Bayern
Die Schattenseite des weißen Goldes

Die Spargelzeit geht zu Ende, und das Folienmeer verschwindet fürs Erste. Das königliche Gemüse Spargel genießt den Status eines Kulturguts. Doch der Anbau hat auch Schattenseiten.

14.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:57 Uhr

Ein Meer aus Plastik: Darunter, gut geschützt, befindet sich weißer Spargel - oder auch weißes Gold, wie das Gemüse häufig bezeichnet wird. Doch der Spargelanbau hat auch seine Schattenseiten. Experten monieren die Verwendung von Spritzmitteln und die Ausbeutung des Bodens. - Foto: PK-Archiv

Plastik, so weit das Auge reicht. Mittendrin: der uralte Wallfahrtsort Inchenhofen. Die Kirche St. Leonhard überragt das weiße Folienmeer, das sich bis zum Horizont zu erstrecken scheint. Die weißen oder schwarzen Folien nämlich geben zarten Pflanzen Unterschlupf, die das Licht über Monate nicht sehen sollen: weißem Spargel.

Angebaut wird er, wo Platz ist, und das ist längst nicht mehr nur in den Ebenen des Nachbarlandkreises Neuburg-Schrobenhausen. Besonders in steileren Lagen wie südlich von Leahad oder zwischen Aichach und Motzenhofen erstrecken sich gigantische Flächen. Das freut die Fans des einstigen Luxusgemüses, doch der Spargelanbau hat auch Schattenseiten. Vor allem Anwohner klagen über das Gemüse, das als gartenbauliche Leitkultur kaum mehr wegzudenken ist, auf der anderen Seite jedoch in gewissen Lagen erhebliche Erosionsprobleme mit sich bringt.

"In manchen Gegenden spitzt sich der Spargelanbau in hängigen Lagen zu", erklärt Robert Brandhuber, Experte für Boden-Monitoring an der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Freising. Auch einer der Gründe für die Wahl oftmals kritischer Flächen lässt er erkennen: Die Anbaufläche des Spargels ist von 2005 bis 2016 um 75 Prozent gestiegen. Der Platz wird rar. Heute findet man in Bayern über 4100 Hektar Spargel. Maisfelder nehmen zwar mit rund 540 000 Hektar wesentlich mehr Fläche ein als das "weiße Gold", dieses ist aber, besonders um Inchenhofen im Wittelsbacher Land, auf dem Vormarsch. Auf den bayernweit rund 560 Hektar Fläche, die ein Gefälle von über fünf Prozent aufweisen, wird der Oberflächenabfluss schon bei leichten Niederschlägen zum Problem.

"Zehn Millimeter Niederschlag, der nicht einsickern kann, summiert sich auf einer Fläche von einem Hektar auf 100 Kubikmeter Wasser. Oberflächenabfluss in dieser Größenordnung kann innerhalb und unterhalb des betroffenen Feldes bereits erhebliche Schäden anrichten und hohe Kosten für die Instandsetzung verursachen", heißt es in einer Informationsbroschüre der LfL.

Deutlich wurde das Problem abschüssiger Spargelfelder in den Jahren 2014 und 2016 in Walchshofen bei Aichach. Südlich des Dorfes am Krebsbach liegen rund acht Hektar Spargel, die sich den Hügel hinaufziehen. Ein benachbarter Landwirt erzählte von Wassermassen, welche bereits nach leichterem Regenfall die Wege hinunter strömten. Er möchte lieber namenlos bleiben. "Ich hatte meine Kühe auf der Weide", meinte er. "Ich habe sie in den Stall gebracht, nachdem sie bis zu den Knien im Wasser standen." Auf den Spargelfeldern aber sei die Ernte weiter gegangen. Die Bifänge, also die Dämme, in denen der Spargel wächst, brachen und Erdreich wurde hinab ins Tal gespült. Der Bach wandelte sich zum schlammigen Abfluss. Ackerboden setzte sich im Bachbett ab.

"Dass Bäche und Flüsse neben Monokulturen wie Spargel- oder Maisfeldern verschlammen, ist ein Problem", erklärt Thomas Schuster vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Augsburg. Doch nicht nur der Abtrag kostbaren Ackerbodens ist ein Thema. Wie in anderen Monokulturen üblich, haben sich Schädlinge auch auf den Spargel spezialisiert. So ist die Spargelfliege ein Tier, das es zu bekämpfen gilt und dem man durch präventiven Einsatz von Pflanzenschutzmitteln entgegenzuwirken versucht. "Nachdem der Spargel im Juni austreibt", erklärt Ulrike Ettner aus Walchshofen, "wird der Acker neben unserem Hof ab Juli alle drei Wochen gespritzt." Der Wind treibe die Stoffe dann vom Grünspargel auf ihre eigene Wiese. Sie klagte über Kopfschmerzen. "Meine Hunde, die das Gras hin und wieder fressen, haben bereits öfter Durchfall bekommen."

Behandelt wird nicht in Bodennähe, sondern aus rund eineinhalb Metern Höhe. Das hat einen Grund: Gespritzt werden muss das Grün des Spargels. Dies muss aus entsprechender Höhe geschehen, um eine optimale Wirkstoffverteilung zu gewährleisten, wie Albert Höcherl, Ansprechpartner für Pflanzenbau am AELF in Stadtbergen, erklärt. Auch die Folien, die das inzwischen sieben Jahre alte Feld abdecken, lösen sich unter Einfluss der Witterung auf. "Heuer fliegen überall winzige Fitzelchen Plastik herum", erklärt Ulrike Ettner. Sie selbst hat nichts gegen Spargel. Es seien aber die Praktiken einzelner Landwirte, an denen man nicht nur Anstoß nehmen kann, sondern die man auch kritisieren darf.

Rechtlich genießt der Spargel im Freistaat einen gewissen Sonderstatus, der auch die Eingrenzung der Flächengröße erschwert. "Es gibt keine wirkliche Regelung, Spargelanbau besser zu überwachen, weil er auf EU-Ebene nicht relevant ist", erklärt Konrad Hörl, Bereichsleiter Landwirtschaft des AELF in Stadtbergen. Es gibt zwar einen sogenannten Erosionsschutzkataster, der das Pflügen in gewissen Hanglagen verbietet, den Spargel als sogenannte gärtnerische Freilandkultur aber lässt der Kataster aus. "Wir können nur durch Beratung Einfluss auf den Anbau nehmen", erklärt Hörl. So legte auch Robert Brandhuber im Rahmen des diesjährigen "Produkttages Spargel" den Fokus auf kluge Flächennutzung. In Hanglagen, Hangmulden oder an verwundbaren Unterliegern - das sind Anlieger, deren Grundstücke unterhalb der eigenen Felder liegen - sollten grundsätzlich keine Spargelfelder angelegt werden. Dauerhafte Grünstreifen am Feldrand, Strohballen oder die Saat anderer Pflanzen zwischen den Dämmen sind Ansätze, mit denen Brandhuber Erosion vorzubeugen gedenkt. Aus diesem Grund veröffentlichte die Landesanstalt Ende Mai eine Informationsbroschüre, die sich mit dem Spargelanbau beschäftigt.

Besonders hervorgehoben wird im Dokument die Relevanz von Hanglagen und Flächengrößen. Bodenschutzrechtlich kann ein Spargelproduzent zur Rechenschaft gezogen werden, insofern aus seinem Verhalten hervorgeht, dass er eine Maßnahme zum Schutz seines Bodens vor Erosion nicht ergriffen hat. "Das kommt aber sehr selten vor", erklärt Robert Brandhuber. Viel schädlicher seien die Folien, die dafür sorgen, dass die Erde, in welcher der Spargel sitzt, trocken bleibt. Doch auch zwischen den Folien könne das Wasser kaum ablaufen, weil die Laufwege zwischen den Dämmen durch wiederholten Tritt stark verdichtet werden. Bei Starkregen bricht der Damm aus trockener Erde, wie auf dem Feld südlich von Walchshofen. Für Georg Lohner, Spargelproduzent aus Inchenhofen, ist diese Kritik unbegründet. "Erosion ist bei uns kein Problem", erklärt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Spargel Lohner beschäftigt rund 90 Mitarbeiter und jährlich über 1000 Erntehelfer auf seinen etwa 600 Hektar rund um den Markt Inchenhofen. Auch in Brandenburg, wo Georg Lohner zusammen mit seinem Bruder Josef vor drei Jahren eine Agrarfirma in Sonnenberg übernahm, bewirtschaftet der Spargelproduzent rund 700 Hektar Fläche unter Folie.

Anwohner sahen darin anfangs eine Gefährdung für die lokale Flora und Fauna, wie die "Märkische Allgemeine" berichtete. Heute seien die Wogen geglättet, erzählt eine Redakteurin. Dass die Anwohner der Spargelanbau derart interessiert, habe er noch nie erlebt, sagte Lohner der "Märkischen Allgemeinen". "Der Verbraucher hätte heuer mehr Spargel gebraucht und gewollt." Wenn man ihn nicht liefern könnte, profitierten Produzenten aus anderen Ländern. Ein Beheizen des Spargels halte der Landwirt daher für vertretbar. Auch Bodenversiegelung spiele keine Rolle, meint Lohner. Mais- und Kartoffeläcker oder gar die B 300 trügen in höherem Maße dazu bei. Ästhetik sei ohnehin Geschmackssache. In jedem Fall verlangt der Markt ein frühes Angebot zu einem "bezahlbaren Preis", so Lohner.

Anders sieht das Josef Plöckl, der Vorsitzende des in Schrobenhausen ansässigen Spargelerzeugerverbands Südbayern. "Der Markt verlangt es auf keinen Fall", meint er. Im Verband verzichte man auf beheizte Felder, die den Spargel bereits vor seinem natürlichen Austrieb aus dem Boden kitzeln. Die seit 2010 geschützte geografische Angabe "Schrobenhausener Spargel" sei ein Abgrenzungsversuch von anderen bayerischen Produzenten. "Wir benutzen keine Pestizide und Herbizide", erklärt der Vorsitzende.