Ingolstadt
"Die Situation wird uns fordern"

Trotz Sparkurs bei Audi: Neuer IG-Metall-Bevollmächtigter Bernhard Stiedl sieht Region vor guter Entwicklung

07.02.2019 | Stand 23.09.2023, 5:54 Uhr
Seit knapp 100 Tagen der Erste Bevollmächtigte der regionalen IG Metall: Bernhard Stiedl (links) mit Pressesprecher Lukas Graf. −Foto: Brandl

Ingolstadt (DK) Die Autoindustrie ächzt weiter unter der Last der Diesel-Krise und kündigt - wie zuletzt in Ingolstadt - Einsparungen an, wie immer diese auch aussehen mögen.

Für Bernhard Stiedl, neuer Erster Bevollmächtigter der IG Metall (IGM) Ingolstadt, ist das erst einmal kein Grund die Lage völlig schwarz zu sehen.

Knapp 100 Tage ist Stiedl nun im Amt, seit er Johann Horn, der als Bezirksleiter der IGM Bayern nach München wechselte, in dieser Position abgelöst hat. Zeit für eine erste Bilanz und einen Ausblick auf die kommenden Aufgaben, wie er gestern eingangs eines Gesprächs sagte. Vor der weiteren guten Entwicklung der IGM vor Ort ist ihm zumindest nicht bange, so seine Einschätzung. Die Zahl der Mitglieder bleibe seit drei Jahren stabil bei über 50 000 (davon über 42 000 in den Betrieben) und "großartige Veränderungen", sei es durch Stellenabbau oder Standortschließungen im Bereich der IGM, seien derzeit nicht zu erwarten. Stiedl stützte sich dabei vor allem auf die positiven Nachrichten für Airbus in Manching. Der Standort wird demnach von einem Milliardenauftrag der Bundeswehr profitieren, die 33 Eurofighter bestellt hat. Dies bedeute - auch vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung des autonomen Fliegens und Fahrens - Sicherheit für die bestehenden Arbeitsplätze sowie die Aussicht auf mehr Beschäftigte. Ingolstadt bleibe demnach Boomregion, offen seien jedoch noch die Auswirkungen eines Handelskriegs zwischen den USA und China sowie des Brexits, die sich auch auf Airbus übertragen könnten.

Etwas anders betrachtete er die Lage in der Automobilindustrie und damit bei Audi und deren Zulieferern. Hier stehe nach einer jahrelangen schwierigen Situation ein "Jahr der Entscheidungen" an. Zwar sei es unbestritten, dass die Auftragseingänge bei Audi zurückgingen, das jedoch auf einem "hohen Niveau". Ein drohendes Minusgeschäft für den Autobauer sehe er deshalb nicht und daher auch keine Notwendigkeit für die jüngst vom Vorstandsvorsitzenden Bram Schot angekündigten Einsparungen. "Man kann das sagen, aber das Unternehmen soll die Einsparungen auch begründen und offen legen, was es machen will", sagte Stiedl. Zugleich kritisierte er, dass unter diesen Umständen die Unsicherheit in der Belegschaft weiter anhalte, was die Situation auch für die Metaller nicht leichter mache. "Die Situation wird uns fordern, sie ist aber nicht dramatisch", fasste der Erste Bevollmächtigte zusammen. Die Krise sei zudem "in hohem Maße" selbst verschuldet, so Stiedl, der auch der Politik und ihren Vorgaben für einen geringeren CO2-Ausstoss bei Neuwagen bis zum Jahr 2030 eine Verantwortung zuschrieb: "Wir stehen zur Energiewende, aber der Klimaschutz und die Beschäftigten dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. "

Was den industriellen Wandel angeht, forderte Stiedl, neben dem technologischen Fortschritt auch den sozialen Fortschritt für die Beschäftigten nicht zu vergessen. Die IG Metall werde deshalb einen Transformations-Atlas erarbeiten, der den Betrieben bundesweit zur Verfügung gestellt würde, um dahingehend den Handlungsbedarf zu ermitteln. Zeit oder Geld - vor dieser Option stehen die Beschäftigten in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie seit dem jüngsten Tarifabschluss. Demnach können die Angestellte zwischen dem neuen Zusatzgeld oder acht zusätzlichen freien Tagen wählen. In Ingolstadt hätten sich 65 Prozent für mehr Freizeit entschieden. "Das zeigt, dass wir den Nerv der Zeit getroffen haben", sagte Stiedl. Erfreulich sei zudem, dass mehr Angestellte, Ingenieure und Hochschulabsolventen der IG Metall beitreten würden. Stiedl führte dies unter anderem auf die zunehmenden Aktivitäten der Gewerkschaft zurück.

Am Rande des Gesprächs stellte sich mit Lukas Graf der neue Pressesprecher der IG Metall Ingolstadt vor. Graf war bis 2018 im Bayerischen Landtag als persönlicher Referent des ehemaligen SPD-Landtagsabgeordneten Peter Paul Gantzer beschäftigt. Eines der Ziele sei es, zukünftig die sozialen Medien mehr zu nutzen und moderner zu werden, hieß es bezüglich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Michael Brandl