Ingolstadt
Die Ruhe vor dem Ansturm

29.07.2010 | Stand 03.12.2020, 3:49 Uhr

Immer auf Achse: Die Fernfahrer Sven Brüning (oben) und Roland Wohlfarth. - Foto: Lodermeyer

Ingolstadt (DK) Auf der einen Seite der Autobahn A 9 tummeln sich die Heimkehrer an der Raststätte Köschinger Forst, kaum mehr eine Lücke ist frei. Gegenüber, Fahrtrichtung Süden, können die Urlauber dagegen in Ruhe ihren Kaffee trinken. Gerade einmal ein Viertel der Parkplätze war gestern Mittag besetzt, der große Ansturm auf diese Seite der Raststätte kommt erst mit dem Ferienbeginn. Ein Stimmungsbild.

Gemächlich lehnt Robert Thielmann an seinem Auto und genießt seinen Kaffee. "Das ist die erste Tasse, seit wir vor drei Stunden losgefahren sind", erzählt er. "Irgendwie muss man ja wach bleiben." Gemeinsam mit seiner Frau ist der Pfälzer unterwegs nach Kroatien. "Seit 25 Jahren fahren wir schon dahin." Bisher war die Reise für das Ehepaar angenehm. "Kein Stau, nur die Baustellen nerven."
 

Ein paar Parkplätze weiter holt sich Steffen Neubert gerade ein Wurstbrot aus der Kühltasche. Auch für ihn ist es die erste Rast. "Ich fahre mit meiner Frau nach Berchtesgaden", berichtet er. Wie viele andere Reisende nimmt sich das Ehepaar aus Sachsen-Anhalt seine Brotzeit selbst mit. Nur den Kaffee holt es sich doch lieber frisch von der Raststätte.

Polizei vorbereitet

Während die Urlauber an der Raststätte die Ruhe noch genießen, bereitet sich die Verkehrspolizei Ingolstadt bereits auf ein heißes Wochenende vor. Bei Vollauslastung wie zu Beginn der Sommerferien sind am Tag schließlich bis zu 100 000 Fahrzeuge auf der A 9 unterwegs. "Und das nur in eine Richtung", betont Michael Huber. Da komme es nicht selten zu Unfällen.

Mit seinen zwei Söhnen an der Hand kommt Mark ten Holdek aus dem Restaurant neben der Tankstelle. "Wir kommen aus Holland und sind seit über neun Stunden auf Achse", erzählt der Familienvater. Ihr Ziel: Trient. Seine Frau und er sehen allerdings recht frisch aus, die lange Fahrt merkt man ihnen nicht an. Die beiden Jungs, die ten Holdek auf der Rückbank anschnallt, sind mindestens so fit wie ihre Eltern. "Sie quengeln oder nerven fast nicht", meint ten Holdek. "Wir haben vorgesorgt und genug Spiele eingepackt."

Zwei ihrer Landsleute machen es sich gerade auf der Kofferraumkante ihres Autos gemütlich. Statt des klassischen holländischen Wohnwagengespanns haben die beiden ein Boot auf dem Anhänger. Jan Bakker schüttet sich noch Milch in seinen Kaffee, bevor er einen Schluck nimmt. "Für zweieinhalb Wochen geht’s nach Italien ans Meer, das ist eindeutig zu kurz", sagt er. Seit 25 Jahren fahren die zwei Niederländer bereits dorthin, seit 15 Jahren mit ihrem eigenen Boot. "Wir lieben es", schwärmt Plony Bakker-de Jong. Gegen sieben Uhr abends kommen sie wahrscheinlich an. "Wenn es keinen Stau gibt", fügt Bakker vorsichtig hinzu. "Aber bisher hatten wir Glück."

Zwar heißt das Ziel von Sven Brüning und Roland Wohlfarth auch Italien. Aber sie fahren nicht dorthin, um Urlaub zu machen. Die beiden Männer aus Sachsen-Anhalt sind Fernfahrer: Brüning sitzt seit 13 Jahren am Steuer eines Lkw, Wohlfarth ist bereits seit 35 Jahren auf Achse. Entsprechend gemütlich hat Wohlfahrt sich seine Fahrerkabine eingerichtet. Ein Schild an der Frontscheibe zeigt klar, wer hinter dem Lenkrad sitzt: Roland. "Ich wohne ja quasi da drin", erzählt Wohlfarth. "Da ist der Lkw Wohnstüberl und Esszimmer in einem. Ich hab’ sogar ’ne Kaffeemaschine." Die beiden Männer haben voraus geplant: "In einigen Teilen Deutschlands sind die Schulferien diese Woche zu Ende, da kommen uns alle entgegen", erklärt Wohlfarth. "In Bayern ist am Freitag der letzte Schultag, daher sind jetzt die Straßen nach Süden noch frei."

Der Kindinger Berg liegt bereits hinter den Reisenden. Dort "und prinzipiell an jeder Steigung wird es problematisch", sagt Verkehrspolizist Huber. Da krache es recht häufig, genauso an jeder Kuppe. Michael Huber rät daher den Urlaubern zu Gelassenheit am Steuer. "Und natürlich auf Geschwindigkeit und Abstand achten!", fügt er hinzu.

Zurück nach Hause

Auf der anderen Seite der A 9, Richtung Nürnberg, sind nur noch wenige Parkplätze frei: Dort treffen sich die Heimfahrer, in manchen Bundesländern sind die Sommerferien schließlich bald vorbei. Fast schon zynisch steht auf einem Werbeplakat für eine Zeitung: Die 100 schönsten Reiseziele Deutschlands. "Unser Urlaub ist leider schon zu Ende", seufzt Heike Krebs. Drei Wochen waren die Hannoveranerin und ihr Mann mit ihrem Kind in Österreich. "Nächsten Montag geht für unseren Sohn die Schule wieder an, daher müssen wir heute zurück nach Hause", bedauert sie.

Während Familie Krebs weiter nach Hannover fährt, bleibt Johann Stoin an der Raststätte. Seit 1981 arbeitet er bereits an der A 9, mal hinter der Kasse, mal als Kellner im Restaurant. "In Stoßzeiten kommen hier 250 Autos pro Stunde rein", erzählt er. Der typische Durchfahrer kaufe sich etwas Alkoholfreies zu trinken, "viele nehmen Kaffee und ein belegtes Brötchen". Nach fast drei Jahrzehnten an der Autobahn kennt er die Beamten von der Polizei recht gut. "Jetzt nicht wegen Problemen", winkt er lachend ab, "aber nach so vielen Jahren kennt man sich eben. Also, wenn Sie ein Polizist hier aufhält, sagen Sie ihm einen Gruß vom Stoin-Hans!"