Serie
Die Schlampe mit dem Meerschweinchen-Café ist wieder da

Die zweite Staffel von „Fleabag“ läuft auf Amazon Prime

05.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:17 Uhr
"Fleabag" (phoebe Waller-Bridge" läuft seit 17. Mai auf Amazon Prime. −Foto: Prime Video

Ingolstadt (DK) Blut im ganzen Gesicht. „Fleabag“ putzt sich vorsichtig mit einem Handtuch die Nase, den Mund. Auch zwischen den Zähne Blut. Als sie fertig ist, schaut sie leicht verquollen in die Kamera. Sie lächelt. „Das ist eine Liebesgeschichte“, kündigt sie an. Sie hat recht. Trotzdem kommt alles ganz anders als erwartet. „Fleabag“ ist wahrscheinlich die beste Serie, die der Streaming-Dienst „Amazon Prime“ gerade zu bieten hat – auch weil sie mit Tabubrüchen und neuen Wendungen ständig überrascht, trotzdem bleibt der trockene Humor erhalten. Seit 17. Mai ist die zweite Staffel abrufbar.

„Fleabag“ - einen anderen Namen hat sie nicht - ist Anfang/Mitte 30, betreibt ein Café mit Kitsch-Meerscheinchen-Deko in London. Ihre Schwester ist ein verbissener Workaholic mit Millionen-Gehalt, ihr Schwager pervers. Der Oberschicht-Vater will ihre Patentante heiraten, die ihre Fiesheit stets hinter zuckersüßem Strahlen verbirgt. Dazu kommt noch ein Priester mit einem Faible für ausgefallene Roben, für den sich „Fleabag“ zu interessieren beginnt. Sie alle treffen sich zum Verlobungsdinners des Vaters und der Stiefmutter in spe. Das allein gäbe schon genug Stoff für schlagfertige oder bedarfsweise auch schön verkrampfte Dialoge und witzige Handlungsstränge. „Fleabag“ kann aber noch mehr als Klamauk.

Die Engländerin Phoebe Waller-Bridge ist ein Multitalent. Nicht nur spielt sie die Titel gebende Hauptfigur, die Serie basiert auch auf einem Ein-Personen-Stück aus ihrer Feder, dass sie fürs Fernsehen adaptiert hat. „Fleabag“ lässt sich salopp mit „Schlampe“ übersetzen. Tatsächlich ist die Hauptfigur egozentrisch, zynisch, sexsüchtig und leicht verquer – ihren on-again/off-again Freund Harry „überrascht“ sie etwa Psycho-mäßig mit Maske und Messer unter der Dusche. Trotzdem zieht sie das Publikum mit Leichtigkeit auf ihre Seite, weil sie die Zuschauer durch das regelmäßige Durchbrechen der vierten Wand zu ihren Komplizen macht und das Geschehen kommentiert. Hinter „Fleabags“ oft bösartigem Witz verbirgt sich gleichzeitig die Trauer um ihre beste Freundin Boo, an deren Tod sie nicht ganz unschuldig ist.

Bringt die erste Staffel noch nach und nach zutage, was eigentlich vorgefallen ist, beschäftigt sich die zweite Staffel damit, wie „Fleabag“ ihr Leben – zumindest teilweise – wieder in den Griff bekommt. Dabei werden Tabubrüche nicht ausgespart: Masturbation zu Obamas Reden, eine Fehlgeburt auf der Damentoilette, ein trinkender Priester mit Fuchs-Phobie, ein gestörtes Stiefkind mit Fagott, alles ganz normal in „Fleabags“ Kosmos.

Traurig ist allerdings, dass nach der zweiten Staffel nun Schluss sein wird. Phoebe Waller-Bridge hat das Ende als „perfekt“ beschrieben. Das mag stimmen, aber als Zuschauer fragt man sich, welche Sendung nun die Leere, die „Fleabag“ hinterlassen hat, ersetzten kann.

Magdalena Naporra