Eichstätt
Die Schönheit des gesprochenen Wortes

Highlight bei den Residenzfestspielen mit einer Lesung aus Goethes Faust

18.07.2019 | Stand 23.09.2023, 7:50 Uhr
Johann Kraus
Begeisterten Applaus gab es bei den Residenzfestspielen für die Schauspieler, die Passagen aus Goethes Faust I rezitierten. −Foto: Kraus

Eichstätt (EK) Acht Schauspieler - vielleicht sollte man besser sagen: Stimmakrobaten - verkörperten die verschiedenen Rollen und zeigten auf, welche Bandbreite an Gefühlen allein durch die Stimme ausgedrückt werden kann.

In einer Zeit, in der man durch WhatsApp oder Twitter gezwungen wird, mit einer amputierten Sprache zu kommunizieren, mag es wie ein Anachronismus daherkommen, die wesentlichen Passagen aus Goethes Faust I vorzutragen. Genau dieses Wagnis ist Marcel Krohn bei den Residenz-Festspielen eingegangen und der Erfolg gab ihm Recht.

Die Lesung begann mit der Wette zwischen Mephisto und Gottvater, der zustimmt, dass der Teufel den Gelehrten Faust auf die Probe stellen darf. Bei Hannes Seebauer, der die Rolle des Gelehrten übernahm, ist es offensichtlich wie mit Wein: Je älter er wird, umso mehr Reife schwingt in ihm mit. Und so spannte der inzwischen 80-jährige Nürnberger Schauspieler mit kraftvoller Stimme den Bogen vom Wissenschaftler, der an seiner Unkenntnis verzweifelt, zum jungen Liebhaber, der sich in ungeduldiger Liebe zu Grete verzehrt. Vorerst muss er aber noch den Studienanfänger Wagner abwimmeln, dessen Strebertum und Unterwürfigkeit Hans Hirschmüller treffend zum Ausdruck brachte.

Mephisto hält während des Geschehens die Fäden der Handlung in der Hand. Marcel Krohn gelingt es in dieser Rolle, sein gesamtes stimmliches Repertoire auszuspielen: Vom schleimig unterwürfigen Diener wechselt er in kürzester Zeit zum arrogant-überlegenen Bestimmer, der zornig wird, wenn das Geschehen nicht in seinem Sinne läuft.

Zunächst schließen aber Faust und Mephisto den berühmten Pakt, der den Teufel verpflichtet, Faust Zufriedenheit zu schaffen; im Gegenzug verspricht dieser ihm dafür nach dem Tod seine Seele. Ein erster Versuch für die Befriedigung Faust liegt darin, dem Wissenschaftler in der Hexenküche einen Zaubertrank zu verpassen. Und Ramona Schmid legt sich ins Zeug: Mit mal gurrender, dann wieder krächzender Stimme, die sich ruhig überschlagen darf, führt sie als Hexe den Befehl Mephistos aus, Faust zu verjüngen, der darauf nur noch herrischer seine Wünsche artikuliert. Als Faust schließlich das brave Mädchen Gretchen auf der Straße sieht, stellt er ihr so lange nach, bis sie sich zu einem nächtlichen Treffen überreden lässt. Fausts Schlaftrunk, der die Mutter in einen Tiefschlaf versetzen sollte, damit sie vom Rendezvous nichts mitbekommt, bringt ihre Mutter jedoch zu Tode.

Marija Kov?o als Gretchen wandelt sich dabei vom naiv gläubigen Kind zur sehnenden Frau, die schließlich im Kerker wahnsinnig wird, als sie sich ihrer Verfehlungen bewusst wird. Die Kupplerin Marthe - gesprochen von Kerstin Egerer - hatte das Treffen zwischen Faust und Gretchen arrangiert und sich bei Mephisto auch Chancen ausgerechnet. Dieser rührt sie zuerst mit einer frei erfundenen Geschichte über ihren verschwundenen Mann zu Tränen, bevor sie schließlich berechnend nach dem Totenschein fragt, den ihr der Teufel verspricht.

Mittlerweile war das Schicksal über Gretchen vollends hereingebrochen. Die Liebesnacht mit Faust bleibt nicht ohne Folgen und zutiefst getroffen muss sie anhören, wie Lieschen - gesprochen von Melody Bayer - schadenfroh über gefallene Mädchen ablästert. Verbittert stellt Gretchens Bruder Valentin fest, dass seine einst tugendhafte Schwester tief gefallen ist, weswegen er sie als Hure verflucht. Er stellt Faust, den er für die Ursache des familiären Unglücks hält, zur Rede und lässt sich auf einen Fechtkampf mit ihm ein. Da Mephisto dessen Hand führt, wird Valentin tödlich getroffen und Daniel Schmidt zieht alle Register seines Könnens, um stöhnend und stammelnd Valentins Sterben nachzuvollziehen. Gretchen befindet sich schließlich im Kerker, weil sie - aus Angst vor der öffentlichen Schande - ihr Kind getötet hatte. Das Angebot Fausts, mit ihr zu fliehen, schlägt sie jedoch aus, weil sie erkennt, dass sie sich dem Gericht Gottes übergeben muss.

Das Publikum honorierte das kurzweilige sprachliche Schmankerl mit lebhaftem Applaus.
 

Johann Kraus