Neuburg
Die Schmähkritik der Linken war erlaubt

Staatsanwalt stellt Verfahren gegen Roland Keller ein - "Einbahnring" vor dem Verwaltungsgericht

18.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:39 Uhr

Neuburg (r) Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt hat das Ermittlungsverfahren gegen den Neuburger Vertreter der Linken, Roland Keller, eingestellt.

CSU-Stadtrat Fritz Goschenhofer hatte ihn wegen der verteilten "Roten Karten" angezeigt.

Auf den Zetteln in zahlreichen Briefkästen bezeichnete Roland Keller die Stadträte, die den Bürgerentscheid zu einem "Einbahnring" nicht zugelassen hatten, als "Demokratieverweigerer". Sie hätten mit ihrer Ablehnung die freie Entscheidung der Bürgerschaft verhindert. Die Stadträte werden namentlich genannt und die Empfänger des Flyers aufgefordert, sie künftig nicht mehr zu wählen. OB Bernhard Gmehling und die anderen Betroffenen haben sich sehr über diesen fragwürdigen Stil geärgert. Fritz Goschenhofer schaltete die Polizei ein. Die Neuburger Inspektion ermittelte auch und gab den Vorgang an die Staatsanwaltschaft Ingolstadt weiter.

Die Behörde stellte das Verfahren jetzt ein. Die Äußerungen auf der Karte seien "im politischen Meinungskampf" passiert und deshalb nicht strafbar, so Pressesprecher Nicolas Kaczynski. Es handle sich zwar um "überspitzte Darstellungen", aber das Bundesverfassungsgericht ziehe hier eine weite Grenze bis zu massiver Schmähkritik. In einem Beschluss von 2014 hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts festgelegt, dass eine Schmähung erst dann vorliege, wenn nicht mehr die sachliche Auseinandersetzung, sondern die Herabsetzung einer Person im Vordergrund stehe.

Der Flyer der Linken in Neuburg könne als plakative Kritik am Stadtrat wegen der Ablehnung und als "Ausdruck der Wut darüber" zu verstehen sein. In der Vergangenheit seien weitaus herabsetzendere Werturteile etwa die Bezeichnung einer politischen Partei als "Verbrecher" oder "Mörderbande" als zulässig angesehen worden, so die Staatsanwaltschaft Ingolstadt in ihrer Einstellungsverfügung. Dem CSU-Politiker Fritz Goschenhofer geht das zu weit. Die Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, aber der Gebrauch derartiger Beschimpfungen "führt eindeutig zu einer Verrohung der politischen Auseinandersetzung". Da müsse man sich über den Zulauf extremistischer Parteien nicht wundern. "Nach 34 Jahren als Stadt- und Kreisrat lasse ich mich jedenfalls nicht von den Linken über Demokratie belehren. "

Im vorliegenden Fall geht es um die Erprobung eines zweispurigen "Einbahnringes" in der Neuburger Innenstadt. Eine Gruppe hat über 2000 Unterschriften gesammelt, um diesen Testlauf durchzusetzen. Der Stadtrat hat den beantragten Bürgerentscheid (zur Landtagswahl) mit 24:7 Stimmen abgelehnt. Landratsamt, Städtetag und die Regierung von Oberbayern stehen hinter der Ablehnung, weil sie etliche Details der Verkehrsführung für einen Ring als rechtswidrig einschätzen. Dazu gehören etwa Fußgängerüberwege über zwei Fahrspuren.

Die Bürgerinitiative hat mittlerweile beim Verwaltungsgericht München Klage gegen die Ablehnung durch die Stadt Neuburg eingereicht. Sollte sie zum Erfolg führen, müsste ein eigener Abstimmungstermin für den "Ring" gefunden werden.