Ingolstadt
Die Runde muss ins Eckige

Schwitzen, rasen und immer lächeln: Der Beruf des Pizza-Boten – ein Annäherungsversuch

08.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:22 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Die Zutaten sind auf Metallschalen verteilt, die Pizzakartons sind gestapelt, die Warmhalteboxen stehen bereit. Es ist wie vor dem Boxenstopp eines Formel-1-Rennens – nur dass keiner weiß, wann der Wagen in die Box fährt beziehungsweise wann die nächste Bestellung kommt: Donnerstagabend – bevor der große Hunger kommt und tausende Ingolstädter zum Hörer greifen oder bei den Onlinediensten bestellen und auch bei Hot Pizza im Nordosten landen werden.

Nur gerade passiert dort wenig. Und ein Aushilfs-Pizza-Bote vom DONAUKURIER wird jetzt ungefähr so sehr benötigt wie Fischgräten als Pizzabelag. Dazu ist es eng in der Küche. Und schwül. Aber die anderen stecken das scheinbar mühelos weg, lächeln freundlich und erklären, was ein Pizza-Bote so tun muss.

Zuallererst braucht er natürlich ein T-Shirt mit Firmenlogo. „Und sie sollten wenig Strafzettel kriegen, nicht zu schnell fahren, und vor allem schauen, dass die Leute nicht zu lange warten“, sagt Hakan Yildirim, der den Lieferdienst zusammen mit seinem Vater Ceki betreibt. Bis zu 80 Bestellungen am Tag kommen zu Hochzeiten rein. Wenn es – wie im Moment – richtig warm ist und viele Leute im Urlaub sind, bestellen entsprechend weniger.

„80 Prozent kommen übers Internet“, erklärt Ceki Yildirim. Hot Pizza ist Mitglied bei zwei Online-Plattformen. „Die kriegen von jeder Bestellung fünf Prozent“, sagt Yildirim. „Aber es geht nicht mehr ohne.“

Alle drei Fahrer sind da – denn auch heute könnten parallel mehrere Bestellungen eingehen. „Jetzt muss man warten. Dann ist aber wieder Vollgas“, sagt Hakan Yildirim. 45 Minuten soll es maximal dauern, bis die Lieferung beim Kunden ist, das kann je nach Entfernung und Menge knapp werden. Die Autos halten die Belastung nicht lange aus. „Die sind nach drei Monaten Schrott“, sagt Yildirim. Die Fahrer sind da robuster. Valentin Burca, 28 und aus Craiova in Rumänien, ist seit einem Jahr in Deutschland und seitdem auch bei Hot Pizza. „Sehr, sehr gerne“ arbeite er dort, sagt Burca.

Ein Fax ist gekommen – eine Onlinebestellung. Endlich. Max-Immelmann-Kaserne, der Kunde hat schon alles bezahlt. Er will eine Pizza mit Käserand und weiteren Extras, dazu Eis und Döner. Aber geliefert werden soll erst in einer Stunde. Also weiterwarten.

Doch dann klingelt das Telefon. „Hot Pizza, hallo“, sagt Ceki Yildirim. Er notiert sich Namen und Adresse. „Eine Tonno groß. Was für Nudeln? Rigatoni mit Käse überbacken.“ Die Männer in der Küche haben zugehört und fangen an zuzubereiten. Eine Frage in die Runde: „Was kann ich tun“ Valentin Burca lächelt. „Nichts, nur gucken.“

Immerhin, eine Aufgabe darf der Aushilfs-Bote doch übernehmen – die Pizza in die Schachtel hieven, nachdem sie sechs Minuten im Ofen war. Alle schauen zu – geschafft. Dann den Deckel auf die Rigatoni, alles in die Warmhaltebox, das Eis obendrauf – und ab nach Manching. Burca fährt, es muss jetzt schnell gehen. Er stellt das Navi ein, „aber ich kenne die Strecke“, sagt er lächelnd. Stammham, Vohburg, Zuchering – alles im Kopf gespeichert. Ein Test, bei dem schon mehrere Lieferdienste versagt haben: „Erni-Singerl-Straße“ Burca überlegt nur kurz. „Ja, ja. Romy-Schneider-Straße, neues Gebiet.“

Das Ziel ist erreicht. Ein Wohnblock. Zweimal klingeln, dann öffnet ein junger Mann die Tür. „13 Euro bitte“. Er hat nur zehn, holt sich bei einem Kumpel den Rest und gibt sogar zwei Euro Trinkgeld. Ein freundliches „Guten Appetit!“ und dann geht es wieder zurück, die Lieferung in die Kaserne steht an.

Inzwischen sind in der Zentrale weitere Bestellungen eingegangen. Burca und seine Aushilfe sollen eine davon mitnehmen. Die Pizzen sind noch nicht fertig. „Vielleicht müssen wir uns bei der Kaserne entschuldigen, dass es später wird“, sagt Ceki Yildirim. Burca blickt ihn eindringlich an. „Oder schaffst du’s“ Burca nickt bestimmt. Aber die zweite Bestellung kann nicht mehr mit. Gerade zwei Minuten nach der vereinbarten Zeit hält das Auto schließlich vor der Kaserne. Burca steigt zufrieden aus. Ein Soldat holt die Bestellung am Tor ab. Und erneut geht es zur Zentrale.

Soldaten bestellten schon häufig, sagt Valentin Burca. Und die Audi-Mitarbeiter. Und viele mehr. So wird er auch an diesem Abend noch das eine oder andere Mal ausrücken. Wenn irgendwo der Hunger kommt.