Reisgang
Die Räder drehen heute global

Die Scheller-Mühle in Reisgang ist hoch technisiert und international aufgestellt

06.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:21 Uhr

Neunte Generation der Scheller-Mühle in Reisgang: Josef Scheller ist technischer Leiter und außerdem für Marketing zuständig. Im Labor wird überprüft, ob das Mehl den genauen Vorstellungen der Kunden entspricht. Über Röhren werden die Körner weitergeleitet, gesiebt und gemahlen. Das Infrarotlicht (Mitte unten) erkennt Fremdgetreide - dieses wird aussortiert. - Fotos: Brenner

Reisgang (PK) Josef und Anita Scheller sind die neunte Generation der Scheller-Mühle in Reisgang. Der Betrieb hat sich in den vergangenen Jahrzehnten enorm gewandelt: Die Produkte wurden vielfältiger, der Einkauf globaler, die Mitarbeiter sind hoch spezialisiert.

Michaela Rösch entgeht in Punkto Mehl nichts. Die Lebensmitteltechnikerin erhitzt, backt und untersucht akribisch jedes Getreide, das an der Schellermühle angeliefert wird. Zusammen mit den fünf anderen Labormitarbeitern führt sie sensorische, analytische oder mikrobiologische Überprüfungen durch. Jede Eigenschaft wird genauestens dokumentiert. Wie viel Wasser kann der Teig aufnehmen? Wie stabil ist das Mehl?

Rösch arbeitet als eine von 75 Frauen und Männern bei der Schellermühle in Reisgang - und versinnbildlicht den Wandel der Firma, die heute nichts mehr gemein hat mit der Mühle, die Johann Scheller im Jahr 1843 kaufte und von der noch mit dem Pferdefuhrwerk ausgeliefert wurde. Damals gab es genau eine Mehlsorte, heute produziert der Betrieb gut ein Dutzend Sorten von unterschiedlicher Qualität. "Das Produkt muss am Ende genau den Kundenwünschen entsprechen", erklärt Josef Scheller, technischer Leiter und Marketingchef, der zusammen mit seiner Schwester eines Tages die Nachfolge in dem Familienunternehmen antreten wird. Genügt das Getreide den Ansprüchen nicht, wird es auch vom Labor nicht freigegeben - und geht wieder an den Bauern zurück. "Das passiert aber selten, meist zu Ende der Saison, wenn es schon lange eingelagert ist", erklärt Scheller.

Die Mühle bezieht den Weichweizen hauptsächlich von der Erzeugergemeinschaft für Qualitätsgetreide in Pfaffenhofen und Umgebung, zu der rund 350 Landwirte gehören. Während das Weichweizenmehl zum Beispiel gut für das Brotbacken ist, braucht man Hartweizengrieß vor allem für Nudeln oder Spätzle, weil es beim Kochen fester bleibt. Hartweizen wächst aber gerne in eher trockenen und wärmeren Gebieten, deshalb kauft die Mühle es aus dem Ausland, etwa aus Kanada, Frankreich, Österreich oder Osteuropa.

Je nachdem, wie hoch der Getreidepreis ist - auch abhängig von Spekulationen an der Börse - desto höher wird der Preis für den Weiterverkauf angesetzt. Was sich trotzdem nicht ändert, ist die Menge, die produziert wird: 200 000 Tonnen Getreide passieren die Mühle im Jahr. "Mehl braucht man immer, das gehört zu den Grundnahrungsmitteln", erklärt Scheller. Der Markt wächst, vor allem die Nachfrage nach Spezialmehlen wie dem Dinkelmehl. "Früher haben wir eigentlich nur den Typ 405 verkauft. Heute sind es etwa 20 Sorten", sagt Scheller. Darunter gibt es auch qualitative Unterschiede. So macht ein Großteil der Bauern bei dem regionalen Programm "geprüfte Qualität Bayern" mit, zudem produzieren auch einige Landwirte Biogetreide, das Mehl ist dann mit dem bayrischen Biosiegel gekennzeichnet. Für die Marke Mehlzauber werde auch prinzipiell nur guter Weizen verwendet, sagt Scheller. "Je höher der Eiweißanteil, desto hochwertiger ist der Weizen." Das Mehl aus dem weniger guten Weizen wird dann unter einem anderen Namen zu einem günstigeren Preis vermarktet. Insgesamt werden nur zehn Prozent der Waren im Ausland verkauft. "Es ist wegen der Transportkosten auch nicht sehr lukrativ, weit zu fahren", sagt der technische Leiter.

Der Mahlprozess ist hoch technisiert und kompliziert. Zunächst werden die Körner gereinigt, gesiebt und entstaubt, anschließend werden sie mit Luftdruck über ein riesiges, mehrere Meter langes Röhrensystem nach oben geblasen, von wo aus sie in die Silos gelangen. Hier wird gesiebt und gemahlen, zudem gibt es Kameras, die automatisiert schlechte Körner aussortieren, eine erkennt zudem mit Infrarotlicht Fremdgetreide. Eine Getreidefuhre wird bis zu 15 Mal durch das Röhrensystem gepustet. Aus den Schalen des Getreides, die bei diesem Prozess vom Weizen getrennt werden, wird Tierfutter.

Derjenige, der all das überwacht und betreut, ist heutzutage schwer zu finden, sagt Scheller: Der Müller. "Wir haben hier zehn Müller, die fast alle aus dem Ausland kommen." Er kennt auch den Grund für den Mangel: In Deutschland gebe es nur zwei Berufsschulen, die Menschen zu Müllern ausbilden. Dabei sei der Beruf hoch attraktiv. "Es geht hier keineswegs nur ums Mehlsackschleppen", sagt Scheller. "Man muss vieles können: Lebensmitteltechnologie, Verfahrenstechnik, Bäckereitechnik." Zudem gebe es als Müller auch Aufstiegschancen. Bis zu 5000 Euro Brutto verdiene ein Obermüller. Der Berufsstand werde international gesucht. "Deshalb kann ein Müller heute auf der ganzen Welt arbeiten." Scheller selbst kann sich jedoch nur einen Ort vorstellen, an dem er arbeiten will. In Reisgang in seiner Mühle. Die soll auch künftig noch Scheller heißen. "Wir wollen ein Familienbetrieb bleiben."