man der Natur weitestgehend freien Lauf, sprich "wenn kein Käferbefall vorliegt, bleibt Totholz liegen und bietet im Verrotten der Natur wieder Nahrung". Hauptaufgabe sei inzwischen für die Helfer das Entfernen von Müll "den sogenannte Naturliebhaber einfach überall rumliegen lassen", ärgert sich der passionierte Jäger, der sich der Hege des Waldes verpflichtet fühlt, als ihm ein Holzkonstrukt im Teich ins Auge fällt. "Ein Futterplatz für Enten, der muss gleich entfernt werden", grummelt er unter Hinweis darauf, dass sonst "die Kerndl aufgehen und Zeug wächst, das nicht hierher gehört".

Wirklich heimisch ist hier vor allem die Schwarzerle, die ihre Wurzeln gern in den morastigen Grund am Rande kleiner, seggengesäumter Tümpel schlägt. Die autochthone Esche ist hingegen selten geworden, "die fallen derzeit reihenweise einem aus Amerika eingeschleppten Pilz zum Opfer", bedauert Engelhard, der hofft, dass die geschützten Baumschönheiten des Landkreises "uns und den nachfolgenden Generationen erhalten bleiben".

Maggie Zurek