"Die Sommerkonzerte stehen für Experimente"

Das Ingolstädter Festival geht neue Wege und überträgt die meisten Konzerte ins Internet - Donnerstag startet der Konzertreigen

30.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:39 Uhr
Ungewöhnlich in Corona-Zeiten: Das berühmte Budapest Festival Orchestra gibt am 3. Juli ein Gastspiel in Ingolstadt. −Foto: Stiller, Audi

Ingolstadt - Sarah Braun hatte Pech. Die Audi-Mitarbeiterin, die zusammen mit der künstlerischen Leiterin des Festivals, Lisa Batiashvili, die Audi-Sommerkonzerte organisiert, konnte gerade bei einem der wichtigsten Konzerte der vergangenen Jahre, einem Werkhallenkonzert,  nicht anwesend sein.

 

Sie saß während des Solidaritätskonzerts am 14. April zu Hause im Lockdown. Und verfolgte, obwohl sie Teil des Organisationsteams war, das Konzert, genauso wie das übrige Publikum, lediglich am Bildschirm.

Aber die Audi-Mitarbeiterin hatte Glück im Unglück: Denn sie hörte nicht nur das Konzert, sondern  hatte gleichzeitig auf ihren verschiedenen Geräten Instagram, Facebook, Linkedin und viele andere soziale Netzwerke geöffnet. "Ich war überwältigt, über diese Empathie, die Herzchen, die Smileys aus aller Welt, die aus den Netzwerken fluteten." Sie empfing noch eine andere, soziale Dimension des Konzerts und gab diesen Eindruck umgehend an ihre Kollegen in der Audi-Werkhalle weiter: Das Werkhallenkonzert fand keineswegs im leeren Raum statt, die Musiker spielten nicht in Einsamkeit - sondern sie wurden gefeiert, auch wenn es keinen echten Applaus gab: vor mehr Publikum denn je, das alles übertrifft, was Ingolstadt zu bieten hat, selbst die großen Open-Air-Konzerte im Klenzepark. Rund 250000 Menschen saßen vor den Bildschirmen und begeisterten sich. "Diesen stillen Applaus müssen wir irgendwie den Musikern vermitteln", erinnert sich Brigitte Urban (Foto unter), die Leiterin des Kulturengagements, die das Konzert vor Ort betreute.

Für das Leitungsteam der Sommerkonzerte war das eine riesige Ermutigung, den Weg der Digitalisierung weiterzuverfolgen. Der Erfolg mündet unmittelbar ins Konzept der diesjährigen Festivalrunde, die ab morgen weitgehend digital über die Bühne gehen wird.

Allerdings will man sich bei Audi von den vielen Streamingkonzerten, die überall zu sehen sind, gründlich absetzen. "Wir probieren etwas Neues", sagt Sarah Braun selbstbewusst. "Denn die Sommerkonzerte stehen auch für Experimente."
Sie ist stolz darauf, dass die Sommerkonzerte eins der ganz wenigen Festivals sind, das überhaupt stattfindet. Und Ingolstadt ist neben Ravenna der einzige Ort, bei dem das berühmte Budapest Festival Orchestra gastiert. Diesmal soll der virtuelle Applaus des Publikums, das online an den Konzerten teilnimmt in die Moderation von Alexander Massa eingebunden werden. "Streamingkonzerte ähneln Fernsehkonzerten und sind doch gründlich anders. Denn es sind Konzerte für die sozialen Netzwerke, bei denen eine direkte Interaktion mit dem Publikum möglich ist", sagt Sarah Braun.

So steht die digitale Verbreitung bei Audi in diesem Jahr klar im Vordergrund, auch wenn ein kleines Präsenzpublikum für die Konzerte anwesend sein wird. Die vier Konzerte finden in zwei Audi-Sälen statt, die Orchesterkonzerte in der Betriebsversammlungshalle mit ihren rund 2000 Quadratmetern (selbst in der verkleinerten Version). Nur in diesem riesigen Raum können unter Corona-Bedingungen überhaupt größere Orchester spielen. Zugelassen sind 80 Konzertbesucher. Die Kammerkonzerte finden im Museum mobile statt, zwischen blank polierten Oldtimern. Die Musiker sitzen im Erdgeschoss, die nur rund 20 Besucher blicken vom ersten Stock hinter einer Glasbalustrade auf das musikalische Geschehen herab.

 

In diesem Jahr werden sämtliche Tickets an Audi-Mitarbeiter verlost - besonders bevorzugte Gäste, wie etwa Audi-Vorstände, gibt es nicht.

Fast noch innovativer und wichtiger sind heuer allerdings die  Nachbarschaftskonzerte. "Wir haben versucht, aus unseren größten und kleinsten Konzerten ein Hybrid zu bilden", erzählt Brigitte Urban und bezieht sich auf die Wohnzimmerkonzerte und die großen Open-Air-Ereignisse im Klenzepark. "Wir hatten 60 Bewerbungen für die drei Konzertangebote", erzählt die Audi-Mitarbeiterin, "mehr Resonanz als wir jemals bei den Wohnzimmerkonzerten hatten." Das Audi-Team war überwältigt von den Begründungen, die fast immer etwas mit Nachbarschaftshilfe zu tun hatten. "Die Auswahl der Gewinner ist da nicht einfach. Man möchte am liebsten alle berücksichtigen und mit Musik den Menschen eine Freude bereiten", erzählt Brigitte Urban.

Man spürt bei den Audi-Mitarbeitern, wie sie brennen, wie sie dankbar sind, auch in der schwierigen Corona-Krise ungewöhnliche Projekte verwirklichen zu können. Ein Elan, ein besonderer Grad an Humanität hat sie ergriffen.  "Together for music" ist das Motto der Festspiele heuer, und dieser Spirit steht in diesen besonderen Zeiten für die Audi-Sommerkonzerte im Mittelpunkt", erläutert Sarah Braun.

Dieser Geist des Aufbruchs soll auch in den nächsten Jahren wegweisend sein, selbst wenn die Corona-Krise längst überwunden ist. Das Team will weiter experimentieren, neue Formate ausprobieren. Die Sommerkonzerte laufen diesmal über die Audi-Kanäle der sozialen Netzwerke. Darüber können Fans weltweit erreicht werden. So richtet sich das Festival heuer  nicht nur an den wichtigen Audi-Standort Ingolstadt, sondern an Musikliebhaber in der ganzen Welt, die Audi-Community. Das Streaming in soziale Netzwerke soll möglichst auch in den kommenden Jahren weiter verfolgt werden.

2021 wird die diesjährige Festivalrunde unter dem Motto "Lights of Europe" nachgeholt werden.  Aber es wird anders sein, die Erfahrungen aus der Corona-Krise haben die Welt verändert und sie werden auch den Audi-Sommerkonzerten eine neue Dimension verleihen.

 

PROGRAMMÜBERSICHT

2. Juli: 21 Uhr, "The Power of Nature", Livestream aus dem Museum mobile, Konzert mit Lesung mit der Schauspielerin Katja Riemann

3. Juli: 20 Uhr, "Music Essentials", Livestream des Budapest Festival Orchestra aus der Halle B im GVZ

4. Juli: 11 und 15 Uhr, "Beethoven Outdoor", Nachbarschaftskonzerte in Ingolstadt, 21 Uhr, "Beethoven Around the World", Quatuor Ébène, Livestream aus dem Museum mobile

5. Juli: 20 Uhr, "Together for Music", Lisa Batiashvili und Maximilian Hornung mit der Camerata Salzburg, Livestream aus der Halle B im GVZ

DK


Weitere Informationen unter www.sommerkonzerte.de

 

Jesko Schulze-Reimpell